Es waren die heftigsten Niederschläge, die an der australischen Ostküste vor einer Woche niedergingen; die Millionenmetropole Brisbane bekam innerhalb von zwei Stunden fast so viel Regen ab wie sonst im ganzen Monat. Entlang der eigentlich sonnenverwöhnten Küste Queenslands machte Zyklon „Alfred“ exakt auf Brisbanes Breitengrad Halt, um noch einmal Fahrt aufzunehmen, Richtung Festland abzudrehen und die größte Metropole in Australiens Nordosten zu überschwemmen und zu verwüsten.

Bislang glaubten jene Menschen in Australien und Neuseeland, die nicht in den Tropen leben, sie seien sicher vor Zyklonen – wie die Wirbelstürme im Pazifik heißen (im Atlantik nennt man sie Hurrikane). „Alfred“ aber wanderte 2.000 Kilometer in den Süden. Und er brachte an einigen Orten 600 Liter Regen pro Quadratmeter. Zum Vergleich: In Berlin regnet es durchschnittlich 580 Liter auf den Quadratmeter, in einem Jahr wohlgemerkt, nicht in einer Woche.

Auf einem rund 500 Kilometer langen Küstenabschnitt rund um Brisbane fielen zuerst Australiens feine Sandstrände dem Zyklon zum Opfer. Bis zu 13 Meter hohe Wellen haben die Küstenwachen gesichtet. Da scheinen 20 Zentimeter unerheblich zu sein. Doch der in den letzten Jahren um 0,2 Meter gestiegene Meeresspiegel sei der Hauptgrund für „die immense Stranderosion“ gewesen, die der Zyklon auslöste, sagen Fachleute. An Queenslands Stränden hinterließ „Alfred“ teils sechs Meter hohe Klippen. Wer zurzeit im Meer schwimmen will, braucht eine Leiter. Das australische Surfer-Paradies sieht nicht mehr so aus wie vorher – die weiten, goldgelben Sandstrände sind verschwunden.

Windgeschwindigkeiten von 120 Stundenkilometern

Tom Tate, Bürgermeister der Stadt Gold Coast südlich von Brisbane, muss geahnt haben, dass hier derzeit niemand mehr Urlaub machen will. Denn er selbst war zur Erholung nach Kalifornien gereist, als sich der Wirbelsturm näherte. Am Höhepunkt des Extremwetters schlossen die Flughäfen der Region, sodass Tate erst wieder seines Amtes walten konnte, als das Schlimmste schon vorüber war. 80 Prozent der Strände der Stadt seien zerstört, stellte der Bürgermeister fest. Laut Experten dürfte es mindestens sechs Monate, im Worst Case auch mehr als ein Jahr dauern, bis Australiens ikonische Strände ihre frühere Breite und Gleichmäßigkeit wieder erreicht haben.

Tate will die natürliche Regenerierung aber nicht abwarten, denn er befürchtet Einnahmeverluste. Die Gold Coast gilt als führende Destination für australische und internationale Touristen. Große Hotels und teure Appartements in Wolkenkratzern, die sich jedes Jahr zu vermehren scheinen, reihen sich entlang der nun zerstörten Strände. Damit die Touristen nicht ausbleiben, will Tom Tate jetzt Hunderttausende Kubikmeter Sand wieder aufspülen lassen. Der natürliche Prozess der Strandrückbildung werde dadurch beschleunigt, erklärt Tate. Indem Sand aus dem Meer und aus Flussmündungen zurück an die Küste gepumpt werde.

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Der Zyklon nahm aber nicht nur die Strände ins Visier. Der von Klimawissenschaftlern als „schwerer Tropensturm“ eingestufte „Alfred“ polterte mit Spitzengeschwindigkeiten bis 120 Stundenkilometern, deckte Dächer ab und ließ Jahrzehnte alte Bäume auf Häuser stürzen. „Alfred“ sorgte für schwere Schäden an der Infrastruktur der Wirtschafts- und Urlaubsregion im Osten Australiens. Zeitweise waren 450.000 Haushalte ohne Strom. Das war und ist im ziemlich wohlhabenden Australien ein bislang nie erlebter Ausfall der Grundversorgung.

