Die ersten Hochrechnungen um 23.00 brachten gegenüber den Trend-Prognosen leichte Verschiebungen: Die FPÖ fährt zwar noch immer klar Platz eins mit 25,7 Prozent ein (+8,5 Prozent), es folgt allerdings schon etwas knapper die deutlich reduzierte ÖVP mit 24,7 Prozent (-9,9). Platz drei belegt nun klar die gegenüber 2019 kaum veränderte SPÖ mit 23,2 Prozent (-0,7). Die Grünen erreichen gerade noch Platz vier (10,7 Prozent, -3,4), die Neos mit ihren „Vereinigten Staaten von Europa“ müssen sich trotz leichten Zugewinnen mit der roten Laterne begnügen (9,9 Prozent, +1,5). Die Corona-Maßnahmen-Kritiker der DNA (2,9) und die KPÖ (2,7) schafften den Sprung ins EU-Parlament nicht. Das Endergebnis inklusive Wahlkarten wird erst am Montag Abend vorliegen. Die rund 100.000 Wahlkarten in Österreich werden am Endergebnis aber kaum etwas ändern.
FPÖ verdoppelt Sitze im EU-Parlament
In Mandaten bedeutet das eine Verdoppelung für die FPÖ mit sechs Sitzen im EU-Parlament (+3), ÖVP (-2) und SPÖ (+/–0) belegen jeweils fünf Sitze, Grüne (-1) und Neos (+1) ebenfalls zwei. Insgesamt besetzt Österreich nun 20 Sitze im EU-Parlament in Brüssel bzw. Straßburg (bisher 19), das insgesamt 720 Sitze (statt vorher 705) umfasst.
Kickl: „Schulterschluss mit der Bevölkerung“
„Wir sind demütig und dankbar für das große Vertrauen, das bei den heutigen EU-Wahlen in uns Freiheitliche gesetzt wurde. Dieses Wahlergebnis bedeutet nicht weniger, als dass die Österreicher heute Geschichte geschrieben haben. Denn dieses starke Votum für uns Freiheitliche mit Harald Vilimsky und seinem Team war nur im Schulterschluss mit der Bevölkerung möglich“, so FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl in einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis.
Etappenziel am Weg zum Volkskanzler Kickl
Man habe gemeinsam mit den Wählern ein Etappenziel erreicht. „Wir werden uns weiter um das Vertrauen der Österreicher und um den Schulterschluss mit der Bevölkerung bemühen, um bei den Nationalratswahlen mit einem freiheitlichen Regierungschef die endgültige Wende zum Positiven für unsere Heimat einzuleiten“, so Kickl.
Interessante Ergebnisse in den Bundesländern
Im Bundesländer-Vergleich ergeben sich interessante Perspektiven, vor allem in der Steiermark, wo heuer im Herbst noch Landtagswahlen anstehen: Freiheitliche Hochburg war ihr altes Kernland Kärnten. Mit 33,5 Prozent ließ man die Landeshauptmann-Partei SPÖ (27,6 Prozent) klar hinter sich. 28,2 Prozent holte die FPÖ in Oberösterreich, hängte auch hier die Landeshauptmann-Partei, diesmal die ÖVP, deutlich ab (25,1). Gleiches gelang in der Steiermark. Hier endete das blau-schwarze Duell 28,1 zu 25,6 Prozent. Man darf also gespannt sein, wer der nächste Landeshauptmann in der Steiermark wird.
Macron verliert so stark, dass er Neuwahlen anordnet
In anderen EU-Staaten ist der „Rechtsruck“ dermaßen stark, dass er sogar unmittelbare Auswirkungen hat: In Frankreich erreichte der „Rassemblement National“ (RN) von Marine Le Pen (32,5 Prozent) mehr als doppelt so viele Stimmen wie die “En Marche”-Partei von Präsident Emmanuel Macron (15,2). Dieser rief daraufhin noch für 30. Juni und 7. Juli Parlaments-Neuwahlen aus.
