Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (links) und der britische Premier Keir Starmer wollen einen eigenen Friedensplan vorlegen

Foto: Imago/Avalon.red


Ja, die USA verlassen ihre Verbündeten und Europa steht transatlantisch obdachlos da. Aber dagegen helfen keine Aufrüstungspläne, sondern eine Rückbesinnung auf Europas eigene Traditionen und Werte. Ein Sozialdemokrat wüsste wie

Nach dem im Fernsehen übertragenen Eklat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj und dem US-Präsidenten Donald Trump, den dieser mit den Worten abbrach: „Ich denke, wir haben genug gesehen“, hat für Bundesaußenministerium Annalena Baerbock (Grüne) „eine neue Zeit der Ruchlosigkeit begonnen“. Sie steht nicht allein.

EU-weit urteilen führende Politiker, die eigentliche Zeitenwende sei jetzt erst eingetreten, in dem Sinn, dass etwas auf lange Sicht Unumkehrbares geschehen sei. Ein Politikwissenschaftler, Joachim Krause, ließ sich mit den Worten zitieren, die USA seien „nicht mehr Teil der westlichen Gemeinschaft“. Aber gibt es nicht noch die US-Demokraten? Oder ist schon entschieden, dass es Trump gel

sei. Ein Politikwissenschaftler, Joachim Krause, ließ sich mit den Worten zitieren, die USA seien „nicht mehr Teil der westlichen Gemeinschaft“. Aber gibt es nicht noch die US-Demokraten? Oder ist schon entschieden, dass es Trump gelingen wird, künftige freie Wahlen in den USA zu unterbinden? Was wird ihm, abgesehen von Ankündigungs-Schnellschüssen, überhaupt gelingen? Abwarten scheint nicht mehr als Tugend zu gelten.Die Worte des Wissenschaftlers bringen auf den Punkt, was gerade geschieht: In der Krise des transatlantischen Verhältnisses hören wir aus vielen Mündern, die EU müsse nun, in den Worten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „blitzschnell zur Militärmacht“ werden und auch bei den Nuklearwaffen „massiv“ aufrüsten – und das nicht etwa nur Russlands, sondern auch der USA wegen. So weit, die NATO-Bindung kappen zu wollen, geht zwar niemand, im Gegenteil, man versucht noch ihre Gemeinsamkeit zu beschwören, es hat sich aber doch etwas Wesentliches verändert.Wenn Trittin schreibt, es dürfe gegenüber Trump kein Appeasement gebenÜber eine gemeinsame europäische Verteidigung wird schon länger diskutiert. Aber jetzt gibt es Stimmen, die an eine Streitmacht direkt gegen die USA denken lassen, so wenn selbst der linke Grüne Jürgen Trittin in den Blättern für deutsche und internationale Politik schreibt, Trump gegenüber sei „Appeasement“ die falsche Reaktion, und das mit dem Appell verbindet, Europa müsse „endlich eine eigene Rüstungsindustrie aufbauen“. „Europas Selbstbehauptung wird die größte Herausforderung sein“, schreibt Albrecht von Lucke in derselben Ausgabe. Sie wiederholen nur, was auch der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) andeutet.Was ist denn geschehen? Das Erschrecken und die Empörung über Trumps Außenpolitik sind allerdings berechtigt. Er ermutigt die israelische Regierung, den Gazastreifen ethnisch zu säubern. Grönland und Panama bedroht er militärisch. Kanada will er den USA einverleiben. Man sollte aber doch bemerken, was der aktuelle Gegenstand der Empörung der EU-Politiker ist. Bis zur Hysterie empört sind sie nicht über Trumps teuflisches Spiel im Allgemeinen, sondern über seinen Versuch, den Ukrainekrieg zu beenden.In jener Fernsehübertragung sagte Selenskyj, der russische Präsident Wladimir Putin sei ein „Killer“, mit dem man nicht verhandeln könne. Trump widersprach, indem er vor dem Dritten Weltkrieg warnte. Das ist es, was sie aufregt. Anfangs monierten sie nur, dass Trump sie nicht von Anfang an in seine Verhandlungen mit Putin einbezieht. Dann aber war nur noch von weiteren Lieferungen noch stärkerer Waffen an die Ukraine die Rede. Jetzt wollen der britische Premier Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron einen eigenen Friedensplan vorlegen, aber wie seit Jahren fügen sie hinzu, dass erst einmal die Ukraine militärisch stärker werden müsse, dann erst könne mit Russland verhandelt werden.Tatsächlich macht Trump einen Friedensvorschlag, Macron heizt die Kriegsstimmung an Die Trump-Regierung unterbreitet Putin Lösungsvorschläge. Gegen diese Vorschläge kann man mit gutem Grund etwas haben. Starmer und Macron könnten fordern: Wenn die Ukraine Gebiete abtritt, muss Russland im Gegenzug ihrer NATO-Mitgliedschaft zustimmen. Die neue Grenze zu Russland würde von einer großen entmilitarisierten Zone umsäumt. Es ist nicht undenkbar, dass Putin sich auf eine solche Lösung einlässt. Sie wäre gesichtswahrend für alle Seiten – eine Bedingung, die ja wohl erfüllt sein muss – und somit ein echter Schritt zum europäischen Frieden. Aber es sieht nicht danach aus. Macron heizt weiter die Kriegsstimmung an: Wahrscheinlich, sagt er, wolle Russland demnächst Rumänien überfallen.Weil Trump wie Putin ein Demokratiefeind ist, machen wir Europa zur starken Militärmacht? Das ist eine Falle. Wir sollten uns erinnern, dass eine neue europäische Antwort auf die Weltlage gar nicht erfunden zu werden braucht. Weil sie schon da ist. Wir stehen nicht mit leeren Händen da, in die nur, wie wir glauben sollen, tödliche Waffen hineinpassen, sondern müssen verhindern, dass man uns unser Wissen, unsere Erinnerung raubt. An Willy Brandt uns erinnernd, den früheren SPD-Kanzler, wissen wir, worin Deutschlands und Europas Rolle besteht: darin, Frieden durch Vermittlung zu wahren oder wiederherzustellen.Heute zur Trumpzeit muss Europa ganz selbständig handeln, das stimmt. Aber das heißt nicht Brücken abbrechen, die atlantische am wenigsten. Auch für Jan von Aken, den Vorsitzenden der Partei Die Linke, ist durch die Politik Donald Trumps eine „neue Weltlage“ entstanden. Er schlägt aber keine europäische Aufrüstung vor, sondern eine Dringlichkeitssitzung der UN-Generalversammlung. Das ist der richtige Weg. Gibt nicht die EU jetzt schon dreimal mehr Geld fürs Militär aus als Russland? Wenn jetzt behauptet wird, sie sei militärisch viel zu schwach, kann das wirklich nur Aufrüstung auch gegen die USA bedeuten. Das darf nicht sein. Da wird eine rote Linie überschritten. Wir sind Europäer und Europäerinnen, aber mit einer EU, die um die Aufteilung der Welt mitspielt, einer imperialistischen EU, werden wir uns nicht identifizieren.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert