Die Theater Chemnitz holen mit städtischen Musikschülern Hans Krásas Kinderoper “Brundibár” auf die Bühne
Stolze Mamas, gespannte Papas, selige Großeltern – die Erwartungen sind mindestens so groß wie die Augen der Geschwisterkinder, als im Konzertsaal der Städtischen Musikschule auf dem Chemnitzer Kaßberg die Lichter ausgehen: In einer fabelhaften Kooperation mit dem ersten musischen Bildungshaus am Platze holt das Theater Chemnitz mit einer Mischung aus professionellen Künstlern und Musikschülern Hans Krásas Kinderoper “Brundibár” auf die Bühne. Um es vorwegzunehmen: Die aufgeregten Verwandten werden nicht enttäuscht. Der Schlussapplaus ist gigantisch, wie zu ganz frühen Theaterzeiten wird das Opernfinale sogar als Zugabe wiederholt.
Dabei ist die Einstudierung durchaus ein Wagnis, denn Krásas Stück hat eine ebenso bewegte wie bewegende Geschichte: Die kleine Oper entstand zuerst 1937 für einen Wettbewerb in Prag, konnte dort aber nur heimlich uraufgeführt werden. Ab 1943 wurde sie dann ganze 55 Mal im Konzentrationslager Theresienstadt gespielt, in dem nicht nur der Komponist, sondern bis auf einige wenige auch all seine kindlichen Darsteller umkamen. Das Instrumentalensemble wurde aus Inhaftierten gebildet, die zumeist Musiker in großen Sinfonieorchestern gewesen waren. Während die Oper einerseits für Propagandazwecke missbraucht wurde, um der Außenwelt zu beweisen, wie kulturvoll es doch im KZ zugehe, war es den Autoren vor allem darum gegangen, in den grauen und oft genug grauenvollen Alltag des Lagerlebens ein wenig Farbe zu bringen.
Nicht umsonst handelt die Geschichte von Zusammenhalt, Freundschaft und Solidarität. Brundibár, ein egoistischer Leierkastenmann, verjagt die um ein bisschen Milchgeld singenden Geschwister Pepíček und Aninka aus seinem Revier, bis er selbst klein beigeben muss, nachdem sie mit Hilfe von drei Tieren sehr viele andere Kinder zum Mitsingen gefunden haben und endlich die Milch für ihre kranke Mutter kaufen können.
In Theresienstadt spielte die Oper vor einem Bretterzaun, und den zitiert auch Bühnen- und Kostümbildnerin Claudia Weinhart mit Warnleuchten, dumpfem Grollen und Sirenengeheul. Daniel Pastewski in der Titelfigur gibt in Personalunion eine Art grimmigen Wachtmeister, der die Kinder wortlos zum Gehorsam verpflichtet.
Regisseur Sascha Theis lässt diese sanften, aber spürbaren Anklänge an einen zeit- und ortlosen Lageralltag zwar nicht die Protagonisten bekümmern, jagt damit dem erwachsenen Publikum aber dann und wann einen Schauder ein, der dem Stück trotz all seiner jugendlichen Beschwingtheit eben innewohnt. Unterstrichen wird diese Wirkung durch die Einheitskostümierung mit einer Art Lumpenmantel, der erst dann den Blick auf heutige bunte Alltagskleidung freigibt, wenn der Gesang der erlösenden Kinderschar ertönt: Dann wirkt auch das Bühnengeschehen wie ausgewechselt, überstrahlt die zauberhafte Musik Krásas alles.
Und wie die Kinder diese zwar weitgehend tonalen, aber alles andere als einfachen Nummernlieder bewältigen, ist wirklich ein großes Vergnügen, vor allem wenn man sieht, welche Freude sie daran haben. Die Altersspanne ist dabei unerwartet hoch, die jüngsten sind möglicherweise noch gar nicht in der Schule, die ältesten gerade so in der Adoleszenz. Alle geben spürbar ihr Möglichstes, und allein das will viel heißen. Wie etwa Emilia Kräher als Aninka und Corvon Kriesel als ihr Bruder Pepíček die Hauptfiguren beseelen, ist sowohl stimmlich wie auch spielerisch aller Ehren wert, aber auch die kleineren Solorollen sind weitestgehend fabelhaft besetzt, teilweise von tatsächlichen Geschwistern. Der Kinderchor steht dem kaum nach, und auch im Projektorchester aus Profis der Robert-Schumann-Philharmonie sitzen einige Chemnitzer Musikschüler, stupende einstudiert von einem ganz offensichtlich erfolgreichen Team rund um den engagiert-behutsamen Dirigenten Lorenz Höß.
Das eigentliche Glück des kurzweiligen Theaternachmittags ist indes, dass sich Kinder, denen gern mal mediale Durchseuchung oder eine Null-Bock-Mentalität vorgehalten wird, so intensiv und enthusiastisch mit einer ernstzunehmenden Thematik befassen und darin total aufgehen. Was überdies beweist, dass sich die Aufführung nicht nur für Verwandte der Kinderschar auf der Bühne eignet, sondern für alle, die einfach gern gutes Theater sehen, das mit Herzblut gemacht ist.
Die Kinderoper Brundibár wird erneut am 1., 6., 7., 14. und 15. November in der Städtischen Musikschule, Gerichtsstraße 1, aufgeführt.
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