Neben der bleibenden Mietpreisbremse und der Ankündigung von schnellerem Bauen sind die Pläne von Union und SPD in der Wohnungspolitik zwar ambitioniert, aber ohne klare Strategie
Eine bundesweite Bauoffensive allein senkt keine Mieten
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So sieht die Realität in vielen deutschen Städten aus: explodierende Mieten, stagnierender Wohnungsbau und ein Markt, der immer weniger bezahlbare Wohnungen anbietet. CDU/CSU und SPD präsentieren angesichts der Wohnungskrise ambitionierte, aber teils abstrakte Ziele in ihrem Koalitionsvertrag.
Vorweg: Der Abschnitt zum Bauen und Wohnen im Koalitionsvertrag trägt die Handschrift der Sozialdemokrat:innen. Das zeigt sich etwa daran, dass die Mietpreisbremse nicht – wie zunächst in den Koalitionsverhandlungen angekündigt – um zwei, sondern um vier Jahre verlängert wird. Auch gegenüber Miet- und Immobilienhaien schlägt der Vertrag kritische Töne an: Wer sich nicht an die Mietpreisbremse hält, soll künftig mit Bußgeldern
n schlägt der Vertrag kritische Töne an: Wer sich nicht an die Mietpreisbremse hält, soll künftig mit Bußgeldern rechnen müssen. Mit der Mietpreisbremse darf die Miete bei Neuvermietung maximal zehn Prozent über dem Preisniveau ähnlicher Wohnungen in der jeweiligen Gegend liegen. Außerdem soll die Mietwucher-Vorschrift präzisiert werden.Innerhalb der ersten 100 Tage plant die Koalition die Einführung eines sogenannten „Wohnungsbau-Turbos“. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt offen – aus Mieter:innensicht weckt das zumindest Hoffnung auf spürbare Investitionen nach dem Vorbild des Infrastrukturpakets. Nötig wäre ein solcher „Turbo“ allemal: Laut dem Verbändebündnis Wohnungsbau fehlen bundesweit rund 800.000 Wohnungen, insbesondere in Ballungsräumen.Zudem geplant: ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau und der neue Gebäudetyp E, dieser soll einfachere Baustandards ermöglichen. Skurril: Auch das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden, doch das existiert gar nicht.Für breite Bevölkerungsschichten kein bezahlbarer WohnraumDie künftige Koalition plant, verstärkt Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von unter 15 Euro in angespannten Wohnungsmärkten zu schaffen – eine konkrete Zielzahl wird dabei nicht genannt. Von der sogenannten WG-Garantie – die Idee stammt von den Jusos und sah vor, dass alle Azubis und Studierenden ein WG-Zimmer für unter 400 Euro mieten können – ist im Koalitionsvertrag konkret wenig zu lesen. Dabei ist die Lage etwa für Studierende in Berlin prekär. Hohe Preise und geringe Verfügbarkeit zwingen viele, sich mit unbefriedigenden Wohnverhältnissen zufriedenzugeben.Und nicht nur in Großstädten wie Berlin und München ist die Lage angespannt. Auch in kleineren Städten wie Freiburg, Heidelberg oder Mainz verschlingt die Miete oft mehr als die Hälfte des monatlichen Einkommens. Ob ein paar zusätzliche Studentenwohnheimzimmer daran etwas ändern, ist fraglich – denn bezahlbarer Wohnraum ist in Großstädten für breite Bevölkerungsschichten längst zur Ausnahme geworden.Umso zentraler ist die Frage, ob die wohnungspolitischen Pläne der künftigen Bundesregierung ausreichen werden.In den Jahren vor der Ampel-Regierung gab es auf Bundesebene kein eigenes Ministerium für Bauen und Wohnen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) führte es wieder ein – das ausgegebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wurde aber in keinem Regierungsjahr erreicht. Immerhin hält die zukünftige Koalition am Bauministerium fest. Carsten Schneider (SPD) oder Hubertus Heil (SPD) werden derzeit als mögliche Minister gehandelt.Dem Koalitionsvertrag zufolge will die neue Regierung die Wohnungskrise in den Großstädten nun ernsthaft angehen. Der Abschnitt zu Bauen und Wohnen beginnt mit dem Satz: „Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten.