Deutschland, Land der Dichter, Denker – und Milliarden-Geldversenker? Deutsche Prestige-Projekte im Bereich der Mobilität scheinen zum Scheitern verurteilt. Die im Vorfeld gefeierte Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm reiht sich ein: 17 Güterzüge pro Tag sollen dort eigentlich fahren, um die vier Milliarden Euro teure Strecke wirtschaftlich zu machen. Seit der Eröffnung vor zweieinhalb Jahren fuhr dort allerdings nur ein einzelner einsamer Güterzug. Im Bundestag habe man die Strecke “schön gerechnet”, so heißt es jetzt.

Gastbeitrag von Lothar Renz

Als am 9. Dezember 2022 die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm feierlich eröffnet wurde, war die Euphorie groß. Schnellere ICEs, kürzere Fahrzeiten, ein neuer Glanz auf Deutschlands Schienen – und massig Güterzüge sollten künftig donnernd über die Schwäbische Alb rollen. Täglich 17 Stück waren versprochen. Doch die bittere Wahrheit? Seit der Eröffnung hat genau ein einziger Güterzug die Strecke genutzt. Einer!

Wie schwer war wohl dieser einsame Pionier? Nach üblichen Bahnspezifikationen durfte der gesamte Zug (inklusive Lok und Waggons) maximal 1000 Tonnen wiegen. Davon entfallen:

  • Lokomotive: etwa 100 Tonnen
  • 20 Güterwaggons à rund 25 Tonnen Leergewicht: 500 Tonnen

Zwischensumme: 600 Tonnen rollendes Material – ganz ohne Fracht. Bleibt übrig für tatsächliche Nutzlast: 400 Tonnen, also 400.000 Kilogramm.

Und jetzt wird’s absurd: Die Baukosten der Strecke betrugen rund 4 Milliarden Euro. Bisher hat nur dieser eine Güterzug sie genutzt. Das ergibt für unser Beispiel 4.000.000.000 Euro ÷ 400.000 Kilogramm = 10.000 Euro pro transportiertem Kilogramm.

Und das wohlgemerkt ohne laufende Kosten wie Personal, Energieverbrauch, Wartung oder Infrastrukturunterhalt. Wenn also beispielsweise ein Kilo Schrauben auf dieser Strecke transportiert wird, könnte man sie auch einzeln in Gold verpacken – das wäre günstiger.

Wahnsinn mit Ansage

Die Strecke sollte ursprünglich eine Hauptader für Güter- und Personenverkehr werden. Doch technische Stolpersteine wie das komplizierte ETCS-Sicherungssystem und die steile Streckenführung machten den Traum zur Farce. Viele Güterzüge schaffen die steile Albüberquerung schlicht nicht ohne Zusatzlok – ein kostspieliges Unterfangen, das niemand freiwillig bucht. Bleiben also nur die ICEs: Vier Milliarden Euro wurden nun für sage und schreibe 20 Minuten Zeitersparnis im Fernverkehr verpulvert, so die Schnellzüge denn die neue Strecke nutzen können. Wirtschaftlich? In Deutschland weiß man anscheinend gar nicht mehr, was das bedeutet.

Man kennt diese Entwicklung bereits von anderen deutschen Prestigeprojekten: Der Berliner Flughafen BER, der mehr Jahre zum Bau benötigte als so manche Kathedrale, oder Stuttgart 21, das Bahnprojekt, das seinen eigenen Zeitplan schneller unterfährt als jeder ICE. Fast amüsant: Man hofft jetzt, dass Stuttgart 21 die Güterzug-Misere auf der neuen Strecke vielleicht irgendwann noch richten könnte. Bis dahin reiht sich auch die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm in die exklusive Gesellschaft der teuersten Mahnmale für Planungsfehler und Realitätsferne ein. “Ich habe miterlebt, wie die Strecke im Bundestag schön gerechnet wurde”, sagte der grüne baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann nun gegenüber den Medien. Davon können die Bürger sich auch nichts kaufen.



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Von Veritatis

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