Was wird die erste Forderung, der erste Tweet, mit dem Trump in Europa wieder zum absoluten Buhmann wird? Es war nur eine Frage der Zeit. Dass es um den Kauf oder gar die Annexion von Kanada, Grönland und Panama gehen würde, hätten wohl die wenigsten erwartet.
Aber das ist nun der Nummer eins Trump-Aufreger auf dem Kontinent. Politiker wie Scholz und Co. überbieten sich gerade dabei, in Szenarien einer US-Invasion, Grönland und Dänemark die Unterstützung zuzusichern. Freilich ist der Gedanke daran etwas überzogen, aber selbst Trump-Fans in Europa dürften sich angesichts dieser Expansionsideen langsam fragen: Dreht er gerade ein bisschen durch? Und was meint er überhaupt ernst?
Man muss dabei unterscheiden: Zwischen tatsächlichen US-Interessen, die Trump schärfer als zuvor verfolgen will – und zwischen dem typischen Trolling und den Witzeleien Trumps, die längst berüchtigt sind. Wenn er also Kanadas Noch-Premier Justin Trudeau (der zuletzt seinen Rückzug ankündigte) als „Gouverneur“ (also lediglich Regierungschefs eines US-Bundesstaats) betitelt und Witze darüber macht, dass Kanada ein US-Bundesstaat werden könnte – dann fällt das gleich aus mehreren Gründen eher in die letzte Kategorie.

Einerseits ist das letzte Mal, dass die USA Krieg mit Kanada führten, mehr als 200 Jahre her, und spätere militärische Planspiele – wie etwa der berüchtigte „War Plan Red“, der in den 1920ern das Szenario eines Kriegs mit dem British Empire skizzierte – waren nie mehr als hypothetische Gedankenspiele für einen Kriegsfall, die man bei diesen „Farbplänen“ der Vollständigkeit halber für praktisch alle großen Mächte entwarf. Kurz gesagt: Niemand im politischen Washington würde das ernsthaft in Betracht ziehen.
Andererseits wäre eine Eingliederung Kanadas in die USA wohl absehbarer politischer Selbstmord für Trumps Republikaner, die es im Norden mit einer ganz anderen – tendenziell deutlich europäischeren und damit linksliberaleren politischen Landschaft zu tun haben. Kanada als Bundesstaat dürfte damit die politische Balance langfristig hin zu den Demokraten verschieben.
Deutlich ernster hingegen sollte man Trumps Pläne für Panama und Grönland nehmen. Dort liegt eine US-Intervention längst nicht 200 Jahre in der Ferne. In Panama etwa intervenierte die Regierung von George H.W. Bush 1989 mit der „Operation Just Cause“ und entfernte so Diktator Manuel Noriega von der Macht. All das war bereits nach den Torrijos-Carter-Verträgen von 1977, die eine Übergabe des Panamakanals an das Land festgeschrieben hatten.

Überhaupt waren diese Verträge gerade bei US-Konservativen wie Ronald Reagan, der die darauffolgende Präsidentschaftswahl gewann, scharf umstritten. Denn die bis dahin bestehende US-Kontrolle über den Kanal war eben längst nicht einfach „Kolonialismus“, wie es Linke gerne präsentierten. Tatsächlich haben die USA eine lange historische Verbindung zu dem Kanal.
Ideen, beim Isthmus von Panama, jener Landenge in Mittelamerika, einen Kanal zu bauen, der beide Ozeane verbindet, gab es schon früh im 19. Jahrhundert. Vorschläge dazu gab es unter anderem vom deutschen Entdecker Alexander von Humboldt. Bereits 1846 schlossen die USA mit dem damaligen südamerikanischen Staat Neu-Granada den Mallarino–Bidlack-Vertrag, der unter anderem ein US-Recht auf Transit am Isthmus sowie, wenn nötig, Militärinterventionen ermöglichte. Später war es die amerikanische Panama Railroad Company, die eine Zugstrecke zum Warentransport zwischen beiden Ozeanen baute.
Der größte ernsthafte Versuch, einen Kanal zu bauen, kam dann aus Frankreich – aber endete in einem Debakel. Der Plan des französischen Ingenieurs Ferdinand de Lesseps, der zuvor den Suez-Kanal baute, auf Meereshöhe einen Kanal in Panama zu bauen, scheiterte und wurde zum sogenannten Panama-Skandal, bei dem sich am Ende unter anderem auch der ebenfalls beteiligte Gustave Eiffel (der Mann hinter dem Eiffelturm) in Frankreich vor Gericht verantworten musste.
Anfang des 20. Jahrhunderts ging dann von den USA unter Präsident Theodore Roosevelt erneut ein Vorhaben aus, einen Kanal zu bauen. Dazu schloss man einen entsprechenden Vertrag mit Kolumbien, der allerdings nie vom kolumbianischen Senat ratifiziert wurde. Vorgesehen war eine Pacht des entsprechenden Landstreifens, auf dem die USA den Kanal bauen würden.

