Viele befürchten eine Eskalation des Handelskriegs mit den USA. Zugleich ist die Unterstützung für die EU so hoch wie seit Jahren nicht mehr, Rechtsextreme verlieren an Einfluss. Könnten die Zölle sogar eine Chance sein?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in Samarkand, dass mit den USA über die Vermeidung eines Handelskrieges verhandelt werde, die EU aber auf Gegenmaßnahmen vorbereitet sei
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Donald Trump hat einen weltweiten Handelskrieg vom Zaun gebrochen – und Europa, das in den Augen Washingtons zu den „größten Übeltätern“ gehört, ist eines der Hauptziele. Nachdem er europäische Stahl-, Aluminium- und Autohersteller angegriffen hatte, kündigte Trump diese Woche umfassende Zölle in Höhe von 20 Prozent auf fast alle EU-Importe an. Die Europäer haben das jedoch lange kommen sehen: Schon lange vor seiner Wiederwahl haben Beamte in Brüssel Pläne geschmiedet, wie die EU auf Trump 2.0 und einen möglichen transatlantischen Handelskrieg reagieren könnte.
Die extreme Rechte in der Zwickmühle
Welche politischen Folgen könnte das nun für Europa haben? Die gute Nachricht ist, dass Trumps
schmiedet, wie die EU auf Trump 2.0 und einen möglichen transatlantischen Handelskrieg reagieren könnte.Die extreme Rechte in der ZwickmühleWelche politischen Folgen könnte das nun für Europa haben? Die gute Nachricht ist, dass Trumps Handelskrieg die Trump-freundlichen rechtsextremen Kräfte in Europa in eine äußerst unangenehme Lage bringt: Für die europäische extreme Rechte ist es so eine Sache, Trumps Politik grundsätzlich zu unterstützen oder die Tyrannei der US-Regierung gegenüber den Bevölkerungen gutzuheißen, die ihr egal sind – seien es Ukrainer, Kanadier, Mexikaner oder Palästinenser. Eine ganz andere Sache ist es aber, Trump und seine Politik zu verteidigen, wenn die Leidtragenden jene Länder sind, die diese rechtsextremen Parteien angeblich vertreten.Die Führer der extremen Rechten in Europa haben in dieser Lage zwei Ansätze gewählt: Die populistischsten unter ihnen blieben unterwürfig wie immer. Matteo Salvini, Chef der italienischen Lega, erklärte, Trumps Zölle seien eine „Chance“ für die italienische Wirtschaft, jedoch ohne zu sagen, warum und wie. Und wenn diese Chance nicht genutzt werde, dann wahrscheinlich wegen der „schweren Fehler“ aus Brüssel, so der ungarische Außenminister Péter Szijjártó.Die meisten anderen rechtsextremen Politiker halten sich jedoch zurück. Sie wissen, dass sie zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie sich für Trump aussprechen – und genauso zum Scheitern verurteilt, wenn sie es nicht tun. Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni, die die Entscheidung einerseits als „falsch“ bezeichnete, während sie sich andererseits leise für transatlantische Gespräche aussprach – als ob dies nicht die Position der Europäischen Kommission wäre – fühlt sich offensichtlich unwohl.Einigung durch Trump?Ein weiterer politischer Vorteil von Trumps transatlantischem Handelskrieg ist, dass er die Einheit der EU stärken könnte. Dieser Effekt ist bereits jetzt zu beobachten: Eingeklemmt zwischen Russlands Krieg in der Ukraine und dem Verrat der USA haben die Europäer ihre Unterstützung für die EU wiederentdeckt. Die jüngste Eurobarometer-Umfrage ergab, dass 74 Prozent der Europäer die EU-Mitgliedschaft ihres Landes für eine gute Sache halten – der höchste Wert seit 42 Jahren. Intuitiv verstehen die Bürger, dass die EU ihre Interessen besser verteidigen kann, wenn sie zusammenhält.Und nirgendwo gilt dies mehr als im Bereich des Handels, der in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt. Das bedeutet, dass die EU eine kohärente Gegenstrategie zu Trumps Handelskrieg entwickeln und umsetzen kann, die den Block als Ganzes repräsentiert, mit der zweitgrößten Wirtschaft der Welt und mehr als 450 Millionen Bürgern. In den Bereichen Handel und Wirtschaft können die USA der EU großen Schaden zufügen – das gilt aber auch umgekehrt.In den Bereichen Handel und Wirtschaft können die USA der EU großen Schaden zufügen – das gilt aber auch umgekehrtDie Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gab bereits einen Ausblick auf die Antwort der EU: Einerseits würden so die Verhandlungen mit