Nach Protest gegen auslaufende Verträge verhängte Intendant Enrico Lübbe Hausverbote gegen zwei Schauspielerinnen. Daraufhin kündigte die Hausregisseurin und schalteten sich Anwälte ein.

Schauspiel.

Ein schwarzer Strich zieht sich über die Gesichter im Treppenaufgang des Leipziger Schauspielhauses. Die Fotos zeigen das künstlerische Ensemble, sollen Einigkeit im Haus symbolisieren. Zwei Porträts wirken mit zusätzlichen Kreuzen wie rausgestrichen. Sie gehören zu den Schauspielerinnen Julia Preuß und Katharina Schmidt. Ihnen wurde kürzlich Hausverbot erteilt, sie durften die Bühne nicht mehr betreten. Eine Eskalation an einem Theater. Wer auch die Porträtreihe immer durchstrich, hinterließ ein Signal: Der Haussegen hängt schief. Das sagen die einen. Doch der Intendant des Hauses, Enrico Lübbe – der von 2008 bis 2013 Schauspieldirektor in Chemnitz war – und die Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke widersprechen hingegen. Mittlerweile sind die Hausverbote aufgehoben, doch der Konflikt schwelt weiter.

“Mobilisierung der Belegschaft”

Anlass für den Eklat, über den das Stadtmagazin “Kreuzer” zuerst berichtet hatte, bilden sogenannte Nichtverlängerungen. Theaterverträge sind für ein Jahr befristet. Sie verlängern sich automatisch um ein Jahr, bis eine Vertragspartei eine begründete Nichtverlängerung ausspricht. Julia Preuß und Katharina Schmidt, beide seit 2015 am Haus, erfuhren im Oktober von ihrem Vertrags-Aus. Weil sie die Begründung nicht nachvollziehen können, legten sie Rechtsmittel ein. Nachdem beide in einem Schreiben an die Belegschaft eine offene Versammlung “ohne Druck, ohne Leitung” forderten, sprach die Theaterleitung Mitte November beiden ein Hausverbot aus. Gründe: Mobilisierung der Belegschaft und Störung des Betriebsfriedens.

“Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu personalrechtlichen Fragen nicht äußern”, erklärt Intendant Enrico Lübbe auf Nachfrage. “Nichtverlängerungen sind für die Betroffenen niemals einfach.” Eine allgemeine “Unzufriedenheit der Belegschaft”, von der Preuß und Schmidt schrieben, verneint er. Über Preuß schwärmte Lübbe noch vor wenigen Jahren im MDR: “Es ist ein großes Geschenk, mit ihr zu arbeiten!”

Personalentscheidungen will auch Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke nicht kommentieren. Nichtverlängerungen seien im künstlerischen Bereich normal, aber “für die Betroffenen immer ein persönlicher Einschnitt”. Zum Eingreifen sieht sie keinen Anlass. “Es liegt in der originären Verantwortung von Enrico Lübbe, über Engagements im künstlerischen Bereich zu entscheiden.”

Solidarität mit Schauspielerinnen

Die Bühnengenossenschaft erklärte, Preuß und Schmidt zu unterstützen. Und aus Solidarisierung mit den Schauspielerinnen hat Hausregisseurin Claudia Bauer ihr Engagement am Schauspiel Leipzig gekündigt. Dem MDR sagte sie: “Theater muss lebendig sein, und Theater muss Kritik aushalten, auch hinter den Kulissen.” Auch das Ensemble forderte per Statement “in sehr großer Mehrheit” die Rücknahme von Hausverbot und Nichtverlängerung: “Unserer Auffassung nach wurde das Betriebsklima durch die Freistellungen und die verhängten Hausverbote schwer beschädigt.”

Von einem Klima der Einschüchterung und fehlendem Vertrauen am Schauspiel Leipzig berichteten im Stadtmagazin “Kreuzer” mehrere ehemalige Mitarbeiter. Darunter ist Daniele Keckeis, die unter Enrico Lübbe schon in Chemnitz spielte. Sie sagt: “Wir hatten über eine lange Zeit eine sehr gute und erfüllende Zusammenarbeit. Ein Vertrauensverhältnis hat sich aber auch nach vielen Jahren nicht eingestellt. Der Gedanke, dass es vorbei sein könnte, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sich das vorstellt, war immer präsent.”

Zwei Tage vor Weihnachten hob die Theaterleitung die Hausverbote wieder auf. Preuß und Schmidt sollen ihre Rollen bis Spielzeitende im Sommer ausfüllen dürfen. In einer daraufhin veröffentlichten Mitteilung freuen sich beide Schauspielerinnen über diese Entscheidung. Das Schreiben lässt über den Sinneswandel am Haus spekulieren: Ihre Anwälte hätten ein Eilverfahren gegen die Hausverbote angestrengt, die Ladung vors Gericht sei unmittelbar vorher an die Theaterleitung ergangen. Sie ist demzufolge mit der Aufhebung der Hausverbote der juristischen Entscheidung zuvorgekommen. Um die Nichtverlängerung der Verträge wird offenbar gerichtlich gestritten werden. Das Drama geht also weiter, Ende offen. Alle Ensembleporträts im Treppenaufgang wurden abgehängt.

 



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Von Veritatis

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