Eva Kaili Sofia Mandilara, Journalistin aus einer Altathener Familie, hat für die „wunderschöne, schmutzige Eva“ gearbeitet und Beweise gesammelt für ihre Sucht, sich zu bereichern und aufzusteigen
„Sie sah gar nicht danach aus“: In Griechenland waren einige überrascht, als Eva Kaili aufflog
Foto: EU-EP/Alain Rolland/REA/laif
Im Oktober 2022 saß Eva Kaili, die neue Vizepräsidentin des Europaparlaments (EP), mit offenem Haar beim dreckig grinsenden Arbeitsminister Katars. Im November pries die Griechin angebliche Arbeitsrechtsreformen des Emirats am Golf als „eine Inspiration für die arabische Welt“, im Dezember wurde sie in Brüssel verhaftet, während ihr Vater mit einer Tasche floh, in der sich einige Hunderttausend Euro und das Milchfläschchen von Kailis noch nicht zweijähriger Tochter befanden.
Was ich nicht verstand: Wie konnte sich eine soeben auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommene Frau vor den Augen der Welt so erniedrigen? Erklärungen versprach eine Athenerin, die 2013/14 für Kaili gearbeitet hatte. Ihr Aufdecker-Posting über die R
r die „wunderschöne, vulgäre, schamlose, arrogante, korrumpierte, schmutzige Eva Kaili“ verzeichnete mehr als 50.000 Reaktionen. Die Straße duftete Da die aus Saloniki stammende Kaili mit Schwester und Vater – beide ebenfalls lebenslanger Korrumpierbarkeit verdächtig – nach Athen gezogen war, begab ich mich dort auf ihre Spuren. Als ihr Athener Abgeordnetenbüro hatte Eva Kaili eine Adresse auf Griechenlands Hauptplatz Syntagma angegeben. Ich fand dort – gegenüber der griechischen Abgeordnetenkammer – einen „Bürgerservice“ des Europaparlaments, wohin sich an jenem Montagvormittag kein Bürger verirrt hatte. Die Security sprach eine halbe Stunde durch die Gegensprechanlage mit mir, ließ mich allerdings nicht herein.Vor dem Hotel „Grande Bretagne“ reckten währenddessen Hunderte Kleinbürger ihre Hälse. Eine halbe Stunde später sollte der letzte König Griechenlands, Konstantin II., begraben werden, aufgrund seiner anfänglichen Duldung und späteren Bekämpfung der Militärjunta (1967 – 1974) ein Totengräber der griechischen Monarchie. Auch die Mädchen einer US-Middle-Class-Familie hielten ihre Smartphones hoch. Sie wollten „Royalty“ filmen, egal welche. Ich wanderte ins teuerste Athener Viertel Kolonaki hoch. Nachdem Kaili und der mit ihr verpartnerte Italiener im März des Vorjahres einen zweifach überpreisten Baugrund auf der fernen Insel Paros gekauft hatten – so eine hässliche Aussicht muss man in Griechenland erst einmal finden –, nahmen sie sich zwischen Katar-Besuchen, EU-Spitzenpolitik, Parlamentsdebatten und Verhaftung die Zeit, in der Skoufa-Straße mit je 500 Euro Bareinlage die Immobilienfirma Estate Aria Properties zu gründen. Mir fiel auf, dass sich in derselben Straße die Anwaltskanzlei von Alexandros Spyridonos befand, „Senior Legal Counsel“ von ELONTech, der Brüsseler Nichtregierungsorganisation von Kailis Schwester, die Kryptowährungsleute bezüglich „smart contracts“ beriet. Eva Kaili selbst hatte sich in ihren achteinhalb Brüsseler Jahren als futuristisch hingerissene Fürsprecherin von „legal frameworks“ für Blockchain, einer ständig zu erweiternden Liste von Datensätzen, und Krypto profiliert. Die Skoufa-Straße duftete. Edle Namen auf Messingplättchen, eine Galerie „Fine Arts“, „Fleures et Plantes