Was tun mit einem Geheimdienst, der nicht mehr beobachtet, sondern bewertet? Der Meinungen nicht schützt, sondern sanktioniert? Und der die Verfassung nicht mehr verteidigt – sondern sich selbst über sie erhebt?
Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte jetzt Auszüge aus dem geleakten über 1000-seitigen „Geheimgutachten“, mit dem der Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft. Die Begründungen lesen sich wie ein Protokoll der Selbstentlarvung: Denn was dort als Beleg für angeblichen Extremismus angeführt wird, ist in Wahrheit Ausdruck politischer Meinung – zugespitzt, polemisch, aber gedeckt von Artikel 5 Grundgesetz.
Drei Beispiele, exemplarisch für den Ton des Gutachtens:
„Die ohnehin in den vergangenen Jahren explodierten Einbürgerungen werden so künftig noch weiter ausufern […]. Man schafft sich in der Folge ein neues Volk, das auf dem Papier zwar deutsch ist […], mit dem alten jedoch nicht mehr allzu viel zu tun hat.“
(AfD Schleswig-Holstein, Facebook-Post vom 8. August 2024)
„Als Mitglied des Deutschen Bundestages bin ich der Vertreter des ganzen Volkes. Gemeint ist damit des ganzen Deutschen Volkes. […] Reine Passdeutsche formal auch – leider.“
(Ex-MdB Thomas Seitz, Facebook 2021)
„Drei Viertel der Festgenommenen bei schweren Verbrechen […] hatten einen deutschen Pass mit Migrationshintergrund. Die einfache Lösung: Eine solche Erfassung wird einfach nicht mehr durchgeführt.“
(AfD-MdB Christina Baum, Facebook 2022)
Man muss diese Sätze (die ungekürzten Fassungen finden Sie unten) nicht teilen. Man kann sie überzogen, pauschalisierend oder schlicht falsch finden – gerade in einer Demokratie. Aber sie bewegen sich eindeutig im Rahmen des demokratischen Diskurses. Sie kritisieren gesellschaftliche Entwicklungen, staatliches Verhalten und kulturelle Brüche – also exakt das, was Opposition tun soll. Und wofür sie auch zuspitzen darf. Und polemisch sein. Genau das wollten die Väter unseres Grundgesetzes schützen – nicht das Recht, der Regierung nach dem Mund zu reden.
Wenn eine Sicherheitsbehörde damit beginnt, nicht mehr zwischen abweichender und – was eben zulässig ist – radikaler Meinung und extremistischem Verhalten zu unterscheiden, wird sie selbst zum demokratischen Risiko.
Es sind nicht primär die Aussagen in diesem Gutachten, die extremistisch wirken – es ist der Versuch, sie pauschal zu delegitimieren, der das demokratische Gleichgewicht verschiebt.
Ein Geheimdienst, der sich anmaßt zu entscheiden, welche Meinung noch legitim ist – ein Verfassungsschutz, der offenbar die rot-grüne Ideologie für die einzig zulässige politische Haltung hält –, das ist kein Verfassungsschutz mehr. Das ist ein Verfassungsschaden mit hoheitlichem Siegel.
Mein Fazit: Nicht die AfD, sondern der Verfassungsschutz hat sich mit diesem Gutachten entlarvt – als Akteur einer ideologischen Uminterpretation von Meinungsfreiheit. Was bleibt, ist ein Trümmerfeld aus Vertrauen, Rechtsstaat und geistiger Offenheit.
Und die drängende Frage: Wer schützt uns vor einem Verfassungsschutz, der seine eigene Rolle nicht mehr kennt? Oder anders gesagt: Der gefährlichste Extremist ist manchmal der, der sich selbst zum Richter über alle anderen macht.
📘 Buchempfehlung zum Thema
Mathias Brodkorb: Gesinnungspolizei im Rechtsstaat?
Wie der Verfassungsschutz vom Verfassungswächter zum politischen Instrument wurde – sechs Fallstudien, scharfsinnig und besorgniserregend. Ein Insiderblick auf die Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien.
▶️ Zum Buch
PS: Die vollständigen Zitate – zur Einordnung und Transparenz
🔹 AfD Schleswig-Holstein, Facebook, 8. August 2024:
„Die ohnehin in den vergangenen Jahren explodierten Einbürgerungen werden so künftig noch weiter ausufern. Diejenigen, die nach ursprünglicher Ankündigung einst nur als ,Schutzbedürftige‘ für einen temporären Zeitraum Unterkunft in Deutschland erhalten sollten, werden heute selbst Deutsche – man schafft sich in der Folge ein neues Volk, das auf dem Papier zwar deutsch ist und dementsprechend mit allen einhergehenden Rechten ausgestattet ist, mit dem alten jedoch nicht mehr allzu viel zu tun hat. […] Was einst galt – dass eine Nationalität sich durch weitaus mehr als nur ein bloßes Passdokument definiert – spielt heute keine Rolle mehr. Aus einer Volksgemeinschaft wird eine Volkspartikularität – eine Masse ohne festen Zusammenhalt aus allen Ländern dieser Welt, zersplittert in kleinere Volksgruppen und Parallelgesellschaften, die sich mehr durch ihre Ethnie, ihren Geburtsort oder aber den Abstammungsort ihrer Eltern identifizieren; und nicht durch ihren deutschen Pass. Wir sagen daher NEIN zum Verramschen unserer Pässe!“
🔹 Thomas Seitz, ehemaliger AfD-Bundestagsabgeordneter, Facebook, 2021:
„Als Mitglied des Deutschen Bundestages bin ich der Vertreter des ganzen Volkes. Gemeint ist damit des ganzen Deutschen Volkes. Also alle, die schon länger hier leben. Integrierte Migranten – also keine Özils, die sich weiter als Türken sehen – gehören selbstverständlich auch dazu. Reine Passdeutsche formal auch – leider.“
🔹 Christina Baum, AfD-Bundestagsabgeordnete, Facebook, 23. September 2022:
„Drei Viertel der Festgenommenen bei schweren Verbrechen wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung und sexueller Nötigung hatten einen deutschen Pass mit Migrationshintergrund. Die einfache Lösung: Eine solche Erfassung wird einfach nicht mehr durchgeführt. Somit werden die deutschen Jugendlichen seit August plötzlich krimineller und brutaler und das Märchen ,alle Menschen sind gleich*’ kann zumindest für die rot-rot-grüne Wählerschaft mit rosaroter Brille noch aufrechterhalten werden.“
Merz taumelt ins Kanzleramt – aber um welchen Preis? Das wahre Drama hinter dem zweiten Wahlgang
Geheim-Urteil gegen die AfD: Der Staat brandmarkt – aber die Begründung dafür verrät er uns nicht
CDU unterschreibt ihr Ende – Koalitionsvertrag macht sie endgültig zu rot-grünem Erfüllungsgehilfen
Bild: photocosmos1 / Shutterstock.com
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr zum Thema auf reitschuster.de

