Die erste Euphorie nach dem Linke-Wahlerfolg ebbt ab, weil die Linke ihrem Pazifismus treu bleibt und ein Sondervermögen für Militärausgaben ablehnt. Selbst der linke Mediendiskurs ist von einem Mantra bestimmt: Waffen, Waffen, Waffen
Kriegsgewinnler sitzen auch in Redaktionen
Montage: der Freitag; Material: Stock
Kriegsgewinnler gibt es viele: Manche sitzen in Energieunternehmen, andere bei Lockheed Martin und Rheinmetall, wieder andere in deutschen Redaktionen. Seit Putins Überfall auf die Ukraine sind einige junge Autorinnen und Autoren in überregionalen Zeitungen und Publikationen aufgetaucht, die nun zu den Ost-Erklärern in der Zeit, der taz oder der FAZ geworden sind. Expertise über Ostereuropa ist nach Kriegsausbruch gefragter als zuvor, doch mischt sich unter die analytische Kompetenz – wie derzeit überhaupt im Journalismus – vor allem sehr viel Meinung.
Waffen, Waffen, Waffen, darauf lassen sich viele Beiträge zusammen dampfen, die dem öffentlichen Diskurs als vierte Gewalt geleistet werden. Dass die Menschen in der seit drei Jahren gebeutelten
h viele Beiträge zusammen dampfen, die dem öffentlichen Diskurs als vierte Gewalt geleistet werden. Dass die Menschen in der seit drei Jahren gebeutelten Ukraine immer kriegsmüder werden, und dass sich dort hunderttausende Männer in ihren Wohnungen verschanzen, weil sie Angst haben, auf offener Straße von den rabiaten Einberufungsbehörden verschleppt und an die Front gezwungen zu werden, wird seltener erwähnt. Auch wenn man sich dazu im deutschen Mainstream lieber vornehm ausschweigt: Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist in der Ukraine seit nunmehr drei Jahren ausgesetzt, wer dennoch darauf pocht, landet im besten Fall für bis zu vier Jahre im Gefängnis – oder aber an der Front.Die Haltung der Linkspartei ist einigen Autor*innen jetzt ein Dorn im Auge. Um weitere Waffenlieferungen gen Ukraine zu unterbinden, schrieb etwa die Zeit-Journalistin Anastasia Tikhomirova, sei „der Linkenchef Jan van Aken jetzt sogar bereit, gemeinsam mit der rechtsextremen AfD abzustimmen.“Linke stimmt ab wie die AfD? Vorsicht HufeisentheorieUnd weiter: „Mit der Brandmauer zur AfD, die die Linke von den anderen Parteien richtigerweise eingefordert hat, scheint man es für den eigenen unbedingten Pazifismus nicht mehr so genau zu nehmen.“Nach dieser Logik wäre es der Linkspartei als Opposition bald gar nicht mehr möglich, gegen die Pläne von Friedrich Merz & Co. zu stimmen – denn das könnte ja auch die AfD tun. Die Hufeisentheorie meldet sich hier zu Wort, wie sie bürgerliche Journalisten gern im Munde führen, um Abweichler zu diskreditieren – schon vor der Wahl warnte der konservative Kolumnist Nikolaus Blome nicht nur vor der AfD, sondern auch vor einer erstarkten Linkspartei.Noch absurder ist dieser Vorwurf in Anbetracht der Tatsache, dass Merz und die CDU den Linken bislang kein Gesprächsangebot unterbreitet haben – und das auch nicht tun werden. Nach jahrelangen Unvereinbarkeitsbeschlüssen wird der kommende Kanzler seine Pläne ganz sicher nicht von außenpolitisch unzuverlässigen „roten Socken“ abhängig machen, immerhin wäre das ein eklatantes Zeichen der eigenen Schwäche.Die Linke umgehen: Sondervermögen für die BundeswehrGenau deshalb denken Grüne, SPD und die Unionsparteien schon darüber nach, mit den überholten Mehrheiten des alten Bundestages ein Sondervermögen für die Bundeswehr zu verabschieden. Vonseiten der etablierten Presse gibt es dazu keinerlei demokratietheoretische Einwände.Aber um solche Wahrheiten geht es hier nicht. Sondern darum, eine der letzten relevanten Gruppen, die es mit ihrem Pazifismus ernst meinen, auf Linie zu bringen. Dass die Linkspartei nicht bis zum letzten Ukrainer kämpfen will, ist in unserer freien Meinungs- und Medienlandschaft dann doch ein bisschen zu eigenwillig, wird so doch der zynische Instrumentalismus des Westens hintergangen, der auch in dem Zeit-Artikel unfreiwillig selbst zum Ausdruck gebracht wird: „Gleichzeitig muss klar sein, dass Schutz für die Ukraine auch Schutz für Deutschland und Europa bedeutet.“ Eine Passage, die immerhin einmal klar zum Ausdruck bringt, dass es dem Westen vor allem darum geht, mithilfe der (freiwillig und unfreiwillig) kämpfenden Ukrainer die eigene Weltordnung zu stärken und den Erzfeind im Osten zu schwächen. Der Linkspartei geht es hingegen darum, möglichst schnell dafür zu sorgen, dass der zermürbende Stellungskrieg ein Ende findet – was anhand der Entwicklung des letzten Jahres auch realpolitisch alternativlos wird, auch wenn man sich zu dieser Einsicht in vielen Redaktionen noch nicht durchgerungen hat.Für die Linkspartei bedeutet „Schutz“ nun vor allem Verhandlung – und zwar unter Beteiligung von China und Europa. Jan van Aken schlug am Wochenende die Einberufung einer UN-Dringlichkeitsversammlung vor. Darüber wiederum wird weniger geschrieben. Warum eigentlich?