Der Spitzenkandidat der AfD für die EU-Wahlen, Maximilian Krah, hat am Mittwoch, 24.4., angekündigt, sich „zumindest zeitweise“ aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Am Wochenende wird er bei der Auftaktveranstaltung in Donaueschingen fehlen. Darauf hat er sich einem Bericht der „Tagesschau“ zufolge in einem Krisengespräch mit den Parteisprechern Alice Weidel und Tino Chrupalla verständigt.

Am Dienstag war der für Krah seit 2019 als akkreditierter parlamentarischer Assistent tätige Jian G. in Dresden festgenommen worden. Der Vorwurf lautet auf Spionage für das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS). Der EU-Abgeordnete hat angekündigt, dem Mitarbeiter noch im Laufe des Tages zu kündigen. Außerdem werde sein Büro „alles rekonstruieren, was im fraglichen Zeitraum von ihm überarbeitet wurde“.

Argwohn gegenüber Jian G. in der chinesischen Community

Jian G. befindet sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt wirft ihm vor, „wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament“ an den Geheimdienst der kommunistischen Partei Chinas (KPC) weitergegeben zu haben. Außerdem habe er Informationen über chinesische Oppositionelle beschafft und diese an das MSS weitergereicht.

Vor seiner parlamentarischen Tätigkeit war G. als „Import-Export-Unternehmer“ tätig – erfahrungsgemäß eine beliebte Bezeichnung, um potenziell heikle Missionen zu tarnen. Innerhalb der chinesischen Community habe es verbreitet Argwohn ihm gegenüber gegeben. Auffällig erschien es vielen, dass er einerseits Verbindungen zu chinesischen Oppositionsgruppen gesucht habe.

Andererseits jedoch habe er auffällige Lobbyarbeit bei ausländischen Regierungen betrieben und dabei für die Positionen und Interessen des Regimes geworben. Seine Deutsch- und Englischkenntnisse seien ausbaufähig gewesen. Dem Verfassungsschutz soll er sich vor zehn Jahren als Informant angeboten haben. Dieser zweifelte ebenfalls an dessen Loyalität und witterte einen möglichen Doppelagenten.

Kein Verdacht gegen Krah – AfD-Spitze will ihn dennoch verstecken

Gegen Krah selbst besteht kein Verdacht. Er erklärte am Mittwoch auch, er werde Spitzenkandidat der AfD zur EU-Wahl bleiben. Allerdings hätte das Krisengespräch für eine andere Option auch wenig Raum geboten. Die Liste der AfD ist eingereicht, die Wahlzettel sind im Druck, Änderungsoptionen gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr – außer für Fälle wie das Ableben eines Kandidaten oder eine strafrechtliche Verurteilung, die zum Verlust des passiven Wahlrechts führt.

Die Parteispitze erklärte, Krah habe „selbst entschieden“, beim Wahlkampfauftakt nicht dabei zu sein. Damit wolle er „den Wahlkampf sowie das Ansehen der Partei nicht belasten“. Krah selbst erklärte, die Angelegenheit solle „dahin kommen, wo sie hingehört – zu den Justizbehörden“. Der Wahlkampf werde von den Vorwürfen „leider furchtbar überschattet“. Man rede nun „über China, nicht über Europa“.

Was eindeutig als Zeichen der Distanz vonseiten der Parteispitze interpretiert werden kann, ist, dass es keine gemeinsame Erklärung Weidels und Chrupallas mit Krah gegeben habe. Die AfD hat ihre Plakate zur EU-Wahl noch nicht offiziell vorgestellt. Sollte Krah auf einzelnen Motiven vorgesehen gewesen sein, könnte die Partei davon Abstand nehmen, diese zu affichieren.

Rassistische Motive hinter Artikel aus dem Vorjahr vermutet

Die Zeitung „The European Conservative“ hatte bereits im April des Vorjahres einen Artikel veröffentlicht, in dem die Tätigkeit Jian G.s für Krah problematisiert wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde über dessen Nähe zum Regime der KPC spekuliert. Krah stellte sich hinter seinen Mitarbeiter und sprach von einer „Hexenjagd“, die von „unverhohlenem Rassismus“ motiviert sei.

