Das selbsternannte „Widerstandskollektiv“ will die Klimaszene weiter radikalisieren – mit Blockaden und Einschüchterung politischer Gegner. Wir waren bei einem Treffen der Gruppe inkognito vor Ort.
von Hinrich Rohbohm
Sie agieren anonym. Und schrecken auch vor Blockaden und Sachbeschädigungen nicht zurück. Das sogenannte Widerstandskollektiv ist der militante Arm der Neuen Generation, die sich überwiegend aus ihrer Vorgänger-Gruppe, der Letzten Generation zusammensetzt. Es ist die Gruppe fürs Grobe. Während die Neue Generation nach außen hin bemüht ist, bei ihrem zivilen Ungehorsam ein möglichst friedliches Gesicht zu zeigen, führen die selbsternannten Aktivisten des Widerstandskollektivs gezielte Sabotage-Aktionen durch, schrecken zudem auch nicht vor der Zerstörung von Eigentum zurück. Gewalt gegen Menschen würden sie mißbilligen, versichern sie.
Gleichzeitig versucht die Gruppe, die Nennung von Namen zu vermeiden. Vielsagend auch: Ihr Internetauftritt verfügt im Gegensatz zur Neuen Generation über kein Impressum. Wir haben uns auch beim Widerstandskollektiv eingeschleust und auf diese Weise Näheres über die Taktiken und Strategien der Klimaradikalen in Erfahrung bringen können.
Der Treffpunkt ist bezeichnend
Die Gruppe ist in kleine Zellen aufgeteilt, die zumeist vollkommen autonom operieren. Informationen über Zeit und Ort der Zusammenkunft erhält man unter verdeckter Identität erst wenige Stunden vor Veranstaltungsbeginn. Zuvor ist lediglich bekannt, daß die Zusammenkunft im Raum Frankfurt erfolgen soll. Die Adresse ist dafür dann um so bezeichnender: Mertonstraße 26 bis 28 in Frankfurt am Main. Mitten auf dem Campus der Goethe-Universität, wo auch der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) seinen Sitz hat. Treffpunkt dort ist vor dem Eingang zum „Café KoZ“ , einem Anlaufpunkt der linksextremen Szene.
Vor fünf Jahren durchsuchte das Bundeskriminalamt diese Räume der Studentenvertretung. Der Verdacht: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Ein Brandanschlag auf die Leipziger Außenstelle des Bundesgerichtshofs durch linksautonome Gruppen im Jahr 2019 könnte demnach im näheren Umfeld des Frankfurter AStA geplant worden sein. Durch den Anschlag war ein Schaden in Höhe von 120.000 Euro entstanden, er gilt als einer der heftigsten der Leipziger linksextremen Szene.
„Beim Widerstandskollektiv werden wir noch einen Schritt weiter gehen“
Zum Treffen der Kollektiv-Gruppe sind acht Leute erschienen. Ein Mann um die 30 Jahre mit schwarzer Kappe auf dem Kopf, weißem T-Shirt und dunkelbraunem Dreitagebart begrüßt die Anwesenden, stellt sich als Nick vor. Ansonsten sagt er zu seiner Person auffallend wenig. „Ihr kennt ja alle schon das Konzept der Neuen Generation“, kommt er sofort auf den Punkt. „Beim Widerstandskollektiv werden wir noch einen Schritt weiter gehen“, erklärt er vielsagend.
Kurze Abfrage, wer bereits über welche Erfahrungen verfügt. „Wir beide kennen uns ja schon von Ende Gelände“, spricht er einen aus der Gruppe an. Verschwörerisches Grinsen in der Runde. Bei der Abfrage stellt sich auch heraus: Die Hälfte der Gruppe besteht aus erfahrenen Saboteuren. Zwei sind dagegen neu dazugestoßen.
„Momentan wollen wir Tesla plattmachen“ gibt Nick einen kurzen Informationsstand über aktuelle Aktionen. Neue Generation und Widerstandskollektiv würden dabei eng mit Extinction Rebellion (XR) zusammenarbeiten. „Wir haben schon vor mehreren Tesla-Werken Proteste organisiert. Jetzt brauchen wir dringend Leute, um noch deutlichere Zeichen setzen können“, appelliert der Wortführer an jeden in der Gruppe, neues Personal anzuwerben. „Außerdem brauchen wir dringend Kohle, ohne Moos funktioniert das alles nicht!“ , schiebt er noch schnell hinterher. Doch was versteht Nick unter „deutlichere Zeichen setzen“?
