Der Bundestag hat den Weg frei gemacht für Milliardenausgaben in die Rüstungsindustrie. Doch warum sollten davon private Konzerne profitieren? Wir müssen darüber reden, die Rüstungsproduktion zu verstaatlichen
Das Geld, das die Rüstungsunternehmen als Gewinne einstreichen, könnten für wichtige Aufgaben des Staates verwendet werden
Illustration: Johanna Goldmann für der Freitag
In meinem letzten Urlaub lernte ich im Pool einen sympathischen, kultivierten Mann kennen. Er habe den Urlaub dringend nötig, berichtete er mir. Denn die Geschäfte liefen so gut wie nie. Er arbeitete für ein großes deutsches Rüstungsunternehmen. Mein Bade-Erlebnis macht den ganzen Zynismus der Situation klar, in der wir uns befinden: Während wir im warmen Wasser planschen und in der Ukraine Menschen durch den russischen Angriffskrieg sterben, stopft sich die Rüstungsindustrie die Taschen voll.
So verzeichnete der Rüstungskonzern Rheinmetall 2024 Rekordgewinne. Der Umsatz stieg um zwölf Prozent auf etwa 7,2 Milliarden Euro und der Gewinn vor Steuern um 19 Prozent auf 918 Millionen Euro. Der Auftragsbestand für 2024 wuchs um 44 Prozent auf 38,
t auf etwa 7,2 Milliarden Euro und der Gewinn vor Steuern um 19 Prozent auf 918 Millionen Euro. Der Auftragsbestand für 2024 wuchs um 44 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro.Hauptgrund dafür ist die erhöhte Nachfrage nach Waffen und Munition wegen des Ukraine-Kriegs. Im Jahr 2024 erreichten die Rüstungsexporte Deutschlands mit genehmigten Ausfuhren im Wert von 13,33 Milliarden Euro einen neuen Rekord, was einer Steigerung von fast zehn Prozent gegenüber 2023 entspricht. Ein Großteil dieser Exporte, 8,15 Milliarden Euro, ging an die Ukraine, um deren Verteidigung gegen die russische Invasion zu unterstützen. Auch US-amerikanische Rüstungsfirmen profitieren erheblich vom Konflikt.Inzwischen hören wir überall, die industrielle Kapazität zur Verteidigung Europas müsse massiv ausgebaut werden. Wie viel Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) es letztlich sein werden, hängt auch von der neuen Bundesregierung ab. In jedem Fall wird ein großer Batzen davon weder der Ukraine noch der sogenannten Kriegstüchtigkeit und Verteidigungsbereitschaft des Landes dienen. Vor allem wird er die Kassen der Rüstungsunternehmen klingeln lassen.Zutiefst unmoralischMan kann nun darüber streiten, wie die Unterstützung der Ukraine in Zukunft aussehen wird, die Dinge sind im Fluss. Man kann auch diskutieren, ob Aufrüstungsprogramme die richtige Reaktion auf militärische Bedrohung sind. Das sind sehr komplexe Themen. Aber über eins sollte es eigentlich kaum Dissens geben: darüber, dass es zutiefst unmoralisch ist, wenn ein ganzer Industriezweig massiv davon profitiert, dass Tausende Menschen ihr Leben verlieren, ihre Häuser zerstört werden und ganze Gesellschaften in Elend und Chaos stürzen. Die Zahl der Todesopfer im Ukraine-Krieg ist schwer zu bestimmen. Schätzungen vom Dezember 2024 zufolge liegen die Gesamtverluste, also Tote und Verletzte, auf beiden Seiten zusammen bei über einer Million.Waffen sind zum Töten da, das sollten wir angesichts solcher Zahlen nicht vergessen. Die Verquickung wirtschaftlicher Interessen mit militärischen Konflikten ist ein moralisches Dilemma, über das eine Gesellschaft nachdenken sollte. Das geht weit über die Frage hinaus, wie viel Prozent des BIP für Rüstung ausgegeben werden sollten.Es gäbe einen Ausweg aus diesem Dilemma: Wenn wir schon glauben, Aufrüstung sei erforderlich, warum sollte der Staat die Produktion von Waffen und Rüstungsgütern dann nicht selbst übernehmen? Warum verstaatlichen wir nicht die Rüstungsproduktion? Das wäre dann noch teuer genug, aber trotzdem würde der Staat sehr viel Geld sparen, das sonst den Unternehmen als Profit zugutekommt. Ein solcher radikaler Schritt würde ein klares moralisches Signal setzen: Die Produktion von Waffen und Kriegsgerät soll den nationalen Sicherheitsinteressen dienen, nicht den finanziellen Interessen von Unternehmern. Der Staat könnte dann die militärische Kapazität sichern, ohne den Anreiz für eskalierende Konflikte zu verstärken.Gewinne in die Ökologie umlenkenDas Geld, das ansonsten die Rüstungsunternehmen als Gewinne einstreichen, könnte dann für andere wichtige Aufgaben des Staates verwendet werden. Investitionen in Bildung und die Förderung kritischen Denkens könnten helfen, die Ursachen von Konflikten zu verstehen und alternative, gewaltfreie Lösungen zu finden. Für die Sanierung der maroden Infrastruktur, für das Gesundheitswesen und eine bessere Bewältigung der Herausforderungen durch Migration stünde mehr Geld zur Verfügung. Statt in die Gewinne der Waffenindustrie zu investieren, könnte der Staat seine Ressourcen in nachhaltige, grüne Technologien lenken. Denkbar wäre dann sogar, dass die europäischen Staaten ihre militärischen Bemühungen und Verteidigungsanstrengungen stärker zusammenführen. Das würde den Zusammenhalt Europas stärken.Natürlich gibt es berechtigte Fragen zu den praktischen Herausforderungen einer solchen Umstellung: Wie würde der Staat effizient und verantwortungsvoll in der Rüstungsproduktion wirtschaften und agieren? Wie könnten ökonomische Risiken und potenzielle Missbräuche minimiert werden? Diese Fragen würde ich jederzeit auch mit meiner neuen Poolbekanntschaft diskutieren. Er schien mir sehr klug zu sein, und ich bin sicher, dass er auch einen Job in einer Branche finden würde, die nicht von Krieg und Gewalt lebt.