Basierend auf dem Interview von Ben Norton (Geopolitical Economy Report) mit dem Ökonomen Michael Hudson
1. Zölle als Klassenkampf – die wahren Kosten der Trump-Agenda Donald Trumps massive Zollerhöhungen werden öffentlich als patriotische Maßnahme zur Wiederbelebung der US-Industrie verkauft. Michael Hudson sieht darin jedoch ein Umverteilungsprojekt zugunsten der Reichen: Zölle ersetzen progressive Steuern und treffen letztlich die Verbraucher. Während Millionäre entlastet werden, zahlt die Arbeiterklasse die Zeche – über höhere Preise für importierte Waren.
2. Der Rückgriff auf ein nostalgisches Trugbild Trump beruft sich auf das 19. Jahrhundert, das sogenannte „Gilded Age“, in dem die USA durch Schutzzölle wirtschaftlich aufstiegen. Doch Hudson stellt klar: Der industrielle Aufstieg beruhte nicht nur auf Tarifen, sondern auf staatlich finanzierter Infrastruktur, kostenloser Bildung und sozialen Dienstleistungen. Trumps Politik blendet diesen Kontext aus und präsentiert ein verkürztes, ideologisch verzerrtes Geschichtsbild.
3. Reaganomics 2.0 – Die Rückkehr der Raubritter Hudson beschreibt Trumps wirtschaftliche Vision als eine Neuauflage des Raubtierkapitalismus. Anstatt in soziale Gerechtigkeit zu investieren, forciert Trump Deregulierung, Privatisierung und den Abbau staatlicher Leistungen. Sozialprogramme wie Medicare, Sozialhilfe und sogar die Post sollen privatisiert werden. Profitieren würden davon vor allem Großkonzerne und die Finanzelite – nicht die Industriearbeiter, deren Lage Trump vorgibt zu verbessern.
4. Handelskrieg als geopolitische Erpressung Trumps Zölle gegen China sind laut Hudson nur vordergründig wirtschaftlich motiviert. Tatsächlich geht es um geopolitischen Druck: Staaten, die nicht bereit sind, sich den US-Sanktionen gegen China anzuschließen, werden mit Strafzöllen bedroht. In Wahrheit nutzt Washington die Handelspolitik, um seine Vormachtstellung abzusichern – auf Kosten globaler Zusammenarbeit.
5. Deindustrialisierung statt Renaissance Die These, dass Zölle eine neue industrielle Revolution in den USA auslösen würden, hält Hudson für eine Illusion. Die US-Industrie wurde in den letzten Jahrzehnten systematisch ausgelagert. Es fehlt an Produktionsstätten, Know-how und einer staatlichen Industriepolitik. Ein schwächerer Dollar allein reicht nicht – ohne reale industrielle Kapazitäten bringt selbst Protektionismus nichts.
6. Chinas Gegenmodell: staatliche Koordination und soziale Infrastruktur Im Kontrast dazu zeigt Hudson, wie China mit gezielter Industriepolitik, öffentlicher Finanzierung und sozialer Infrastruktur eine wettbewerbsfähige Produktionsbasis aufgebaut hat. Staatliche Banken, günstige Kredite, kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung machen chinesische Arbeitskräfte effizient – ohne sie zu verarmen. Das Resultat: China wächst, während die USA stagnieren.
7. Der Schuss geht nach hinten los: Reaktionen auf US-Zölle Hudson erklärt, dass die US-Zollpolitik die Welt zu strategischer Abkopplung zwingt. Wie Russland nach 2014 baut China eigene Industrien auf, ersetzt Importe und gewinnt neue Partner. Der Handelskrieg beschleunigt so die Entstehung eines multipolaren Systems, das auf Selbstversorgung und regionaler Integration basiert – ohne die USA.
8. Eine neue Weltordnung entsteht – ohne Washington im Zentrum Viele Länder bereiten sich laut Hudson auf eine Welt nach der US-Dominanz vor. Neue Handelsrouten, Rohstoffpartnerschaften und Währungsalternativen entstehen. Kurzfristig mögen Trumps Zölle Druck erzeugen, langfristig aber treiben sie die Staaten in die Autonomie – fernab des Dollars und der US-Finanzinstitutionen.
9. Der Dollar wankt – Gold wird wieder attraktiv Trump droht sogar mit Steuern auf Devisenreserven anderer Länder. In der Folge steigen Staaten aus dem Dollar aus, kaufen Gold und stärken nationale Währungen. Der jahrzehntelange „Freifahrtschein“ der USA – Warenimport gegen frisch gedruckte Dollar – verliert an Glaubwürdigkeit. Die Finanzmacht der USA beginnt zu bröckeln.
10. Der Zerfall der Nachkriegsordnung Hudson sieht Trumps Politik als Frontalangriff auf die Nachkriegsordnung, die die USA selbst geschaffen hatten: freie Märkte, multilaterale Institutionen, internationale Zusammenarbeit. Stattdessen setzen die USA heute auf Zwang, Sanktionen und bilaterale Erpressung – ein Verhalten, das die USA immer weiter isoliert.
11. Vom Gilded Age zu den Tech-Oligarchen Trump verklärt das Gilded Age, dabei war es eine Ära von Monopolen, Finanzblasen und wachsender Ungleichheit. Heute wiederholt sich dieses Modell: Oligarchen wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Wall-Street-Milliardäre nehmen direkten Einfluss auf Regierungspolitik. Trumps Regierung, so Hudson, besteht aus genau jenen Kräften, die den Staat ausplündern, nicht aufbauen wollen.
12. Abschied von den Idealen von 1945 Die Prinzipien von 1945 – Gleichheit der Nationen, gemeinsame Regeln, internationale Stabilität – werden laut Hudson durch das neue US-Modell systematisch untergraben. Statt UN-Kooperation erleben wir eine Rückkehr zu Kolonialpraktiken durch Sanktionen, Drohungen und politische Manipulation.
Fazit: Trump nutzt Zölle nicht zur Wiederbelebung der Industrie, sondern zur Umverteilung von unten nach oben. Seine Wirtschaftspolitik ist rückwärtsgewandt, elitär und geopolitisch destruktiv. Während sich der Globale Süden neu organisiert, drohen die USA in Isolation, Deindustrialisierung und sozialer Spaltung zu versinken. Hudsons Analyse ist ein dringender Weckruf: Nicht Protektionismus an sich ist das Problem – sondern seine Nutzung als ideologisches Deckmäntelchen für eine neue Ära von Oligarchie und ökonomischer Erpressung.