Wortführer brüstet sich mit Straftaten
„In Berlin haben wir schon mal den Tesla-Store eingefärbt“, erzählt er. „Aber du kannst auch gerne in Eigeninitiative mal einen Tesla-Wagen bearbeiten oder herausfinden, welchen Wagen AfD-Leute in deiner Gegend so fahren.“
Gemeinsam mit XR (Extinction Rebellion) habe man bereits in mehreren Städten vor Tesla-Werken oder -Filialen protestiert. „Wir müssen die öffentlichen Debatten um dieses Thema weiter vorantreiben. Dazu brauchen wir euch“, meint Nick in die Runde. Mehr Leute würden benötigt, um Werke zu blockieren sowie AfD- und CDU-Veranstaltungen „lahmzulegen“. Besonders Spenden würden derzeit dringend gebraucht. „Wenn wir Ärger mit den Bullen oder der Staatsanwaltschaft bekommen, brauchen wir Kies für die Anwälte“, sagt Nick. Die Spenden sollen dabei ins Ausland fließen, „um sie dem Zugriff deutscher Behörden zu entziehen“.
Wie Anonymous News im Zuge seiner Undercover-Recherchen bei der Neuen Generation bereits in Erfahrung bringen konnte, hat die Staatsanwaltschaft das Konto der Letzten Generation eingefroren. 500.000 Euro hatte die Organisation dort geparkt. Geld, an das sie derzeit nicht herankommt.
Klimaradikale berufen sich auf trotzkistischen Journalisten
„Spendet deshalb an Rev21“, fordert Nick. Nach Recherchen der Redaktion handelt es sich bei Rev21 um die in Großbritannien neu gegründete linksradikale Initiative Revolution 21st Century, die den britischen Journalisten Chris Harman als ihr politisches Idol betrachtet. Harman war bis zu seinem Tod im Jahr 2009 Mitglied des Zentralkomitees der trotzkistischen Socialist Workers Party (SWP) und Herausgeber der Zeitschriften International Socialism und Socialist Worker. Die Initiative gibt vor, sich für die Stärkung und Erneuerung von Demokratien einzusetzen. Hinter den blumigen Worten verbirgt sich jedoch die auch von der Neuen Generation geforderte Bildung sogenannter Bürgerräte, die stark an die in Deutschland gegen Ende des Ersten Weltkriegs gegründeten Arbeiter-und Soldatenräte erinnern.
In den zahlreichen Zellen des Widerstandskollektivs sei nun geplant, neue Leute anzuwerben und erst einmal kennenzulernen. Als erstes soll neuen Interessenten die Rätestruktur vorgestellt, anschließend mehr über die Interessenten in Erfahrung gebracht werden. „Macht möglichst Fotos von den Leuten und findet heraus, ob die sauber sind. Gebt Listen rum und sammelt Informationen über die Interessenten, damit wir sichergehen können, daß sich keine Rechten unter ihnen befinden“, weist Nick die Teilnehmer an.
Wer den Durchleuchtungsprozeß bestehe, solle an einem Aktionstraining teilnehmen. „Wer das erfolgreich durchläuft, kann an künftigen Planungen teilnehmen und in Aktionen eingeweiht werden“, erklärt Nick. Zustimmung aus der Gruppe. Aber auch Ungeduld macht sich breit. „Wir müssen deutlich radikaler werden“, fordert eine junge Frau in grauem Hoodie. Ihre Idee: „Laßt uns den Bundestag und die EZB blockieren.“
Erst Tesla, dann AfD und Union
Weitere Ideen machen die Runde. Tenor: „Rechten“ und Reichen müsse „das Leben zur Hölle gemacht werden“, Klimasünder „mit Aktionen unmittelbar zur Rechenschaft gezogen“ werden. „In zahlreichen anderen Gruppen wird ähnliches diskutiert“, berichtet Nick und erläutert speziell für die Neuen die Organisationsstruktur des Widerstandskollektivs.
„Wir bilden wie zahlreiche andere auch eine lokale Aktionsgruppe. In weiteren Seminaren lernt ihr von uns, wie ihr selbständig Versammlungen gestaltet und Gruppen organisiert.“ Als die nächsthöhere Instanz existiere der regionale Rat, der sich aus den Sprechern der einzelnen lokalen Widerstandsgruppen zusammensetze. Die Regionalsprecher wiederum gehören dem bundesweit agierenden Großen Rat für eine Dauer von sechs Monaten an.
In den nächsten Wochen werde sich das Widerstandskollektiv noch weiter an Tesla und Unternehmenschef Elon Musk abarbeiten. „Später werden wir dann verstärkt Aktionen gegen die faschistischen Strukturen in der AfD und der CDU fahren“, kündigt Nick schon mal an.
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