Vorweihnachtszeit bedeutet süße Verführungen – wie hält man eigentlich Maß bei Lebkuchen, Pralinen und Co.? Unser Autor setzt auf einzeln verpackten Riegel. Ist es dann der Müll oder die Exklusivität, die beim Naschen Grenzen setzt?
„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt“, lautet eine Weisheit von Forrest Gump
Foto: Imago/United Archives
Der Advent ist im Anmarsch und wir müssen dringend über Süßigkeiten sprechen. Es geht mir dabei aber nicht um die Qualität von Dominosteinen, Spekulatius oder Lebkuchenherzen, sondern um die schiere Menge. Wie beschränkt man sich in der Vorweihnachtszeit, in der wir von allen Seiten dazu aufgefordert werden, endlich auf den Verzicht zu verzichten?
Ich persönlich kann mich, wenn etwa Schokolade im Haus ist, nur schwer im Zaum halten. Ganz unabhängig von der Saison. Wenn sie da ist, will sie aufgegessen werden. Wenn sie nicht da ist, komme ich theoretisch auch mit wenig aus. Theoretisch, denn eigentlich mag ich schon jeden Tag ein bisschen essen. Wenn denn was da ist.
Das ist ein Dilemma, bei dessen Lösung ich mich jahrelang im Kreis gedreht habe. Bis ich feststellte, dass ich bei einzeln verpackten Süßigkeitenportionen durchaus haushalten kann. Etwa mit „feiner Nugatcreme, knusprigen Waffeln und leckerer Vollmilchschokolade“, wie es auf der Duplo-Schachtel heißt. Davon konsumiere ich derzeit täglich einen Riegel mit einem Gewicht von 18,2 Gramm. Das Interessante daran: Ich käme nicht auf die Idee, einen zweiten aufzumachen. Endlich eine Lösung! Wenn die Darreichungsform nicht so viel Müll produzieren würde. Nämlich pro Portion eine Plastikfolie und ein weiteres Papier mit einer metallischen Beschichtung. Ist der Abfall der Grund, der mich aus schlechtem Gewissen auf einen Nachschlag verzichten lässt? Oder hat das eher mit einer gewissen altmodischen Exklusivität zu tun? Duplo ist seit 1964 in Deutschland auf dem Markt und wird seit Jahrzehnten mit dem Slogan „die wahrscheinlich längste Praline der Welt“ beworben.
Pralinen sind, der gängigen Definition nach, ein Stück schokoladenüberzogenes Konfekt mit einer Füllung, wobei Konfekt ursprünglich einmal haltbar gemachtes Obst bezeichnete. Damit gehören sie zur Confiserie; und im weitesten Sinn zum Arbeitsbereich der Konditorinnen und Konditoren. Inzwischen wird das meiste Konfekt allerdings industriell gefertigt. Aber trotzdem blieben Pralinen, ob lang oder kurz, noch lange ein beliebtes Mitbringsel. Sie galten als etwas Besonderes, sei es in der Schachtel oder in Form des gleichnamigen Erotikmagazins, das von 1954 bis 2014 mit einer eher pikanten Füllung die bundesdeutschen Haushalte beglückte.
Auch sprachlich ist die Praline ein durchaus interessantes Phänomen. Die gängige Legende besagt, dass sie nach Marschall du Plessis-Praslin benannt ist, dessen Koch die gefüllte Schokolade im 17. Jahrhundert erfunden haben soll. Dem wird in sprachwissenschaftlichen Kreisen widersprochen. Der Begriff, so die Fachleute, sei vielmehr von der gärtnerischen Technik des Einschlämmens abgeleitet, bei der eine Pflanze mit feuchtem Humus und Dünger umgeben wird. Der französische Ausdruck hierfür lautet „praliner“ und ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts belegt.
Wie dem auch sei, unter den Schachteln finden sich selten etymologische Abhandlungen, sondern zumeist ein Hinweis auf die unterschiedlichen Füllungen und, ganz klein gedruckt, eine Liste der Zutaten. Mal abgesehen von fragwürdigen Zutaten wie eiweißangereichertem Molkepulver besteht der Riegel meiner Wahl zum größten Teil aus Zucker und Fett. Das kann man bei 18,2 Gramm am Tag durchaus verkraften. Wenn es denn bei einem bleibt. Wie machen Sie das?
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Der Koch
Johannes J. Arens ist Journalist und Autor. Er studierte Design in Maastricht und Kulturanthropologie in Bonn. In den Küchen interessieren ihn besonders das Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation sowie der Zusammenhang von Essen, Politik und Gesellschaft. Er ist Herausgeber des Foodmagazins „Zwischengang“ und Initiator des „Food Reading Festivals Cologne“. Im Freitag schreibt er die monatliche Kolumne „Der Koch“