Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 legt nahe, dass die Einstellungen der Ostdeutschen erstmals sexistischer sind als die der Westdeutschen. Unsere Autorin Marlen Hobrack überzeugt diese Schlussfolgerung nicht


Das Bild der Hausfrau entspricht dem konservativen Weltbild

Illustration: GraphicaArtis/Getty Images


Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Etwa so könnte man ein viel zitiertes Ergebnis der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 bezeichnen. Bereits der Titel „Vereint im Ressentiment. Autoritäre Dynamiken und rechtsextremes Denken“ verheißt nichts Gutes. Die Studie widmet sich auch den Themen Antifeminismus und Sexismus, die feste Bestandteile des autoritären und rechtsextremen Denkens sind. Hier gibt es scheinbar Überraschendes zu vermelden: Erstmals erscheinen die Einstellungen der Ostdeutschen sexistischer als die der Westdeutschen. In der Studie heißt es: „Signifikant mehr Ostdeutsche (31,4 Prozent) als Westdeutsche (25,7 Prozent) finden, dass sich Frauen ‚wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter‘ konzentrieren so

cheinen die Einstellungen der Ostdeutschen sexistischer als die der Westdeutschen. In der Studie heißt es: „Signifikant mehr Ostdeutsche (31,4 Prozent) als Westdeutsche (25,7 Prozent) finden, dass sich Frauen ‚wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter‘ konzentrieren sollten.“Ist das schon Sexismus? Handelt es sich nicht eher um ein konservatives Weltbild? So entspricht der prozentuale Anteil der Befürworter recht genau dem Wählerpotenzial der CDU im Osten (die hier oft sehr viel konservativer als im Westen auftritt). Mehr noch: So, wie der Satz formuliert ist, geht er von einem Status quo aus, der verändert werden soll, darauf verweist das „wieder mehr“. Nun ist dieser Status quo in Ost und West je sehr unterschiedlich. Im Jahr 2022 lag die Quote der erwerbstätigen Mütter im Osten mit 45 Prozent erheblich über der im Westen (35,9 Prozent). Obendrein war die Quote der Vollzeit erwerbstätigen Mütter im Osten 2022 mehr als doppelt so hoch wie im Westen (21,9 Prozent vs. 9,2 Prozent).Der Ausgangspunkt des Wieder-Mehr ist also ein ganz anderer. Oder nehmen wir den Gender-Pay-Gap: Unbereinigt beträgt er zwischen Frauen und Männern im Osten nur 7 Prozent, im Westen dagegen 19 Prozent. Allerdings arbeiten erheblich mehr Frauen als Männer in Teilzeit, auch im Osten. Bezieht man dies ein, gelangt man zu einem erstaunlichen Ergebnis: Das Medianeinkommen der Frauen im Osten liegt über dem der Männer.Die Studie beweist doch: Erwerbstätigkeit hat für Frauen im Osten einen höheren StellenwertNicht nur das Verhältnis von Frauen und Erwerbstätigkeit ist ein anderes in Ost und West; auch die Frage der Lastenverteilung zwischen den Geschlechtern divergiert. Das kann man als feministischen Gewinn verbuchen. Nur erscheint die Sache vielen Ostfrauen bei genauerer Betrachtung gar nicht so attraktiv. So bildet meine Generation der Ost-Millennials einen generellen Haltungsumschwung in Bezug auf das Arbeitsleben ab. Die 4-Tage-Woche ist in aller Munde; Work-Life-Balance ist entscheidend.Meine Generation von Ostfrauen erlebte Vollzeit erwerbstätige Mütter, die sich mehr oder weniger allein um Kinder und Küche kümmerten, also dreifachbelastet waren. Dieses Modell finden wenige junge Frauen attraktiv. Sie wollen arbeiten und Geld verdienen, aber sie räumen der Arbeit und Wirtschaft nicht länger das Primat über ihr Privatleben ein. Warum soll man sich nicht „wieder mehr“ um die Kinder kümmern, wenn man mindestens bis 69 arbeiten muss? Wer hier mit der Rente argumentiert, der sollte ganz grundsätzlich die Ungerechtigkeit eines Systems befragen, das von Frauen verlangt, Vollzeit zu arbeiten und idealiter mehr als zwei Kinder zu haben, damit für ihre individuelle und unsere kollektive Altersrente gesorgt ist.Tatsächlich beweist die Studie dann doch, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen im Osten einen höheren Stellenwert besitzt. „So stimmen in Westdeutschland 17,2 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass es einer Frau wichtiger sein sollte, ‚ihrem Mann bei der Karriere zu helfen, als selbst Karriere zu machen‘, während in Ostdeutschland lediglich 12,8 Prozent diese Position vertreten.“ Leider wird dieser Satz sehr selten zitiert. Der Laie wundert sich.



Source link

Von Veritatis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert