Arbeitgeber und Gewerkschaften streiten oft über Arbeitszeit und Stundenlohn. Besser wäre es, die geforderte Leistung zu definieren. Davon profitieren beide Seiten


Das System zwängt immer mehr Arbeit in unsere Zeit

Collagen: Renke Brandt


Wenn Sie nicht im Akkord arbeiten oder Ihre Lohntüte über Provisionen und Prämien füllen, können Sie eine Frage kaum beantworten: Wann haben Sie Ihren Job erledigt? Wann können Sie nach Hause gehen, im guten Gefühl, alles getan zu haben, was man von Ihnen verlangen darf? Wann war es genug?

Die meisten befinden sich im Zeitlohn. Das heißt: Wir kommen zur Arbeit und nach x Stunden gehen wir wieder – dazwischen sind wir bemüht, die Arbeitskraft bestmöglich einzubringen. Bezahlt werden wir für die Zeit, nicht die Leistung. Ob diese stimmt, interpretiert ein Vorgesetzter. Selten, dass er einen früher nach Hause schickt. Häufiger, dass man länger machen soll, um ein Projekt abzuschließen, weil es in der reguläre

ulären Zeit nicht möglich war. Das E-Mail-Fach ist ständig voll, egal, wie lange wir bleiben. Ist der Kollege krank, nimmt man seinen Stapel dazu. Muss alles weggeschafft werden. Von Tag zu Tag dreht sich das Hamsterrad, und nur der Chef entscheidet wie schnell.Ist das der normale Way of Worklife? In der DDR etwa war die Frage, was von einem Beschäftigten erwartet werden kann, hochpolitisch. Am 17. Juni 1953 protestierten eine Million Menschen gegen eine Erhöhung der Arbeitsnorm um zehn Prozent ohne Lohnausgleich. In Betrieben wurden „Normbrecher“, die zur Planübererfüllung motiviert waren, zum ernsten Gespräch hinters Hochregal gezogen. Die Ausarbeitung von „Betriebskollektivverträgen“ war laut Arbeitsgesetzbuch Paragraf 29 mit der „Plandiskussion“ zu verbinden. Ein Papiertiger, aber wenn man uns heute zu viel auf den Schreibtisch knallt, vermelden wir zu Hause: „Schatz, es wird leider später.“ Man lässt sich einspannen.Das adresslose System zwängt immer mehr Arbeit in unsere Zeit. Wir spüren, wie wir ausbrennen, können aber keine Grenzen ziehen. Jedenfalls nicht, wenn im Personalgespräch noch gute Stimmung sein soll. Arbeitszeitdebatten gehen deswegen am Thema vorbei: Natürlich können wir eine Stunde länger bleiben, aber schaffen wir dann mehr? Umgekehrt: Wie viel Arbeit kann man in die Viertagewoche pressen?Zeitlohn vs. LeistungslohnLaut Betriebsverfassungsgesetz dürfen Betriebsräte auch über die Entlohnungsmethoden mitbestimmen. Zeitlohn ist kein Naturgesetz. Es bestünde genauso die Möglichkeit, einen Leistungslohn einzuführen. Dieser bestimmt, was von einem Beschäftigten in seiner Arbeitszeit konkret an Arbeit erwartet werden kann – und damit zugleich: was nicht. Nicht „immer höher, immer weiter, immer schneller“, sondern klare Festlegungen sind das Ziel. Der Betriebsrat spricht mit.Das ist nicht nur in der Produktion (Stückzahlen o. Ä.) umsetzbar. Der REFA e. V. – Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung – kennt und ermittelt Normen für das Montieren eines Kühlschrankes genauso wie für das Lesen und Verstehen einer E-Mail. Alles messbar, alles bewertbar. Entgegen der landläufigen Meinung führt eine Minderleistung nicht gleich zur Gehaltskürzung. Es wird lediglich konkret, was eine gute und was eine schlechte Arbeitsleistung ist. Egal, wie tief man im Rektum vom Chef wohnt.Wie viele Kundentelefonate, wie viele E-Mails, wie viele Feedbackgespräche, wie viele Baupläne – wenn man darüber nachdenkt, fällt einem doch einiges ein, das man messbar machen könnte. Und wäre das nicht besser, als jeden Tag vom Vertriebsleiter je nach Laune den Schreibtisch vollgeknallt zu bekommen und in Stress zu geraten, weil man das Gefühl hat, nicht genug zu schaffen?Wäre doch schöner, wenn wir nach 25 E-Mails beruhigt nach Hause gehen könnten. Wenn das Pensum nicht reicht, müsste der Arbeitgeber an anderer Stelle entlasten oder mehr Leute einstellen. Wir säßen beruhigt im Feierabend. Job erledigt. Diensthandy aus.Marco Höne ist Gewerkschaftssekretär und schreibt Romane



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Von Veritatis

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