Meinungsfreiheit auf Bewährung: Wenn Kritik zum Verbrechen wird
Eine CSU-Politikerin zeigt mich an, verliert – und die Diffamierung geht weiter. Mit Hilfe einer Zeitung, die fragwürdige Zitate übernimmt und mich zum „rechten Blogger“ stempelt – flankiert von einer Staatsanwaltschaft, die Neutralität offenbar für optional hält.

Demokratie adé: Verfassungsschutz outet sich als „Antifa“:
Der niedersächsische Verfassungsschutz erklärt sich offen zur „Antifa“ – ein Tabubruch mit fatalen Folgen. Neutralität gibt es schon lange nicht mehr – aber linksextreme Parolen aus dem Amt, das ist neu.

Faeser will Verfassungsschutz Denunziation erlauben
Kaum bemerkt von den Medien will die „Ampel“ ihren Geheimdienstlerin „Zuflüsterungen“ legitimieren. So könnten etwa Vermieter vor „Verfassungsfeinden“ bald „gewarnt“ werden.

Thüringer Verfassungsschutz unter der Lupe
Eine gesetzeskonforme Kommission gibt es weder heute, noch steht zu erwarten, dass sie im Verlauf der neuen Legislaturperiode zusammengestellt werden kann. Warum es so ist, analysiert Mathematik-Professor Dr. Rießinger.