„Ampel“-Regierung wollen gerade noch 31 Prozent
Auch in Deutschland zerbröselten die Stimmen für die „Ampel“-Regierung bei SPD, Grünen und FDP gleichermaßen, die gemeinsam nur noch 31 Prozent erreichten. Wahlsieger ist – nicht ganz verständlich – die CDU/CSU mit 30,3 Prozent (30 Sitze im EU-Parlament). Anscheinend ist vergessen, wer den Migranten-Sturm 2015/16 mit den Worten „Wir schaffen das“, eingeleitet und danach ausgebaut hatte: CDU-Kanzlerin Angela Merkel und ihre bis heute aktiven Parteigenossen.
AfD in vielen Bundesländern bereits stärkste Partei
Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) erreichte bundesweit trotz einer Unzahl von Verunglimpfungen im EU-Wahlkampf klar Platz zwei (16 Prozent, 16 Sitze). In etlichen Bundesländern in Mittel- und Ostdeutschlands ist die AfD aber bereits die Mehrheitspartei.
SPD, Grüne und FDP stürzen ab, Erfolg für Wagenknecht
Die SPD hingegen stürzte auf desaströse 13,9 Prozent ab (14 Sitze), die Grünen gar auf 11,9 Prozent (12 Sitze). Noch schlimmer erging es der FPD, die nur noch fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte (5 Sitze). Das aus der Linken abgespaltene, klar gegen die Militärhilfe im Ukraine-Krieg auftretende „Bündnis Sahra Wagenknecht“ hingegen schaffte es aus dem Stand auf sechs Prozent (6 Sitze), während Wagenknechts frühere politische Heimat, „Die Linke“, nur noch 2,7 Prozent der Stimmen einfuhr (3 Sitze).
Melonis „Fratelli d‘Italia“ legten kräftig zu
In Italien haben die regierenden Neofaschisten „Fratelli d’Italia“ (“Brüder Italiens“) ihre Mehrheit kräftig ausbauen können und 28 Prozent der Stimmen auf sich vereint (23 Sitze, +13). Zweiter wurde die linksliberale „Partito Democratico“ mit 23 Prozent (+3, 19 Sitze), Platz drei ging an die „MoVimento 5 Stelle“ („Fünf-Sterne-Bewegung“) mit zwölf Prozent der Stimmen (10 Sitze, +5). Matteo Salvinis rechte „Lega“ holte nur noch neun Prozent und wurde drastisch auf 7 Sitze reduziert (-15).
EVP kann sich künftig neue Mehrheiten suchen
Im Europäischen Parlament wird sich einiges ändern: Stärkste Kraft bleibt nach wie vor die Europäische Volkspartei (EVP) mit etwa 181 Sitzen, gefolgt von den Sozialdemokraten mit 135 Sitzen. Die liberale „Renew“ wird knapp Platz drei belegen (82 Sitze). Dann folgen aber schon die Rechtsparteien der Europakritischen (71) die“ Identität und Demokratie“ (ID), in der auch die FPÖ vertreten ist, mit (62), die abgehalfterten Grünen mit (53) und nicht zuletzt die starke Gruppe der fraktionslosen Abgeordneten, in die nach den Differenzen mit der französischen RN („Rassemblement National“) nun auch die aus der ID ausgeschlossene AfD sitzt (102). Als Schlusslicht folgen die Linken mit 34 Abgeordneten.
Rechte Gruppen vertreten nun fast ein Drittel im EU-Parlament
Die Karten für Mehrheiten im EU-Parlament sind also neu gemischt, denn die drei rechten Gruppen (inklusive der Fraktionslosen) verfügen nun über 235 Sitze, das ist fast ein Drittel. Gemeinsam mit ihnen könnte beispielsweise die EVP neue, nicht linke Mehrheiten schaffen.
Wahlberechtigt waren rund 373 Millionen Europäer, die 720 Abgeordnete zum EU-Parlament gewählt haben. Das genaue Eu-weite Wahlergebnis wird erst heute, Montag, gegen Abend vorliegen.