Landesregierungen haben – im Gegensatz zu häufig anderslautenden Darstellungen – durchaus Einfluss auf die auswärtige Politik und damit die Verantwortung, auch zu Fragen von Krieg und Frieden Stellung zu nehmen. Von Bernhard Trautvetter.
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Sahra Wagenknecht erwartet laut ZDF-heute vom 2. September 2024 von einem „Ministerpräsidenten Mario Voigt oder Michael Kretschmer, dass sie die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen ablehnen“ und „dass diese Entscheidung wieder gekippt wird”. Außerdem müsse sich die Sachsen- und Thüringen-CDU für Frieden und Diplomatie in der Ukraine-Frage einsetzen, wenn sie mit dem BSW zusammenarbeiten wolle. Dazu kommentierte die ZDF-Redakteurin Hübscher:
„Im Grunde eine unerfüllbare Forderung für die CDU.“
Silke van Dyk, Professorin für politische Soziologie an der Universität Jena erklärte zu derartigen programmatischen Aussagen:
„Beim Thema Russland und der Frage nach Frieden wurde deutlich, dass Parteien in diesen Wahlen Fragen in den Fokus rückten, die wirklich nichts mit Landespolitik zu tun haben.“
Diese Einschätzung, der zufolge Forderungen nach Diplomatie und Frieden unerfüllbar sind, kann inhaltlich verstanden werden oder auch auf die Strukturen der Aufgabenverteilung zwischen den Institutionen bezogen sein. Im Fall einer inhaltlichen Unerfüllbarkeit müssten alle Alarmglocken erklingen, da demzufolge Frieden als unerreichbar einzustufen sei. Die institutionelle Ebene verschiebt das Thema alleine auf die Institutionen im Umfeld der für Gesamtdeutschland zuständigen Parlamente und der Bundesregierung.
Bundesrat hat einen „Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten“
Der Blick auf die institutionelle Ebene führt zur Tatsache, dass der Bundesrat sehr wohl einen „Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten“ hat. Die Website des Bundesrates informiert dazu wie folgt:
„Der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten befasst sich mit der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten, die nach Artikel 32 Abs. 1 des Grundgesetzes Sache des Bundes ist. Sein Aufgabenbereich deckt sich damit weitgehend mit dem des Auswärtigen Amtes – mit Ausnahme der Europapolitik, für die der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union gebildet wurde. Federführend werden dem Ausschuss zudem Vorlagen aus dem Bereich der internationalen Klimapolitik zugewiesen, seitdem im Dezember 2021 die Zuständigkeit dafür dem Auswärtigen Amt übertragen wurde.“
Demzufolge haben Landesregierungen Einfluss auf die auswärtige Politik und damit die Verantwortung, auch zu Fragen von Krieg und Frieden Stellung zu nehmen.
Diese Verantwortung entspricht auch der Verantwortung der Landespolitik für das Wohlergehen der Bevölkerung im jeweiligen Bundesland. Nicht nur im Fall eines Kriegsausbruchs ist das Leben der Menschen empfindlich gefährdet, Belastungen sind schon in Friedenszeiten zu beklagen, da Rüstung und alle weiteren Militärausgaben die Mittel für alle Bereiche der Daseinsvorsorge im Staatshaushalt massiv begrenzt.
Wichtig ist außerdem, dass die Aufgabenverteilung auch den Bereich der Klimapolitik dem Auswärtigen Ausschuss der Länderkammer zuschreibt.
Dieser Zusammenhang wird in der öffentlichen Meinungsmache oft ausgeblendet. Das hängt mit der Tatsache zusammen, dass die militärisch bedingten Klimaschädigungen aus den Klimaberichten der Staaten an den UNO-Weltklimarat IPCC ausgeblendet bleiben. Dies hat unter anderem die Auswirkung, dass dieser Zusammenhang aus der öffentlichen Aufmerksamkeit weitgehend verschwunden ist, obwohl die Staaten weltweit schon vor drei Jahren sechs Mal mehr für den Militärsektor als für Klimaschutz ausgeben.
Das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015, die Erderwärmung möglichst unter der Marke von 1,5 Grad Celsius plus zu begrenzen, setzt voraus, dass alle Ebenen der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt ihre Priorität auf Nachhaltigkeit legen. Das aber verfehlt der Militärsektor, der jedes Jahr neue Rekordhöhen erreicht. Die militärischen Emissionen haben mit weltweit circa sechs Prozent der globalen Klimaschädigung einen weit größeren Anteil als alle anderen gesellschaftlichen Bereiche. Die ‚Solidarwerkstatt‘ berichtet sogar:
„Insgesamt 25 Prozent der weltweiten Umweltverschmutzung führte SIPRI Mitte der Achtzigerjahre auf den Militärbereich zurück.“
Die Auswirkungen auf das Leben und damit auf die Gesundheit in den Ländern sind angesichts der beobachtbaren Entwicklungen immens, etwa infolge von Hitzerekorden, Überflutungen, Ernteverlusten, Bränden infolge anhaltender Trockenheit usw. Aus Sachsen-Anhalt liegt beispielsweise ein Bericht aus dem Jahr 2018 vor, der auf diese Entwicklungen verweist:
„Sachsen-Anhalt war in diesem Extremjahr das trockenste Bundesland in Deutschland. Zwischen April und November 2018 fiel landesweit kaum nennenswerter Niederschlag. Die anhaltend hohen Temperaturen förderten die Verdunstung. Eine ausgedehnte Bodendürre breitete sich aus. Die Erträge in der Landwirtschaft gingen so weit zurück, dass von einer Naturkatastrophe gesprochen werden musste.
Auch die Auswirkungen auf die Gewässer waren sichtbar. Wegen des historischen Wassertiefststandes war auf der Elbe über Monate hinweg keine Schifffahrt möglich. Teiche und Bäche trockneten aus, wertvolle Biotope gingen verloren.“
Frieden und Klima hängen ganz offensichtlich zusammen, und damit ist die Diplomatie aufs Engste verbunden, da sie Schritte in eine Friedensordnung gemeinsamer weil gegenseitiger Sicherheit durch Gespräche und Verhandlungen zum Gegenstand hat, um Kriege zu vermeiden. Solche Initiativen könnten zu Ende der Kampfhandlungen im aktuellen Krieg in Osteuropa, in Israel/Palästina und weiteren Weltregionen helfen. Das wäre auch fürs Weltklima eminent wichtig.
Die Umweltschäden der Kriege in der Golf-Region und in Osteuropa machen deutlich, dass die Grenzen der Bundesländer und auch die der Staaten keine für Umwelt- und Friedenspolitik tauglichen Begrenzungen darstellen, da die Wirkungen global und massiv sind. So ergibt es sich, dass Klima- und Friedenspolitik und damit auch Diplomatie sehr wohl das Leben in den Bundesländern betreffen.
Titelbild: Pusteflower9024 / Shutterstock