Die Niederlage des AfD-Kandidaten Jörg Prophet in der Stichwahl um das Oberbürgermeister-Amt im thüringischen Nordhausen gegen den parteilosen Amtsinhaber Kai Buchmann ist ein gutes Zeichen – nämlich dafür, dass die AfD nicht unbesiegbar ist. Das klingt banal, ist es aber nicht.

Der Aufstieg der AfD lebte immer auch von jenem psychologischen Effekt, demnach nichts so politisch sexy macht wie der Erfolg. Der AfD ist es gelungen zu vermitteln, dass sie als politischer Akteur gegen alle Widerstände den Erfolg für offen rechtsextreme Politik organisieren kann, und dies nur eine Frage ihres politischen Willens und ihrer Kraft sei. Nordhausen zeigt, dass dies nicht der Fall ist.

Die Rolle der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Gerade Kommunalwahlen finden i

t.Die Rolle der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-DoraGerade Kommunalwahlen finden in einem komplexen soziokulturellen Ökosystem statt, welches entgegen der Annahme der AfD nicht allein mit Anti-Establishment-Ressentiments und Social-Media-Kampagnen gewonnen werden kann. Offenbar war sich die AfD sehr sicher, das Amt des Oberbürgermeisters von Nordhausen zu erringen – dies hätte auch zu gut in das Bild vom Blauen-Domino-Effekt gepasst: ein Stein bringt den anderen in Bewegung.Allerdings ist es zu früh, um von einem kommunalpolitischen Rückschlag für die AfD zu sprechen. Dafür müsste sie noch weitere wichtige Stichwahlen verlieren. Im Fall Nordhausen ist die Rolle der Geschichtspolitik von Bedeutung.Bekanntlich ist die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora Teil der Stadt. Sie spielte in der Auseinandersetzung um die politische Einschätzung des AfD-Kandidaten offenbar eine wichtige Rolle. Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner gelang es, klar zu kommunizieren, was ein AfD-Bürgermeister in Nordhausen für die Arbeit der Gedenkstätte, das Ansehen der Stadt und die internationale Verortung des Bundeslandes bedeuten würde. Damit zeigt sich: Deutliche inhaltliche Aussagen zu Charakter und ideologischem Wesenskern der AfD im Kontext lokaler Geschichte tragen Früchte. Die AfD klar als rechtsextremen Akteur zu benennen, macht sie gerade dort kenntlich, wo sie, wie in Nordhausen, dem ausweichen will.Lokale Mikro-Diskurse statt GroßerzählungenDie AfD profitierte in den vergangenen Jahren von der Normalisierung rechter und extrem rechter Großnarrative, in denen sie sich als Anwältin der Bevölkerung in Szene setze. Die Arbeit des Bündnisses „Nordhausen zusammen“ zeigt, dass es sich lohnt, nicht rechtem Agenda-Setting und seiner scheinbaren Übermächtigkeit nachzulaufen, sondern auf konkrete vor Ort verankerte Mikrodiskurse und die Beteiligung der betroffenen Menschen und deren Stimmen zu setzen. In Nordhausen haben nicht Parteien die Debatte bestimmt – sondern die Stadtgesellschaft, in einem Prozess der Selbstverständigung. Dies führt aus dem Gefühl der politischen Ohnmacht heraus und aktiviert demokratische Potenziale – auch derer, die sich von Parteien nicht vertreten sehen.In Nordhausen ist eine vielstimmige, in Bezug auf die Frage der Auseinandersetzung mit der AfD auch kontroverse Szenerie sichtbar geworden, die vieles war, aber keine Einheitsfront gegen die AfD. Gerade die kontroverse Vielstimmigkeit in der Frage, wie eine Auseinandersetzung mit der AfD und deren Wählerschaft aussehen soll, ist Beleg dafür, dass es kein „Kartell der Altparteien“ gibt, welches ohne eigene programmatische Orientierung gegen die AfD antritt. Die Bedeutung einer Sichtbarkeit der Stadtgesellschaft im Kontrast zum Alleinvertretungsanspruch der AfD ist ein Faktor, den es im Hinblick auf kommende Wahlen in den Kommunen zu diskutieren gilt.Die AfD-Stärke: die Normalisierung rechter DiskurseDie Stärke der AfD ist die Normalisierung rechter Diskurse bis weit in den vorpolitischen Raum der Gesellschaft hinein. Diese Normalisierung bemisst sich nicht nur in Umfragen, Wahlergebnissen oder sozialwissenschaftlichen Untersuchungen. Sie ist vor allem an der Normalisierung rechter Narrative im Alltag und durch Personen im kommunalen Raum, die ein hohes soziales Prestige genießen, erkennbar. Doch auch der Moment der Niederlage für die AfD in Nordhausen ändert nichts daran, dass die Partei in der Stadt einen nicht unerheblichen Rückhalt genießt. Anders gesagt: Eine regionale rechte Hegemonie zerbricht nicht an einer einzelnen Kommunalwahlentscheidung, kann aber durch sie Risse bekommen.Die Erfolge der AfD werden von allen Seiten ausführlich wahrgenommen, analysiert und betrachtet. Lehrreich aber sind ihre Niederlagen. Insofern gilt es, aus den Niederlagen der AfD bei den Stichwahlen in Seelow oder im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg und jetzt in Nordhausen zu lernen. Hier stellen sich wichtige Fragen: Welche direkten und indirekten Fehler macht die AfD in ihrer lokalen politischen Kommunikation? Wie gelingt es, Menschen zu erreichen, die sich in keiner politischen Partei vertreten sehen? Welche Potenziale hat die lokale Stadtgesellschaft, die nicht im Blickwinkel des Wahlkampfes liegen? Welche Rolle spielt die Verankerung von Personen in lokalen Institutionen der Stadtgesellschaft? Nur wenn es gelingt, die Niederlagen der AfD klug und umsichtig auszuwerten, können sie eine Wiederholung erfahren.Graswurzelarbeit statt Wahlzyklen-DenkenDenn niemand lasse sich vom beachtlichen Erfolg der Zivilgesellschaft in Nordhausen blenden: Die AfD und ihr gesellschaftliches Umfeld sind zumindest in Ostdeutschland in der Lage, Diskurse und Wahrnehmungen des Politischen zu dominieren, kurz: sich selbst zur politischen Mitte zu erklären und diese damit nach ganz rechts zu verschieben. Wer gegen die AfD in den Kommunen Erfolge organisieren will, muss auf eine langfristige, breit angelegte Graswurzelarbeit setzen, die nicht im Zyklus von Kommunalwahlen funktioniert, sondern auf kleinschrittige Vernetzung, Selbstermächtigung und Kommunikation.Nordhausen war dafür ein wichtiges Zeichen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.



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Von Veritatis

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