1953 wurde der Koreakrieg durch einen Waffenstillstand eingefroren – und dieser hält bis heute. Für die USA könnte Korea ein gutes Vorbild sein, wie man den Krieg in der Ukraine beenden kann
Der nordekoreanische Ministerpräsident Kim Il Sung unterzeichnet das Waffenstillstandsabkommen im Juli 1953
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Donald Trump bleibt zurückhaltend bei der Frage nach Garantien für eine Friedenslösung in der Ukraine. Vorerst reicht es ihm, die USA als Vermittler und Lösung für Streitfälle zwischen Kiew und Moskau ins Spiel zu bringen, etwa durch eine Übernahme des von Russland besetzten Kernkraftwerkes Saporischschja, anderer industrieller Vermögenswerte und von Rohstoffressourcen der Ukraine. Diese Methode hat den Nachteil einer unipolaren Taktik, die schnell einen toten Punkt erreichen kann. Sie verzichtet auf die Möglichkeit des multilateralen Ansatzes, indem jetzt oder später konfliktneutrale Staaten einbezogen werden.
Es gibt Szenarien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich nicht nur in dieser Hinsicht, sondern darüber hina
2;ber hinaus als Muster, wenn auch nicht als Schablone anbieten. In Betracht käme das Genfer Indochina-Abkommen von 1954. Es schrieb am 19. Breitengrad eine Waffenstillstands- sowie Grenzlinie zwischen Nord- und Südvietnam fest, trennte antagonistische Staaten und half zunächst, Militärverbände beider Seiten zu entflechten.Ein Jahr vor dieser Übereinkunft hatte es nach einem über alle Maßen zerstörerischen Krieg auf der koreanischen Halbinsel die Vereinbarung einer Waffenruhe gegeben, mit der am 38. Breitengrad ein Frontverlauf zur Demarkationslinie erklärt wurde, die künftig eine entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea durchziehen sollte. Darüber hatte man zwei Jahre verhandelt, nachdem sich Mitte 1951 ein Patt zwischen den beiden Kriegsparteien herauskristallisiert hatte. Im Norden waren das die Regierungsarmee des kommunistischen Staatsführers Kim Il-sung, chinesische Freiwilligenverbände und die Sowjetunion, die materiell unterstützte, aber keine Kampftruppen entsandt hatte – im Süden das Heer des Präsidenten Rhee Syng-man und US-Streitkräfte, die ab 1950 mit einem UN-Mandat in die Kämpfe eingriffen.Berufene AnwälteBis auf den südkoreanischen Machthaber einigten sich alle anderen im Juli 1953 auf eine Feuerpause. Dafür günstige Konditionen waren – wenn auch nicht allein – diplomatischer und politischer Natur. Man verständigte sich unter anderem auf eine Überwachungskommission, der Staaten angehörten, die in diesem Konflikt als weitgehend neutral galten: Polen, die Tschechoslowakei, Schweden und die Schweiz. Dass die Regierung in Seoul dem zustimmte, ohne den Waffenstillstandsvertrag zu unterschreiben, hatte mit einer Zusage der USA zu tun, in Südkorea militärisch präsent zu bleiben und das Land gegen Angriffe – von wem auch immer – zu schützen.Ohne die erbitterte Feindschaft zwischen den beiden koreanischen Staaten auch nur ansatzweise zu überwinden, gelang es, den vorrangig daraus resultierenden bewaffneten Konflikt einzufrieren – und das für mittlerweile fast 72 Jahre. Dazu hatte es der Einsicht bedurft, dass ein fortgesetzter Krieg die koreanischen Staaten ihre Existenzgrundlage kosten, aber keinen Sieger haben würde. Die Konfliktmediation lag in überparteilichen Händen und erlaubte es, getroffene Vereinbarungen und Verstöße dagegen zu verifizieren. Zugleich war so viel guter Wille vorhanden, dass China seine Militärverbände bis 1958 schrittweise zurückzog.Was kann von diesem Muster auf die Ukraine übertragen werden? Die Antwort muss zugestehen, dass die bis heute geltende Waffenstillstandslinie zwischen Nord- und Südkorea am 38. Breitengrad etwa 250 Kilometer lang ist – eine vergleichbare Demarkationslinie zwischen der Ukraine und Russland in der Summe von Front und Grenze auf eine Länge von mindestens 2.500 Kilometer käme. Dem Modell Korea haftet zudem der Makel an, dass nie ein Friedensvertrag zwischen Pjöngjang und Seoul zustande kam. Dem wäre entgegenzuhalten, kann man derzeit mit einem solchen Abkommen zwischen Moskau und Kiew rechnen?Die Idee einer Konfliktmoderation durch neutrale Staaten jedoch sollte übertragbar sein, zunächst einmal als vertrauensbildende Maßnahme. Überdies hätte sie den Vorteil, die interessengeleitete Vermittlung der USA und die versuchte Einflussnahme Europas zu relativieren, was auf Dauer von Vorteil wäre. Vor allem würde dem Prinzip Geltung verschafft: Was ausgehandelt wird, ist wenig wert, solange es nicht kontrolliert wird durch am Kernkonflikt Unbeteiligte, etwa Saudi-Arabien, Südafrika, Ägypten, Brasilien oder Indien. Sie wären davon abgesehen berufene Anwälte für die Option, dass unlösbare Konflikte eingefroren werden können.