Während Donald Trump in den USA Diversitätsprogramme verbietet, bekommen wir mit Friedrich Merz eine Version light: Was wir in den nächsten Jahren von der Union in Sachen Frauenrechte erwarten können
Ein Instagram-Video der Jungen Union, einen Tag vor der Bundestagswahl. Zwei hübsche und blonde junge Frauen liegen Kopf an Kopf auf einem Teppich. Sie reden, nein, nicht über Politik, sondern über Männer. Karo glaubt, endlich den richtigen gefunden zu haben, auch wenn er schon ein wenig älter ist. Für Emelie hingegen läuft es nicht so gut. Die letzten drei Jahre mit Olaf waren Zeitverschwendung und den Robert, den hat sie auch direkt abgeschossen, weil der sein Leben nicht im Griff hat. Die JU glaubt offenbar, dass das Politikverständnis von Frauen darauf beschränkt ist, die Männlichkeit der Macker zu beurteilen, die die Geschäfte lenken. Männer entscheiden, Frauen folgen, in der JU sogar hingebungsvoll. Ausnahmen bestätigen
e Geschäfte lenken. Männer entscheiden, Frauen folgen, in der JU sogar hingebungsvoll. Ausnahmen bestätigen die Regel.Die Fremdscham-Offensive der JU endet mit dem Satz: „Die Mehrheit der Frauen wird Friedrich Merz und die CDU wählen!“ Weibliche Gruppendynamik, um einen Mann ins Kanzleramt zu hieven? Leider hat das gestimmt – obwohl die Union nicht nur mit dem Video Frauen immer wieder abgesprochen hat, politisch selbst denken zu können. 27 Prozent der Frauen haben der Union ihre Stimme gegeben, immerhin drei Prozentpunkte weniger als Männer. Die Gesellschaft ist in den letzten Jahren nach rechts gerückt, kaum verwunderlich, dass Frauen Teil des Trends sind und mehrheitlich CDU und AfD gewählt haben – wenn auch um jeweils drei und sechs Prozentpunkte weniger als Männer. Das war nicht immer so. 2021 wählten Männer und Frauen etwa gleich stark die Union und Angela Merkel schaffte es sogar, dass Frauen mit einem Abstand von sechs bis sieben Prozentpunkten mehr die CDU wählten. Es scheint, als würde die Mehrheit der Frauen – anders als Karo und Emelie – Friedrich Merz eben nicht für „den Richtigen“ halten.Die Union hat ein FrauenproblemMerz ist kein Politiker, dem Frauen wichtig sind, das hat er immer wieder bewiesen. Gerade einmal 23,1 Prozent beträgt der Frauenanteil in seiner Fraktion. Dafür kann es nur zwei Gründe geben: Entweder es gibt zu wenige Frauen in der Union, die mit den Männern in der Fraktion zusammenarbeiten wollen oder sie stellen Frauen Hürden in den Weg. Beides spricht dafür, dass die Union grundlegend etwas falsch macht. Denn dass es auch ganz anders gut funktioniert, zeigen Grüne und Linke, die jeweils mehr Frauen in ihren Fraktionen haben als Männer.Placeholder image-1Der niedrige Frauenanteil der Unions-Fraktion ist zusammen mit dem noch niedrigeren (11,8 Prozent) der AfD wegen des guten Abschneidens der Parteien dafür verantwortlich, dass der Frauenanteil im Parlament insgesamt gesunken ist, von 35,7 auf 32,4 Prozent. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit nicht gut da. Trotzdem ist Friedrich Merz kein Fan von Quoten, weil man „den Frauen damit keinen Gefallen tut“. Bei den Werten muss er das sagen, sonst müsste er öffentlich zugeben, dass es ihm an Führungsqualität mangelt. Genügend Frauen, die sie fördern könnte, hat die Union allemal.Aber Merz hat noch ein anderes Frauenproblem: Die Wählerinnen mögen ihn nicht, insbesondere die jüngeren. Wie gesagt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Dass Merz so unbeliebt ist, liegt sicherlich auch daran, dass sein Weltbild aus der Bonner Zeit vor dem Mauerfall stammt: Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe? Gleichbehandlung von Frauen in Ausbildung und Beruf? Für Merz keine Priorität, jedenfalls stimmte er jeweils 1997 und 2006 im Bundestag dagegen. Sein Kabinett will er nicht paritätisch besetzen, weil eine Frau – Christine Lambrecht – einen schlechten Job als SPD-Bundesverteidigungsministerin gemacht habe. Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn hingegen gilt als gesetzt für ein Ministeramt. Wobei Spahn den deutschen Staat mit seinen Maskendeals um 2,3 Milliarden Euro gebracht hat. Ob für ihn eigentlich auch gilt, was Merz 2001 über Klaus Wowereits Coming-out sagte: „Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal“? Geändert hat sich seine Haltung nicht: 2020 noch brachte er in einem Interview recht ungeschickt Homosexualität und Pädophilie in einen Zusammenhang. Nur in einem Punkt gibt sich die Union quasi gendergerecht: Zum Frauentag schenkt sie uns die lautstarke Überlegung, die Wehrpflicht wieder einzuführen und dieses Mal unabhängig vom Geschlecht. Ein Wahlprogramm ohne Frauen und ohne GleichstellungSorgen um Frauen macht Merz sich auch nicht, wenn es etwa um Kriege geht, vor denen sie flüchten müssen, sondern nur wenn diese auf migrantisch gelesene Männer treffen. In Merz’ Vorstellung haben junge Lehrerinnen Probleme mit ihren migrantischen Schülern, weil die sie nicht respektieren, und nicht mit Personalmangel, kaputten Toiletten und Schulgebäuden. Merz sorgt sich um Frauen, die von Männern aus dem „Asylmilieu“ gruppenvergewaltigt werden, blieb dann aber der Abstimmung über das Gewalthilfegesetz, bei dem es um Frauen geht, die von ihren Partnern oder Ex-Partnern Gewalt erfahren, fern, weil eine Wahlkampfveranstaltung in Erfurt wichtiger war. Für Merz sind Frauen und ihre Belange ein Randthema und nichts, für das er sich persönlich (weder als Politiker noch als Mann) einsetzen sollte.Dass diese Haltung politische Konsequenzen für Frauen hat, zeigt das Unions-Wahlprogramm. Während alle anderen Parteien, die bisher im Bundestag saßen (abgesehen von der AfD), in ihren Programmen klar erkennbar Frauenrechte und Gleichstellung thematisieren, muss man das Thema bei der Union mit der Pinzette suchen. Das Wort Gleichstellung kommt gar nicht erst vor. Wer sich aber nicht dem Thema Frauenrechte stellt, erkennt das System hinter der anhaltenden Diskriminierung von Frauen nicht und findet damit auch keine Lösung, um die Position von Frauen zu stärken.Placeholder image-2Da klingt es wie Hohn, wenn im Programm plötzlich der Stichpunkt „Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt“ auftaucht: „Wir setzen uns für ihr Recht auf Selbstbestimmung und Familienplanung ein. Benachteiligungen und Diskriminierungen sind Gift für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung.“Enden sollen Selbstbestimmung und Familienplanung aber spätestens beim Schwangerschaftsabbruch. Paragraf 218 soll nicht verändert oder abgeschafft werden – damit bleiben Abtreibungen illegal. Verortet wird das Thema dafür im Kinder- und Jugendschutz. Es hätte auch unter dem Stichpunkt „Gesundheit von Frauen“ laufen können. Immerhin gehören Schwangerschaftsabbrüche zu einem „geschlechtergerechten Vorgehen in Forschung und Versorgung“, das die Union fordert. Gut, dass die Union die medizinische Benachteiligung von Frauen angehen möchte.Systematische Diskriminierung weg ignoriertWo Frauen im Wahlprogramm der Union aber vor allem auftauchen: als Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, die geschützt werden müssen. Die Lösung kommt aus dem CDU-Standardrepertoire: härtere Strafen (jetzt auch für Stalking) und mehr elektronische Fußfesseln. Lediglich härtere