Tausende Menschen, deren Häuser von Überflutungen bedroht waren, mussten in Notunterkünften übernachten. Die Zweieinhalb-Millionen-Stadt Brisbane stand für 48 Stunden nahezu still. Supermärkte und Schulen mussten schließen, der Zug-, Bus- und Fährverkehr im Großraum Brisbane tagelang unterbrochen. Zudem fielen viele Verkehrsampeln aus und mussten repariert werden. Unzählige Bewohner von Häusern und Wohnungen meldeten Wasserschäden, als der Zyklon wieder abgezogen war.

Neue Rekordwerte der Temperatur

Nachdem der Wirbelsturm am vorigen Wochenende mit seinem Auge direkt über den nördlichen Stadtteilen Brisbanes das Festland erreichte, regnete es tagelang unablässig weiter, sodass die Behörden mehrere Regionen der Bundesstaaten Queensland und New South Wales als Notstandsgebiete deklarierten. Riesige Flächen in der landwirtschaftlich geprägten Lockyer Valley, westlich von Brisbane, versanken in den Fluten. Mehrere Autofahrer, von den Wassermassen überrascht, wurden von den Fluten in ihren Fahrzeugen eingeschlossen und teils mitgerissen. Ein Mann kam dabei ums Leben. Der australische Premierminister Anthony Albanese schickte das australische Militär. Die Soldaten retteten alte und kranke Menschen mit Booten in den Überschwemmungsgebieten.

Und doch kommt das alles keineswegs unerwartet. Zwar würden sich Zyklone selten in Richtung Süden bewegen, denn auf der Südhalbkugel der Erde befinden sich die gemäßigten Klimazonen. Doch für den renommierten Klimaforscher David Karoly, emeritierter Professor der University of Melbourne, ist die vom Menschen verursachte Erderwärmung mit im bösen Spiel. Der Klimawandel begünstige die Entstehung von Zyklonen, wenn die Ozeantemperaturen den Grenzwert von 26 Grad Celsius überschreiten. „Die zunehmende Intensität von Wirbelstürmen infolge des Klimawandels ist hinreichend belegt“, sagt der australische Atmosphärenforscher.

Mit jedem Grad Celsius mehr nehme die Gewalt der Stürme zu, so Karoly. In der Korallensee, rund um das Great Barrier Reef nordöstlich der australischen Küste, haben Wissenschaftler in jüngster Zeit Ozeantemperaturen von bis zu 30 Grad Celsius gemessen, die nicht zuletzt das Tausende Kilometer lange Barriereriff erbleichen ließen. 2024 maßen Forscher zudem neue Rekordwerte der atmosphärischen Temperaturen.

Die neue Bedrohung durch Tropenstürme

Die Weltmeere nehmen das unter anderem bei der Verbrennung fossiler Energien entstehende Kohlendioxid teilweise auf, speichern es und erwärmen sich zeitgleich. Wann die Aufnahmekapazität der Ozeane für das Treibhausgas erschöpft sein wird, ist noch weitgehend unerforscht. Die Weltmeere helfen bislang also, die Folgen der Klimakrise abzumildern – bislang.

„Rekordtemperaturen in den Ozeanen führen zu mehr Feuchtigkeit und zu mehr Verdunstung, Niederschläge nehmen zu“, sagt David Karoly. Sein Fachkollege Neville Nicholls von der Monash Universität in Melbourne befürchtete bereits vor Jahren, dass „stärker werdende tropische Wirbelstürme mit größeren Regenmengen künftig zu zeitgleichen Überflutungen auf dem Land und an den Küsten führen“ würden.

Genau betrachtet ist es nicht nur der Großraum Brisbane, der in den letzten Jahren von einem tropischen Wirbelsturm heimgesucht wurde. Was in diesem Monat an der australischen Ostküste passierte, ereignete sich – unter anderen klimatischen Voraussetzungen freilich – im Südsommer vor zwei Jahren im pazifischen Nachbarstaat Neuseeland. Dort wütete dort Zyklon „Gabrielle“ und traf weite Teile der Nordinsel Neuseelands, darunter die Millionenstadt Auckland. Mit großflächigen Überschwemmungen, beschädigten Straßen und Brücken und mit zahlreichen Erdrutschen, die Häuser verschütteten oder unbewohnbar machten. Tropenstürme bedrohen inzwischen also auch Städte in Australien und Neuseeland, die nicht in den Tropen liegen.



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Von Veritatis

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