d’Art“, Boutiquen, Cafés, Galerien, vor allem aber gediegene kleine Parfümerien. In der abgesperrten Seitengasse Pindarou sägte man vorstehende Äste fruchttragender Mandarinenbäume brutal ab. Krypto-Anwalt Spyridonos ließ sich am Montag per Gegensprechanlage verleugnen, am Dienstag war seine Kanzlei mit Rollläden verriegelt und unbesetzt. Die Skoufa duftete weiter, nur die Pindarou roch nach frischem Asphalt. Ich traf Sofia Mandilara, 38 Jahre alt und Journalistin aus einer Altathener Familie. Seit ihrem Posting über die „wunderschöne, schmutzige Eva Kaili“ war sie berühmt. 2013/14, als sie während eines Karrierelochs in der staatlichen Forschungsstelle für Gleichstellungsfragen geparkt wurde, war Kaili ihre Chefin. Die Bilder mit den Geldsäcken überraschten Mandilara überhaupt nicht, „die Griechen hingegen reagierten schockiert. Die meisten schrieben mir drei Dinge: Erstens, Glückwunsch, dass Sie sich zu Wort melden. Zweitens, ich hätte nicht den Mut dazu gehabt. Drittens, sie sah gar nicht danach aus“. Sie bekam, was sie wollteDie unbeschwert inkompetente Kaili habe sich nicht die Bohne für Gender Equality interessiert. Sie habe rechtswidrig ihre Schwester angestellt und Mandilara gegen eine schlechter qualifizierte Freundin, mit der sie online auf Beachparty-Fotos posiert hatte, austauschen wollen. Damals waren 70 Prozent in Mandilaras Altersgruppe arbeitslos, Mitarbeiter wurden erpresst, ausstehende Löhne hinzunehmen und so ihre Jobs zu halten. Mandilara sicherte sich die Stelle, indem sie mit Klagen drohte. Daneben sammelte sie vom ersten Tag an Belege über Kailis Bereicherung, etwa über einen als Dienstreise kaschierten Weihnachtsurlaub in New York: „Damit ich, wenn man eines Tages daraufkommt, meine Unschuld beweisen kann.“ Dieses Material verwendete Mandilara 2013/14 nicht. Eve Kaili war das „neue Gesicht“ der griechischen Politik, eine junge Frau, die erfolgreich ihren Anteil an der Macht forderte. War die PASOK-Sozialdemokratin je links? Kopfschütteln. Hatte sie jemals Ideale? „Nein.“ Aber wie konnte sie glauben, mit einer derart zum Himmel stinkenden Schweinerei durchzukommen? Mandilara: „Sie ist immer mit allem durchgekommen. Hätte sie das, was sie getan hat, in Griechenland getan, wäre sie damit durchgekommen.“Kaili habe sich seit jeher parteiübergreifend abgesichert, „Korruptionäre wollen mit Korruptionären zusammenarbeiten“. So habe Premier Kyriakos Mitsotakis von der rechten Nea Dimokratia (ND) für Kailis Wahl zur EP-Vizepräsidentin lobbyiert. Die habe es ihm gedankt, indem sie Mitsotakis in seinem Abhörskandal mit der Behauptung beisprang, Abhören sei auch in Brüssel ganz normal. Im Bedarfsfall, so Mandilara, hätte sie auch von der ND einen attraktiven Listenplatz gekriegt. Ich stellte meine Frage: Empfand sie es nicht als Selbsterniedrigung, sich als Frau an Scheichs zu verkaufen? „Hundertprozentig nein“, antwortete Mandilara, „sie hat kein Schamgefühl.“ Als Beleg führte sie das Gerücht an, Kaili habe schon in ihren Anfängen mit ihrem politischen Ziehvater geschlafen und sich nicht gewehrt, als der um Jahrzehnte ältere Fettsack sie vor Parteimitgliedern sexistisch demütigte. Kailis Ex-Mitarbeiterin wusste schließlich auch etwas Gutes über die Politikerin mit den Geldsäcken zu sagen: Eva Kaili sei wirklich „betörend schön. Im echten Leben ist sie sogar noch viel schöner.“