Nach dem Scheitern auch dieses Vorhabens schloss die US-Regierung mit Panamas Rebellen, die eine Abspaltung von Kolumbien anstrebten, einen Deal: Die USA würden die neue Nation anerkennen und den Freiheitskampf mit ihrer Marine unterstützen, im Gegenzug dürften die USA die Landenge des geplanten Kanals als Territorium kaufen und könnten damit dort nun endlich mit dem Bau beginnen. Nach Panamas Unabhängigkeit folgte daher im Hay-Bunau-Varilla-Vertrag die Übergabe der Panama-Kanal-Zone (je 5 Meilen Nord und Süd des geplanten Kanals) an die USA auf Ewigkeit – gegen damals 10 Millionen US-Dollar, heutiger Wert ca. 318 Millionen US-Dollar.
1904 übernahmen die USA die Kanalzone und begannen mit dem Bau. Schnell war klar, dass das Projekt deutlich anspruchsvoller wird, als das französische Vorhaben auf Meereshöhe. So waren mehrere Schleusen nötig, um eine Route des Kanals auch weit über Meereshöhe per Überquerung von Seen in Panama, die man zum Teil künstlich durch Aufstauung von Flüssen anlegte, zu ermöglichen. Weniger als 10 Jahre später, im Oktober 1913, löste Roosevelt per Telegramm aus dem Weißen Haus die Sprengung aus, die den Kanal flutete und damit eröffnete. Im Zweiten Weltkrieg bewies der Kanal seine strategische Bedeutung für die USA, als nach der Pearl-Harbor-Attacke so wichtige Kriegsschiffe in den Pazifik verlegt werden konnten.
50 Jahre nach Eröffnung erschütterten dann Unruhen durch panamaische Studenten in dem US-Territorium das Verhältnis mit Panama. Wegen der zunehmenden Spannungen entschied sich US-Präsident Jimmy Carter zu einer schrittweisen Übergabe des Territoriums, das bisher formell voll im US-Besitz war. 1999 wurden dann auch die letzten US-Einrichtungen geschlossen. Was verbleibt, ist ein US-Eingriffsrecht, wenn die Neutralität des Kanals gefährdet ist.
Genau so etwas sieht Trump nun durch chinesische Einflussnahme gegeben und forderte jetzt öffentlich eine Rückgabe des Kanals an die USA. Das dürfte wohl eine Maximalforderung sein und auch eine direkte chinesische Kontrolle über den Kanal ist aktuell nicht gegeben. Dennoch ist es unschwer zu erkennen, welche strategische Bedeutung der Kanal für die USA auch in einem Konflikt mit China hätte. Auch dabei wäre es entscheidend, schnell Kriegsschiffe vom Atlantik in den Pazifik zu verlegen.
Bereits ein einziger Akt von chinesischer Sabotage könnte hier immense Folgen haben. Auch für den zivilen Schiffsverkehr in den USA hat der Kanal enorme Bedeutung: 72 Prozent aller Schiffe, die den Panama-Kanal jährlich passieren, verkehren zwischen US-Häfen im Atlantik und Pazifik. Dass daher der sichere Zugang zum Panama-Kanal für die USA wieder umso wichtiger geworden ist, steht außer Frage.
„Ich war erst vor etwa einem Monat in Panama und bin den Panamakanal entlanggeflogen und habe mir all die staatlichen Unternehmen der Volksrepublik China auf beiden Seiten des Panamakanals angesehen“, erklärte etwa 2022 die damalige US-Kommandeurin für Südamerika, General Laura Richardson. „Sie sehen aus wie zivile Unternehmen oder staatliche Unternehmen, die für Dual Use in Frage kommen könnten und schnell militärische Funktionen übernehmen könnten.“
Trumps Sorgen dort sind also nicht aus der Luft gegriffen. Ob sein Ziel am Ende nun tatsächlich eine erneute direkte US-Kontrolle über den Kanal, eine US-Militärpräsenz zur Absicherung oder eine andere Konstellation ist, steht dabei auf einem anderen Stern. Klar ist: All das ist kein Hirngespinst, sondern gibt ganz reale amerikanische Interessen wieder – vielleicht etwas aggressiver als gewohnt.
Ähnlich verhält es sich mit Grönland. Dort geht es freilich um eine Insel, keinen Kanal, aber auch hier sind es strategisch wichtige See-Routen, die im Fokus stehen. Trumps Kaufvorschlag, den er bereits während seiner ersten Amtszeit 2019 formulierte, ist dabei nicht so außergewöhnlich, wie er auf den ersten Blick scheint. Bereits seit dem 19. Jahrhundert gab es mehrfach solche Pläne. Überhaupt waren es Amerikaner wie Charles Francis Hall und Robert Peary, die als erste den Nordwesten und Norden Grönlands erkundeten, während es nur im Süden eine dänische Präsenz gab.

