Der Verein Freunde aktueller Kunst zeigt in Zwickau Videoarbeiten von Robert Seidel zum Uranabbau in der Region, die dem Thema eine ganz neue Ästhetik abgewinnen

Zeitgenössische Kunst.

Die Bilder verändern sich unaufhörlich. Linien tauchen auf, bilden imaginäre Landschaften, verändern sich in Farbströme, Flecken, verdichten sich wieder zu Linien, Flächen, Figuren, unablässig, diskontinuierlich, halluzinatorisch, wie im Rausch.

„Yellowcake“ heißt die mehrteilige Videoinstallation von Robert Seidel, die der Verein der Freunde aktueller Kunst in seiner Galerie in Zwickau zeigt. Der „gelbe Kuchen“ bezeichnet ein ursprünglich gelbes pulverförmiges Gemisch aus Uranverbindungen, heute entsteht bei der Aufbereitung von Uranerz eine eher braune bis schwarze Masse. Sie ist das Ausgangsmaterial für die Herstellung von Brennelementen, angesichts der Diskussionen um die Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke im Sinne des Wortes „brandaktuell“.

Mehr ästhetisch als kritisch

Seidels Arbeit bezieht sich jedoch mehr auf die Uranerzverarbeitung im „Objekt 101“ in den Jahren 1951 bis 1990 im Zwickauer Stadtteil Crossen. Die Sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut wurde in dieser Zeit zum dritt- oder viertgrößten Uranproduzenten der Welt, hinterließ dabei bis heute sichtbare Spuren in der Landschaft, die nun rekultiviert wird, Abraumhalden und nach der Einstellung des Uranbergbaus tausende Arbeitslose.
Robert Seidel geht es in seinen Licht- und Videoinstallationen „Objekt 101“, „Pechblende“ und „Yellowcake“, die besonders abends die Galerie farbenprächtig beleuchten, jedoch offensichtlich weniger um eine kritische Aufarbeitung der Wismutgeschichte oder gar eine Stellungnahme zu den aktuellen Diskussionen über die Atomenergie, als um eine ästhetische Verarbeitung komplexer Systeme, wie sie für seine Arbeit typisch ist. Dabei kommt ihm seine ursprünglich wissenschaftliche Ausbildung zugute. Geboren 1977 in Jena, begann Seidel zunächst ein Biologiestudium, wechselte aber dann an die Bauhaus-Universität Weimar, wo er sein Studium mit einem Diplom in Mediengestaltung abschloss. Seither wurden seine Projektionen, Installationen und Experimentalfilme auf vielen internationalen Festivals, in Galerien und Museen unter anderem in Karlsruhe, Lille, Seoul, Los Angeles, Taipeh und São Paulo gezeigt und mehrfach ausgezeichnet.

Bilder wie abstrakte Comics

Seidel verbindet in seinen Arbeiten klassische künstlerische Techniken wie Malerei, Zeichnung, Kalligrafie, die er mit Computerprogrammen und künstlicher Intelligenz bearbeitet oder bearbeiten lässt und so dynamische, komplexe Bilder einer hyperkomplexen Welt schafft. Sie folgen in ihrer Ästhetik eher digitalen, künstlichen Vorlagen, wirken mitunter wie abstrakte Comics, frei fließende, aufblitzende, verschwindende, spontane Gedanken oder, um im Bild der „Yellowcakes“ zu bleiben, einer unkontrollierten Kernreaktion, die in Zeit, Intensität und Wirkung nicht zu steuern ist.
Diese aufwendig geschaffenen Bilder, im Untertitel der Ausstellung „poetische Medienkunst“ genannt, bedienen kaum klassische Bedürfnisse nach Poesie, also Dichtung, die auch etwas mit Verdichtung, also Reduktion zu tun hat. Statt dessen zerfließen die Ausgangspunkte der Seidelschen in einer Art Struktur, die sich verselbstständigt und menschliche Eingriffe scheinbar ausschließt. Dies folgt dem ursprünglich aus der Biologie stammenden Begriff des Rhizoms, griechisch „Wurzel“, auch Wurzelgeflecht, der später in der Philosophie als Metapher für eine Weltbeschreibung verwendet wurde, die sich nicht an hierarchischen Modellen orientiert, sondern ein vielwurzeliges, verflochtenes, vernetztes, auch wucherndes System meint. Dafür bietet dann der Uranabbau tatsächlich viele Anknüpfungspunkte.
Die Ausstellung „Yellowcake“ ist bis zum 15. Dezember in den Räumen der Freunde aktueller Kunst in Zwickau, Hauptstraße 60/62 zu sehen. Zur Finissage am 15. Dezember ist der Künstler anwesend. 



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Von Veritatis

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