Washington fortgesetzt, da die Vermeidung eines Handelskrieges das oberste Ziel bleibe. Andererseits bereite sich die EU aber gleichzeitig auf Gegenmaßnahmen vor: die Diversifizierung ihrer Handelsbeziehungen und die Vertiefung des Binnenmarktes.Interessanterweise reagierte von der Leyen auf Trumps „Befreiungstag“ von Samarkand aus, wo der erste EU-Zentralasien-Gipfel stattfindet. In diesem Sinne reiste das gesamte Kollegium der EU-Kommissare im Februar zum ersten Mal nach Indien, um die Vertiefung der Beziehungen mit Delhi auszuloten. Der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, der ebenfalls in Usbekistan war, rief zur raschen Umsetzung der kürzlich unterzeichneten Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur und Mexiko auf.Bereit zum GegenangriffVergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA könnten letztlich sektorale Zölle umfassen, die möglicherweise zeitlich gestaffelt werden. Vor allem aber erwägt die EU Gegenmaßnahmen im Dienstleistungssektor, wo die USA im Gegensatz zum Warenhandel mit der EU einen jährlichen Überschuss von mehr als 100 Milliarden Euro (84 Milliarden Pfund) erzielen. Dazu könnten Maßnahmen wie die Aussetzung geistiger Eigentumsrechte und der Ausschluss von US-Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen in Europa gehören.Sollten die USA ihren Eskalationskurs fortsetzen und von der EU beispielsweise eine Senkung der Mehrwertsteuer, die Abschaffung der Digitalsteuer oder eine Lockerung der Gesetze über digitale Dienstleistungen und Märkte fordern, könnte die EU als Vergeltungsmaßnahme sogar ihre „nukleare“ handelspolitische Option aktivieren: die sogenannte Anti-Dumping-Regelung. Dieses Instrument, das in erster Linie mit Blick auf China entwickelt wurde, könnte dann auch gegen die USA eingesetzt werden, wenn es zu keiner Einigung kommt. Dies würde den Zugang von US-Dienstleistungsunternehmen zum EU-Binnenmarkt erheblich einschränken.Bisher hat sich die EU Zeit gelassen und nicht sofort auf Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium reagiert. Diese Verzögerung dient dazu, alle Möglichkeiten für eine Einigung auszuloten und vor allem eine Einigung mit den Mitgliedstaaten – oder zumindest einer Mehrheit von ihnen – zu erzielen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht alle Länder gleichermaßen betroffen sind: Deutschland, Irland und Italien hätten am meisten von einem Handelskrieg mit den USA zu verlieren.Vorbereiten auf SpaltungsversucheHier liegt das Hauptrisiko: Bisher hat sich die Trump-Administration alles andere als subtil verhalten. Aber gerade wegen der differenzierten wirtschaftlichen Auswirkungen von Zöllen wäre ein raffinierterer und gefährlicherer Ansatz der USA, Spaltung zu säen. Dies könnten sie erreichen, indem sie ihre Beziehungen zu rechtsextremen Regierungen in Europa nutzen.Washington könnte zum Beispiel auf Rom zugehen, wo die Trump-freundliche Regierung Meloni versucht sein könnte, die Einheit der EU zu brechen und ein vorteilhaftes bilaterales Handelsabkommen mit den USA zu akzeptieren. Grundsätzlich ist dies nicht möglich, da der Handel in die Zuständigkeit der EU fällt. Aber aus der Sicht Washingtons ist der Bruch des EU-Rechts – und der EU im Allgemeinen – genau der Punkt. Der Vizepräsident der USA, JD Vance, wird voraussichtlich über Ostern Italien besuchen, was die Drohung greifbar macht.Aus der Sicht Washingtons ist der Bruch des EU-Rechts – und der EU im Allgemeinen – genau der PunktDas Auseinanderbrechen der europäischen Einheit könnte nicht auf die EU beschränkt bleiben. In den vergangenen Monaten hat die strategische Annäherung über den Ärmelkanal hinweg zugenommen, insbesondere in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Die „Koalition der Willigen“ wird von Frankreich und Großbritannien angeführt, Deutschland und Polen werden sich wahrscheinlich bald anschließen. Dies könnte den Weg für ein umfassenderes Abkommen zwischen der EU und Großbritannien ebnen. Trumps Handelskrieg könnte diese strategische Neuausrichtung, die sowohl die Sicherheit als auch die Wirtschaft Europas betrifft, zunichtemachen.Bisher war Washington nicht klug genug, diesen Weg zu gehen. Um nicht in die Falle zu tappen, sollten wir aber damit rechnen und uns darauf vorbereiten.