Bereits 1868 stand man kurz davor, sowohl Grönland als auch Island von Dänemark zu kaufen, das damals beides kontrollierte. Das Vorhaben scheiterte am innenpolitischen Dauerstreit des demokratischen US-Präsidenten und Lincoln-Nachfolgers Andrew Johnson mit dem republikanisch kontrollierten Kongress. Der nächste US-Kaufversuch startete dann 1910, als man über einen Ringtausch nachdachte: Grönland an die USA – philippinische Inseln unter US-Kontrolle an Dänemark und dann weiter ans Deutsche Kaiserreich – Nord-Schleswig an Dänemark. An Letzteres kam Dänemark schließlich im Nachgang des Ersten Weltkriegs.
Während des Zweiten Weltkriegs folgte dann die US-Invasion der Insel. Nachdem Dänemark selbst von Nazi-Deutschland besetzt war, regierte sich die Insel in Selbstverwaltung. Die unverteidigte Insel fürchtete damals deutsche Landungen – später kam es tatsächlich dazu, dass Deutsche eine Wetterstation an der Ostküste errichteten. Amerikanische Truppen der Küstenwache landeten 1940 auf der Insel, zunächst als vermeintlich staatsunabhängige „Freiwillige“, nach der offiziellen Einwilligung der dänischen Exilregierung folgte dann die US Army 1941. In dieser Kriegszeit war Grönland, abgeschnitten von Dänemark, de facto bereits ein unabhängiges Land unter Besatzung durch US-Truppen.

Kompliziert wurde es dann nach dem Krieg. Einerseits war Grönlands Bevölkerung an die relative Selbstständigkeit gewöhnt, andererseits waren dort nun US-Truppen stationiert. Aus US-Sicht war es natürlich, dass man nun die Insel kaufen würde. Im aufziehenden Kalten Krieg wäre das kleine Dänemark selbst schließlich völlig unfähig, die Insel zu verteidigen.
Klar erwog man auch andere Modelle zur Verteidigung der Insel durch Stationierungsabkommen oder eine Pacht, hielt aber einen Kauf für die einfachste Option. Aber die Dänen lehnten mehrere Kauf-Angebote der Amerikaner ab. An der US-Präsenz auf der Insel änderte das nichts. Realistisch gesehen hatten die USA bereits militärisch die Kontrolle über die Insel und dachten nicht daran, sie zu verlassen. In Grönlands Regierung sprach man von einer „de facto Teil-Besetzung durch die USA“ und beschloss schließlich, den Zustand durch einen NATO-Beitritt und entsprechende Abkommen zu formalisieren.
Damit hatten die USA zunächst eigentlich militärisch freie Hand auf Grönland. Gerade im Kalten Krieg gab es dort wichtige Stützpunkte. Heute noch gibt es im Norden Grönlands die strategisch wichtige Pituffik Space Base (früher Thule Air Base), die von der US Space Force als Frühwarn-Einrichtung für Interkontinentalraketen betrieben wird. Der Bau neuer Basen ist allerdings nur mit dänischer Zustimmung möglich.
In den USA bemängelt man längst, dass das dänische Militär völlig unfähig ist, die riesige Insel zu verteidigen, geschweige denn überhaupt ein Auge darauf zu haben, wessen Kriegsschiffe oder U-Boote sich ihr nähern. Alex Gray, ein hochrangiger US-Sicherheitsbeamter im Weißen Haus in Trumps erster Amtszeit, verwies etwa darauf, dass die gesamten dänischen Streitkräfte kleiner als das New York Police Department (NYPD) sind. Für die USA ist all das damit auch ein Sicherheitsrisiko, ein „schwarzer Fleck“ in der Arktis.