“ Reicht es da, mehr Neubau und die Verlängerung der Mietpreisbremse anzukündigen?Andrej Holm: Öffentliche Investitionen, einziger Weg für SozialverträglichkeitDer Stadt- und Regionalsoziologe Andrej Holm zeigt sich skeptisch gegenüber den Plänen von CDU/CSU und SPD: Die Mietpreisbremse sei zwar ein Dorn im Auge von Vertreter:innen eines liberalen Wirtschaftskurses in der Union, habe aber nur begrenzte Effekte. Zwar bleibt die Mietpreisbremse vorerst erhalten, doch auch Vertreter:innen eines marktorientierten Kurses haben dem Koalitionsvertrag ihren Stempel aufgedrückt. Dort heißt es etwa: „Wir wollen die günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen zusammenbringen.“Der Bund soll finanzielle Anreize setzen, während die Privatwirtschaft den teuren Neubau plant und umsetzt. Zwar sollen Anreize auch kommunalen Trägern eine Ausweitung ihrer Bautätigkeit ermöglichen – Hauptprofiteure bleiben jedoch tendenziell privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen. Eine zentrale Frage lautet daher: Was genau verbirgt sich hinter dem angekündigten „Wohnungsbau-Turbo“? Milliardenpakete für Rüstung und Infrastruktur wurden bereits beschlossen – warum nicht auch für den Wohnungsbau?Holm weist darauf hin, dass der Bereich Wohnen nicht Teil des 500-Milliarden-Infrastrukturpakets sein könnte. Dabei erfülle Wohnen alle Merkmale öffentlicher Infrastruktur: Es sei eine „unerlässliche Grundvoraussetzung für fast alle sozialen und gesellschaftlichen Aktivitäten“. Öffentliche Investitionen seien der einzige Weg, um dringend notwendige Neu- und Umbauten sozialverträglich umzusetzen.Neubau ist wichtig, keine Frage. Doch selbst wenn eine bundesweite Bauoffensive genügend Wohnraum schaffen würde, ist fraglich, ob sie auch die Mieten senkt – denn im Verhältnis zu Bestandsimmobilien machen Neubauten nur einen kleinen Teil des Marktes aus und entstehen meist im hochpreisigen Segment.Laut der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in deutschen Großstädten 1,9 Millionen günstige Wohnungen, davon etwa 1,4 Millionen mit weniger als 45 Quadratmetern. Andrej Holm betont, dass kleinere und bezahlbare Wohnungen nur durch massive Förderung oder direkte Investitionen entstehen können. Ob der „Wohnungsbau-Turbo“ tatsächlich auf bezahlbaren Wohnraum für alle zielt, bleibt fraglich.Dass CDU/CSU und SPD vor allem am Neubaukurs festhalten, kritisiert Holm. Der Stadtforscher glaubt, dass dieses Konzept in den nächsten Jahren nicht aufgehen werde, „weil Neubau teuer ist und unter den gegenwärtigen Bedingungen keinen dämpfenden Effekt auf die Bestandsmieten hat“.Der Bestand an Sozialwohnungen schrumpft rapideDerweil schrumpft der Bestand an Sozialwohnungen rapide. Bei diesen Wohnungen ist der Mietpreis für einen festgelegten Zeitraum auf ein sozial verträgliches Niveau begrenzt. Läuft die Bindung aus, werden sie zum Marktpreis vermietet – für die Bewohner:innen bedeutet das meist drastische Mietsteigerungen oder Verdrängung.Gab es 2006 noch zwei Millionen Sozialwohnungen in Deutschland, ist es heute nur noch etwa die Hälfte – Tendenz sinkend. Allein in Berlin prognostiziert der Mieterbund, dass bis Ende 2026 rund 47.700 Wohnungen aus der sozialen Preisbindung fallen.Zwar werden laut Koalitionsvertrag die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau „schrittweise deutlich“ erhöht, doch eine klare Strategie, um den weiteren Verlust von sozial gebundenen Wohnungen zu stoppen, fehlt. Die kommende Bundesregierung setzt weiterhin auf befristete Bindungen – statt auf dauerhafte und gemeinnützige Wohnungsmodelle.Aus Sicht des Stadtforschers Andrej Holm wäre dafür in den kommenden Jahren ein radikaler Kurswechsel notwendig: „Eine Wohnungspolitik, die alle erreichen will, muss vor allem bei der Regulierung der Bestandsmieten ansetzen.“