Es ist ein Albtraum der Kulturhauptstadt: ein leergezogener Galeria Kaufhof mitten in Chemnitz 2025. Nun gerät der Glastempel in den Fokus von Museen der Stadt und der Region. Die arbeiten derzeit an einer im Wortsinn verrückten Ausstellung, die in dem leeren Haus platziert werden könnte. Wie stehen die Chancen dafür?
Alexander Ochs ist ein hartnäckiger Mann. Der Kurator des Purple Path – des Skulpturenpfades zwischen Kulturhauptstadt und Region – stellte bereits im November 2022 Vertretern von Museen in Chemnitz und der Region eine ungewöhnliche Ausstellungsidee vor: den Museumcircle. Die Idee: Die Häuser – vom Kunst- bis zum Fahrzeugmuseum – wählen einige Exponate aus ihren Depots aus, von denen dann nach einem ausgeklügelten Zufallsprinzip wiederum einige ausgesucht werden, die schließlich durcheinandergewürfelt in einer großen Ausstellung im Kulturhauptstadtjahr gezeigt werden.
Obwohl das Unstrukturierte jeder gängigen Museumsarbeit widerspricht, konnte Ochs etliche Häuser begeistern. Er spricht von etwa 20 Museen, weitere überlegten und könnten noch hinzukommen. Allerdings ist man uneins darüber, wo die Ausstellung gezeigt werden soll. Und da kommt Galeria Kaufhof ins Spiel.
Die Suche im Herzen der Stadt
Wie im April bekannt wurde, steht die Chemnitzer Filiale des Warenhauskonzerns vor dem Aus. Das Kaufhaus am Markt im markanten Glasbau von Stararchitekt Helmut Jahn soll am 31. August schließen. Eine Hiobsbotschaft für die Stadt, denn so könnte ein zentrales Gebäude genau im Kulturhauptstadtjahr gähnende Leere ausstrahlen. Nun suchen derzeit am Museumcircle beteiligte Museumsdirektoren nach einem Platz für die Ausstellung möglichst mitten im Herzen von Chemnitz.
Neben verschiedenen leerstehenden Räumen liebäugeln sie nun auch mit dem dann leergezogenen Kaufhausbau. Was Ochs sinnbildlich ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch trommeln lässt. Denn eigentlich gibt es schon einen Ausstellungsort: das Industriemuseum in Chemnitz an der Zwickauer Straße.
Ochs: Im Industriemuseum wäre es einfacher
Dessen Direktor Jürgen Kabus hat seinen Kollegen die Räume für die gemeinsame Ausstellung angeboten. Vorteil: Es gibt schon eine Infrastruktur, sprich für die Ausstellung benötigtes Personal sowie benötigte Logistik und Technik, auch im Sicherheitsbereich, sind vorhanden. „Es ist einfacher und kostengünstiger, die Ausstellung im Industriemuseum zu zeigen als anderswo“, sagt Ochs.
Alles gut und schön, sagen andere Museumsdirektoren, die für das Angebot des Industriemuseums zwar dankbar sind, aber dennoch einen zentraleren Platz suchen. „Diese gemeinsame Ausstellung ist der ideale Appetizer für Gäste der Kulturhauptstadt“, sagt beispielsweise Mathias Lindner, Direktor der Neuen Sächsischen Galerie in Chemnitz. Die Museen können mit wenigen Exponaten Werbung für ihre Häuser machen und die Gäste anregen, die Museen auch im Einzelnen zu besuchen. So ein Aushängeschild passe beispielsweise in den Kaufhausbau, da er im Zentrum der Stadt steht, dort, wo Gäste naturgemäß zuerst hingehen, so Lindner.
Inhaber wollen langfristige Mieter
Es habe bereits Gespräche mit Inhabern leer stehender Räume im Zentrum gegeben – bisher erfolglos. Offenbar, so heißt es von Museumsseite, wolle kein Inhaber mit einer für einige Wochen oder Monate eingemieteten Ausstellung potenziell andere, dauerhaftere Mieter abschrecken.
Aber wäre nicht die Belebung insbesondere des markanten Glasbaus der Galeria Kaufhof mit Kunst und kulturellen Objekten im Kulturhauptstadtjahr im Interesse der Stadtverwaltung? „Grundsätzlich gilt, dass die Stadt Chemnitz nicht die Eigentümerin des Galeria-Kaufhof-Komplexes ist und somit keine finale Entscheidungsgewalt hat“, antwortet die Pressestelle der Stadtverwaltung auf „Freie Presse“-Anfrage. „Die Krieger-Gruppe als Eigentümerin strebt für die Flächen im Galeria-Kaufhof-Komplex langfristige Mietverträge an. Es würde daher keine Planungssicherheit für das Projekt ‚Museumcircle‘ bestehen.“
Ungeachtet dessen versuche die Stadt aber, die Ideengeber des Museumcircle bei der Suche nach einem Ausstellungsstandort zu unterstützen.
Auch Jürgen Kabus vom Industriemuseum steht der Idee nach einem zentraleren Ausstellungsort offen gegenüber – und hält sein Angebot dennoch aufrecht, falls das mit dem Zentrum nichts wird. Er hat in seinem Haus den Zeitraum von Januar bis Mai nächsten Jahres geblockt, hofft aber, dass es bald zu einer Entscheidung kommt. Wie auch immer die ausfällt, wichtig sei, dass die Ausstellung stattfindet. Denn das Konzept sei richtig gut.
Ausstellungsidee geht auf John Cage zurück
Kern ist, dass verschiedenste Ausstellungsobjekte nebeneinander stehen können, die sonst nicht nebeneinander stehen würden. Das kann eine geschnitzte Figur neben dem Gemälde eines zeitgenössischen Malers und einem Fahrzeugteil sein, sagt Ochs. Der Sinn sei, sonst von Museen vorgegebene Zusammenhänge und Hierarchien aufzuheben, Stadt und Land gleichberechtigt nebeneinander zu stellen und für die Besucher völlig neue Assoziationsmöglichkeiten zu schaffen. Den Vorzug des spielerischen Umgangs mit Museumsobjekten loben auch Kabus und Lindner.
Was dabei simpel klingt, geht auf eine komplizierte Idee von John Cage zurück. Der US-amerikanische Komponist und Künstler (1912 – 1992) entwickelte den Museumcircle unter anderem mithilfe des „I Ging“ – eines altchinesischen Buches, das laut Ochs grob auch als Zahlenspiel bezeichnet werden kann. Cage ertüftelte ausgehend von „I Ging“ eine Art computergenerierten Zufallsgenerator, der für die Auswahl der Museumsstücke und ihrer Platzierung in der Ausstellung genutzt wird.
Ein ähnliches Projekt nach der Idee von John Cage gab es in der jüngeren Vergangenheit im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main. Es hatte eigenen Angaben zufolge dafür erstmals alle Frankfurter Museen vereint.
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