Währenddessen hat sich Grönland selbst immer weiter von Dänemark entfernt. Die meisten Einwohner favorisieren längst eine Unabhängigkeit, die ihnen Dänemark grundsätzlich auch gewähren würde. Größtes Problem: Der Haushalt der Insel ist finanziell abhängig von Zahlungen Dänemarks. Einen massiven Einschnitt will man aber als Preis für Unabhängigkeit nicht in Kauf nehmen.
Hier kämen die USA ins Spiel: Sie könnten all das problemlos stemmen und würden gerade bei einem Ausbau der US-Präsenz wohl auch massiv in die dortige Infrastruktur investieren. Einen Verkauf der Insel an die USA lehnen die grönländischen Parteien aktuell ab. Aber man sieht das Ganze offenbar als Chance für eine US-gestützte Unabhängigkeit.
Das könnte tatsächlich auch hier das realistischste Szenario sein: Dass Grönland unabhängig wird und sich vollständig selbst regiert, sich aber außen- und sicherheitspolitisch noch enger an die USA bindet, die dann das Territorium aus militärischer Sicht wie ihr eigenes behandeln könnten – und zugleich massiv investieren würden.
Stichwort für so ein sehr enges, aber formell unabhängiges Verhältnis wäre „freie Assoziation“. Einige kleine Inselstaaten im Pazifik, die zwar autonom und staatlich selbstständig bleiben wollen, aber viele der Vorzüge von US-Territorien nutzen wollen, wählen diesen Weg. Bei den COFA-Staaten („Compact of Free Association“) Palau, Marshallinseln und Föderierte Staaten von Mikronesien übernehmen die USA vollständig die Sicherheitspolitik und liefern weitreichende finanzielle Unterstützung, größtenteils zollfreien Handel und eine rechtlich ähnliche Stellung der jeweiligen Staatsbürger zu US-Amerikanern.
Genau so ein Modell könnte für Grönland attraktiv sein – wenn Trump nicht doch noch die 56.000 Einwohner überzeugt, Amerikaner zu werden. Selbst das bleibt jedenfalls deutlich realistischer als seine nicht ganz ernst gemeinten Spekulationen auf Twitter, ob sich nicht auch vielleicht die Kanadier wünschen würden, Teil der USA zu werden.

Der Besuch von Bald-Präsidentensohn Donald Trump Jr. in Grönland löste dort jedenfalls vor kurzem ein kleines Spektakel aus, als Einwohner mit MAGA-Kappen zu ihm strömten. Die USA mag man hier. Das sehen auch die meisten Parteien so, die sich engere Beziehungen zu Amerika wünschen, auch wenn sie ihre Insel nicht verkaufen wollen.
Grönlands Premier Múte Egede nutzte jedenfalls kürzlich die Gunst der Stunde und deutete ein womöglich baldiges Unabhängigkeitsreferendum an. In der Neujahrsansprache kritisierte er Dänemark scharf, sprach davon, die „Fesseln“ des Kolonialismus zu lösen. Nun sei es Zeit für den „nächsten Schritt“ für sein Land, so der Regierungschef des autonomen dänischen Territoriums. Auch auf die US-Beziehungen spielte er ganz klar an. Denn „unsere Zusammenarbeit mit anderen Ländern und unsere Handelsbeziehungen können nicht mehr ausschließlich über Dänemark erfolgen“, so Egede.