Friedrich Merz wird zunehmend von seiner Partei kritisiert. CDU-Politiker zweifeln an seiner Verhandlungsfähigkeit in den Koalitionsgesprächen, wie der Stern am Montag berichtet. Ein Christdemokrat sagt laut dem Magazin: „Er hat solche Koalitionsgespräche noch nie gemacht.“ Das bereite ihm Sorgen. Seit Freitag spricht die Steuerungsgruppe. Sie soll die Ergebnisse der 16 Arbeitsgruppen diskutieren. Für Merz beginnt die entscheidende Phase der Koalitionsverhandlungen.
Vor allem bei den Themen Steuern und Finanzen, aber auch in der Migration gehen Ansichten auseinander, vor allem beim Chancenaufenthaltsgesetz. Auch in den Fragen der Zurückweisungen und des Bleiberechts gibt es Differenzen. Experten berichteten, dass sie dauernd von CDU-Politikern angerufen wurden, weil diese keine eigenen Ideen gehabt hätten. Die Politiker seien „völlig unvorbereitet“ in die Gespräche der Arbeitsgruppen gegangen (Apollo News berichtete).
Friedrich Merz sagte am Freitag, dass sich das Ergebnis der Arbeitsgruppen wie ein „Wünsch-dir-was-Programm“ lese. „Wir werden umfassend sparen müssen“, kündigte er an. Man müsse sich nun über „das gemeinsame Grundverständnis“ einigen. Innerhalb der Union wird kritisiert, dass Merz diese Ansagen vor Beginn der Arbeitsgruppen hätte machen müssen.
„Das kann man alles vorher regeln“, sagt ein CDU-Politiker gegenüber dem Stern. „Aber es galt: Hauptsache schnell, schnell …“. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, kritisierte Merz öffentlich. Man müsse deutlich machen, dass die Partei ihre Position zur Schuldenbremse geändert habe, sagte er bei Maischberger im Ersten. Das sei „schlicht die Wahrheit“. „Die Leute sind ja nicht blöd“, fügte er hinzu.
Friedrich Merz ist sich der kritischen Situation bewusst. „Ich weiß, dass ich jetzt einen sehr hohen Kredit in Anspruch genommen habe, auch was meine persönliche Glaubwürdigkeit betrifft“, sagte er. Der CDU-Historiker Andreas Rödder, der einst Vorsitzender der Grundwertekommission war, hadert mit seiner Partei und denkt über einen Austritt nach, wie er in einem Welt-Interview sagte. Vor allem kritisiert er den Umgang seiner Partei mit der AfD und die „moralische Selbstgewissheit, mit der wir hier in Deutschland über Verletzungen der Demokratie in Ungarn, in Polen oder den USA reden“ (mehr dazu hier).
An der Parteibasis rumort es derweil kräftig. „Bei den Kreisgeschäftsführern brennt die Hütte, da sammelt sich die geballte Wut der Mitglieder“, sagt ein CDU-Politiker. Der designierte Kanzlerkandidat muss darum schnell Erfolge liefern. „Sonst steigt uns die Basis aufs Dach.“ In der SPD verfolgt man die Situation genau. Ein SPD-Vorstandsmitglied sagt dem Stern: „Es sind die Geister, die er in den letzten Jahren gerufen hat“.
Anstatt Gesetze abzuschaffen und Migration zu stoppen, werde er Gesetze reformieren und die Migration begrenzen. „Nicht als Zugeständnis an uns, sondern weil so Politik funktioniert“, so das Vorstandsmitglied der SPD. Ob es bei den weiteren Koalitionsverhandlungen hilfreich sein wird, dass Klingbeil und Merz sich nun duzen, wird sich zeigen.
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