Strafen zu fordern, ändert nichts an dem zugrundeliegenden frauenfeindlichen System, das hinter Gewalt gegen Frauen steht und einer Polizei, die diese Gewalt genau so bagatellisiert wie viele Medien.Placeholder image-3Dass die Union sich weigert, die systematische Diskriminierung anzuerkennen, ist der rote Faden ihrer Frauenpolitik: Wirtschaftlich sollen Frauen besser gestellt werden, indem sie mehr Unternehmen gründen und häufiger in Vollzeit statt Teilzeit arbeiten. Das Ehegattensplitting, das den besser verdienenden Teil des Ehepaars (in klassischen Ehen meist den Mann) steuerlich begünstigt und damit die Vollzeitarbeit für viele Frauen unattraktiv macht, will die Union nicht anrühren. Selbst die FDP fordert inzwischen dessen Abschaffung, eben weil es Familien schlechter stellt, in denen beide Elternteile arbeiten.Dass Frauen aufgrund von überholten Geschlechterrollen immer noch die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen, weshalb sie weniger arbeiten, erkennt das Wahlprogramm zwar an, weshalb die CDU die Infrastruktur für Kinderbetreuung ausbauen und – ganz wichtig – die steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungsgebühren erhöhen will. Wer davon besonders profitiert? Diejenigen, die hohe Steuern zahlen, also die Eltern, die besonders gut verdienen.Männer haben Wichtigeres zu tunDie letzte Hoffnung, dass es in der nächsten Regierung doch noch Raum für Frauenrechte und Gleichstellung gibt, ist die SPD, deren Wahlprogramm der deutliche Gegenentwurf zur Union ist und auf dem aufbaut, was die Ampelkoalition in den letzten Jahren angestoßen hat.Es ist wirklich erstaunlich, dass eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Mitte der Gesellschaft zu vertreten, 2025 noch ein Wahlprogramm aufstellen kann, in denen Frauen eine Randnotiz sind. Das Foto, das Markus Söder vom Sondierungs-Team der Union postete, erklärt, wie das zustande kommen konnte: Sechs weiße Männer sitzen süffisant lächelnd um einen Tisch. Keinem von ihnen ist aufgefallen, dass nicht eine Frau am Tisch sitzt, nicht ein Ostdeutscher, nicht eine Person mit Migrationshintergrund. Unsere Zukunft sitzt in diesem Bild und sie sieht aus, als käme sie direkt aus der Bonner Republik. Die Männer übernehmen jetzt wieder, bedeutet es, und das Rumgezetere über Frauenrechte und Gleichstellung, das der Ampelkoalition so wichtig war, ist endlich vorbei. Sie haben Wichtigeres zu tun.Placeholder image-4Es ist das billigste Argument aller Zeiten gegen Frauenrechte, zu behaupten, es gebe gerade ernsthafte Probleme, die wichtiger sind. Dieses Argument wird auch dann bemüht, wenn die Wirtschaft gerade einmal keine Krise durchmacht, kein russischer Diktator sein Nachbarland überfällt oder der amerikanische Präsident die Weltordnung in Stücke schlägt. Die politische Lage ist bloß eine Ausrede dafür, warum Männer an den bestehenden Strukturen nichts ändern müssen und sie Frauen dahin verbannen können, wo Merz sie in der Union sehen will: In der zweiten Reihe, den Männern folgend.In der Wirtschaft ist längst bewiesen, was offensichtlich ist: Diverse Teams erzielen bessere Ergebnisse, weil sie mehr Lösungsansätze für Probleme erarbeiten können. Und wenn sie die unterschiedlichen Lebenserfahrungen ihrer Mitglieder nutzen, wovon dann auch Männer profitieren. Aber mal ehrlich: Warum muss 2025 noch gerechtfertigt werden, dass Frauen an den politischen Verhandlungstisch gehören und dass Frauenrechte ein relevantes Thema sind? Die Gleichstellung steht doch seit 1949 im dritten Artikel des Grundgesetzes.Collage: der Freitag; Material: Getty Images, iStock, Unsplash, Stocksy