Gewährsmann des Magazins und treibende Kraft war offenbar sein Parlamentskollege Nicolaus Fest. Der frühere Springer-Journalist, der mehrfach durch Äußerungen aufgefallen war, die Kritiker dem Bereich des antimuslimischen Rassismus zuordneten, hatte bereits zuvor zweimal einen Ausschluss Krahs aus der ID-Fraktion angestrebt. Neben einer bereits damals im Gespräch stehenden EU-Spitzenkandidatur Krahs wollte er auch dessen Wahl in den AfD-Bundesvorstand verhindern.

Fest und mehrere weitere Vertreter einer sogenannten bürgerlichen AfD nahmen Anstoß an Krahs pragmatischer Politik in Fragen wie dem Umgang mit Russland oder dem Islam. Auf dem Bundesparteitag in Riesa 2022 scheiterte er jedoch deutlich in einer Kampfabstimmung gegen Alice Weidel um einen Bundessprecher-Posten. Krah hingegen wurde mit einem drei Viertel der Delegiertenstimmen zum Beisitzer gewählt.

Krah hatte keine Hausmacht in der AfD – und machte sich mächtige Feinde

Der frühere RCDS-Studentenvertreter und Pressesprecher des CDU-Kreisverbandes Dresden hat eine für die AfD eher untypische Karriere gemacht. Im Jahr 2016 trat er aus der Union aus und übernahm zeitnah im Landesverband Sachsen Funktionen. Der aus dem traditionalistisch-katholischen Milieu stammende Krah hatte mit dieser Prägung in der AfD keine Hausmacht.

Wohl auch deshalb suchte er den Schulterschluss mit dem völkisch-nationalistischen „Flügel“. Zudem kamen ihm seine Eloquenz und seine weitreichenden internationalen Kontakte zugute. Nicht zuletzt infolge seines teilweise in New York absolvierten MBA-Studiums hatte Krah einige davon in die USA.

Mit seinem russlandfreundlichen Kurs war er in der AfD ebenfalls kein Außenseiter, erst recht nicht in seinem Heimatverband. Mit seiner pragmatischen Position gegenüber der Türkei und arabischen Golfemiraten und erst recht mit seiner Distanz zu islamfeindlichen Kräften machte er sich jedoch mächtige Feinde.

Kuschelkurs mit KPC aus fehlendem Glauben an Zukunft der USA

Auffällig war jedoch, dass der stark religiös geprägte Krah ausgerechnet gegenüber dem KP-Regime in Peking eine apologetische Haltung einnahm. Die KPC sei, so seine Einschätzung, mittlerweile eher konfuzianisch als marxistisch. Zudem geht er davon aus, dass China politisch, wirtschaftlich und militärisch bis 2050 mit den USA gleichgezogen haben werde.

Selbst mit einem Präsidenten Donald Trump – so lautet Krahs geopolitisches Credo – seien die Institutionen in den USA von linksliberalen und neokonservativen Kräften eines „tiefen Staates“ dominiert. Angesichts der daraus resultierenden Unberechenbarkeit in Washington müssten Deutschland und Europa eine „Schaukelpolitik“ betreiben. Andernfalls würde man in gleicher Weise von den USA abhängig wie im Kalten Krieg.

Sollte sich der Verdacht gegen Jian G. bestätigen, hätte die KPC Krah seine konstruktive Haltung ihr gegenüber mit einem – zumindest vorübergehenden – Ende seiner politischen Karriere gedankt. Zwar kann die AfD ihre Liste zur EU-Wahl nicht mehr ändern und Krah wird am 9. Juni erneut ins EU-Parlament einziehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Parteispitze die EU-Abgeordneten darauf drängen wird, Krah keine exponierte Position mehr zuzugestehen. Auch auf diese Weise wird man versuchen wollen, das „Ansehen der Partei“ vor der Bundestagswahl nicht zu belasten.

 

 

 

 

 

 




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Von Veritatis

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