Die Vereinten Nationen haben am 8. November einen detaillierten Bericht des Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) zur Lage in Gaza veröffentlicht, der erstmals auf von den UN selbst verifizierten Todeszahlen basiert. In dieser Analyse kommen die UN-Experten zum Schluss, dass 70 Prozent der von der israelischen Armee getöteten Palästinenser Frauen und Kinder sind. Ein Großteil der Toten starb durch Bombardements von Wohnhäusern, Anteil der dabei getöteten Kinder beträgt laut UN 44 Prozent. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung diesen Bericht für glaubwürdig hält und ob sie die Einschätzung der UN teilt, dass diese Zahlen auf „einen systematischen Verstoß gegen das Völkerrecht“ hindeuten. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 11. November 2024
Frage Warweg
Die Vereinten Nationen haben am 8. November einen detaillierten Bericht veröffentlicht, der erstmals auf von den UN selbst verifizierten Todeszahlen basiert. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass 70 Prozent der in Gaza getöteten Palästinenser Frauen und Kinder seien. Ein Großteil der Toten sei durch Bombardements von Wohnhäusern gestorben. Die UN gibt an, dass der Anteil getöteter Kinder 44 Prozent betrage. Ich gehe davon aus, das Ihnen dieser Bericht bekannt ist. Mich würde erst einmal grundsätzlich interessieren, ob Sie die in dem Bericht genannten Zahlen für vertrauenswürdig halten.
Vorsitzender Szent-Iványi
An wen richtet sich die Frage?
Zusatz Warweg
Im Zweifel an das Auswärtige Amt.
Wagner (AA)
Den Bericht kennen wir natürlich. Er ist vom Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen. In der Tat ist der Bericht zutiefst schockierend, die Zahlen sind zutiefst schockierend. Sie wissen, wie schwierig es ist, die Zahlen vor Ort zu verifizieren. Wir selbst sind vor Ort nicht präsent. Insofern kann ich mich zu den Zahlen hier nicht näher einlassen. Aber es ist natürlich eine relativ detaillierte Arbeit, die der Hochkommissar geleistet hat. Insofern ist, denke ich, vollkommen klar, was daraus folgt.
Sie haben vielleicht zur Kenntnis genommen, was die Außenministerin gestern zur Lage in Gaza gesagt hat. Es ist klar – dafür setzen wir uns schon länger ein -, dass diese schweren Kampfhandlungen ein Ende finden müssen und dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommen muss, nicht nur, damit die Geiseln freikommen, sondern auch, damit das Sterben in Gaza endet.
Ganz konkret mit Blick auf die humanitäre Hilfe müssen jetzt Hilfslieferungen über alle Grenzübergänge, die verfügbar sind, erfolgen. Sichere Routen müssen etabliert werden. Es muss mit den Vereinten Nationen kooperiert werden. Das gilt natürlich nicht nur für die israelische Armee, sondern das gilt auch für die Hamas. Aber es ist vollkommen klar, dass es so, wie es in Gaza läuft, nicht weitergehen kann.
Zusatzfrage Warweg
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten Sie diesen Bericht für vertrauenswürdig.
Dann würde mich interessieren, ob Sie auch die Einschätzung der Vereinten Nationen teilen, die diese Zahlen – ich zitiere – für einen systematischen Verstoß gegen die grundlegenden Prinzipien des humanitären Völkerrechts halten bzw. sagen, sie deuteten darauf hin. Teilen Sie diese Einschätzung?
Wagner (AA)
Es ist doch vollkommen klar und nichts Neues, dass wir sagen, dass das israelische Recht auf Selbstverteidigung seine Grenzen im humanitären Völkerrecht findet und Israel wie jedes andere Land der Welt natürlich ans humanitäre Völkerrecht gebunden ist.
Zusatzfrage Warweg
Sehen Sie diesbezüglich jetzt einen Verstoß wie die Vereinten Nationen oder nicht?
Wagner (AA)
Es liegt nicht an mir, das hier sozusagen von der Bank einzuordnen. Sie wissen, dass es Verfahren vor internationalen Gerichten gibt, die sich mit dieser Frage beschäftigen. Klar ist aber, dass sich unser ganzer Fokus darauf richtet, dass sich die Lage in Gaza und die Lage der Menschen dort ändern muss.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 11.11.2024