Nach dem großflächigen Blackout auf der Iberischen Halbinsel sind Verfechter des maß- und planlosen Ausbaus der sogenannten erneuerbaren Energien in Erklärungsnot. Für Experten war es dagegen ein Stromausfall mit Ansage: Seit Jahren warnen sie vor den Risiken einer mangelhaften Energiewende für die Netzstabilität. Unser Gastautor, ein diplomierter Photovoltaik-Techniker mit langjähriger Erfahrung in der Installation und netztechnischen Integration von PV-Anlagen, ordnet die Hintergründe des gestrigen Mega-Blackouts ein und zieht daraus Lehren für Deutschland und Österreich.

Gastkommentar von Lothar Renz

Am Vormittag des 28. April 2025 ging plötzlich das Licht aus – in ganz Spanien und Portugal. Vom einen Moment auf den anderen brach die Stromversorgung auf der gesamten Iberischen Halbinsel zusammen. Millionen Menschen waren ohne Strom, Züge blieben stehen, Ampeln fielen aus, Fabriken stoppten ihre Arbeit. Ein kompletter Blackout, wie man ihn in dieser Größenordnung in Westeuropa kaum für möglich hielt.

Was auf den ersten Blick wie ein plötzlicher technischer Defekt oder ein Hackerangriff wirken mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als hochkomplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Ein Schlüsselfaktor: die zunehmend zentrale Rolle erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung. Der Vorfall wirft damit ein Schlaglicht auf die Risiken einer schlecht geregelten Energiewende.

Wichtigste Fakten auf einen Blick:

  • Datum: 28. April 2025
  • Betroffene Regionen: Spanien und Portugal (kompletter Festland-Blackout)
  • Hauptursache: Netztrennung von Frankreich aufgrund einer Störung, gefolgt von Frequenzanstieg und Massenabschaltung von Photovoltaik-Anlagen
  • Höhepunkt der Erzeugung: 27 GW (davon 15 GW Solar, 3–4 GW Wind)
  • Kritisches Ereignis: Frequenzüberschreitung (>51,5 Hz) führt zu automatischer PV-Abschaltung
  • Folge: Verlust von ca. 10 GW Solarleistung binnen Sekunden, Frequenzabsturz und flächendeckender Blackout
  • Erste Wiederankopplung: Um 13:30 Uhr an das französische Stromnetz
  • Wiederherstellung: >99 % der Versorgung gegen 23:30 Uhr

Was ist passiert? Eine Erklärung in einfachen Worten

Das Stromnetz funktioniert wie ein großes Gleichgewicht. In jeder Sekunde muss genau so viel Strom erzeugt werden, wie Verbraucher ihn brauchen. Wird mehr Strom erzeugt als verbraucht, steigt die Frequenz im Netz an. Wird zu wenig erzeugt, fällt die Frequenz.

Am 28. April 2025 war die Stromerzeugung in Spanien besonders hoch: Es war sonnig, es war windig, und viele Photovoltaik- und Windkraftanlagen speisten ein. Gleichzeitig war der Stromverbrauch eher niedrig. Der Überschuss wurde über Leitungen nach Frankreich exportiert. Als diese Verbindungen plötzlich unterbrochen wurden, konnte der überschüssige Strom nicht mehr abgeführt werden – das Netz war überversorgt. Die Frequenz stieg.

Moderne Photovoltaikanlagen verfügen über Schutzmechanismen, die sie automatisch vom Netz trennen, wenn die Netzfrequenz einen kritischen Wert überschreitet – in der Regel etwa 51,5 Hertz. Genau das dürfte an diesem Tag passiert sein: Als die Frequenz im isolierten iberischen Netz durch das Stromüberangebot anstieg, erreichte sie diese Schwelle. In der Folge reagierten zahllose PV-Anlagen gleichzeitig und schalteten sich zum Selbstschutz ab. Innerhalb von Sekunden brach ein großer Teil der Erzeugungsleistung weg – und die Frequenz stürzte abrupt ab. Die Folge: ein flächendeckender Blackout.

Technische Analyse: Was genau ist passiert?

Am Vormittag des 28. April erzeugte Spanien rund 27 GW Strom. Etwa 60 % davon stammten aus Photovoltaikanlagen (ca. 15 GW), weitere 12 % aus Windkraft. Der Rest verteilte sich auf Wasserkraft, Atomkraft und Gas. Die konventionellen Kraftwerke liefen also nur auf Sparflamme.

Spanien exportierte zu diesem Zeitpunkt Strom nach Frankreich (zwischen 250 MW und 1700 MW). Diese Exportleistung wurde über verschiedene Hochspannungsverbindungen in den Pyrenäen abgeführt, darunter auch eine Hochspannungs-Gleichstromverbindung zwischen Girona und Perpignan.

Gegen 12:33 Uhr kam es dort zu einer massiven Störung. Was genau passierte, ist noch nicht abschließend geklärt. Möglich ist ein technischer Defekt, ein Schutzmechanismus, der bei zu hoher Last automatisch abschaltete, oder ein instabiler Leistungsfluss, der die Trennung auslöste. Klar ist: Innerhalb von Sekunden war Spanien vom restlichen kontinentaleuropäischen Stromnetz getrennt.

Das isolierte iberische Netz hatte nun zu viel Strom – die Frequenz stieg. Binnen Sekunden überschritt sie die kritische Schwelle von 51,5 Hz. Zahlreiche PV-Anlagen schalteten sich automatisch ab. In weniger als fünf Sekunden gingen etwa 10 GW an Solarleistung verloren. Auch Kernkraftwerke (3,3 GW) und vermutlich Teile der Windenergie folgten. Der plötzliche Leistungsabfall stürzte das System in eine schwere Unterfrequenz. Innerhalb von 10 Sekunden sank die Frequenz auf Werte deutlich unter 49 Hz. Lastabwurfsysteme versuchten noch gegenzusteuern – erfolglos. Um 12:33:40 war der Strom auf der gesamten Halbinsel ausgefallen.

Chronologie des Ereignisses am 28. April 2025:

  • bis 12:30 Uhr: Hohe Erzeugung (27 GW), darunter 15 GW Solar, 3–4 GW Wind, geringer Verbrauch. Stromexport nach Frankreich.
  • 12:33 Uhr: Netzstörung, Leitungstrennung zu Frankreich. Spanien/Portugal isolieren sich vom europäischen Stromverbund.
  • 12:33:10 Uhr: Frequenz im iberischen Netz steigt rasch an (>51 Hz).
  • 12:33:15 Uhr: Massenweise Abschaltung von PV-Anlagen. Binnen Sekunden fehlen 10 GW Leistung.
  • 12:33:20 Uhr: Frequenz sinkt rapide ab, Unterfrequenz beginnt (<49 Hz).
  • 12:33:30 Uhr: Kettenreaktion: Abschaltung weiterer Kraftwerke, großer Lastabwurf.
  • 12:33:40 Uhr: Stromnetz bricht zusammen. Komplett-Blackout in Spanien und Portugal.
  • 13:30 Uhr: Erste Wiederankopplung an Frankreich gelingt.
  • ab 18:00 Uhr: Etappenweise Wiederherstellung der Versorgung.
  • gegen 23:30 Uhr: >99 % der Verbraucher wieder versorgt.

Kritik am massiven Ausbau der Photovoltaik ohne Netzinfrastruktur

Der Blackout in Spanien und Portugal verdeutlicht ein strukturelles Problem, das nicht nur die iberische Halbinsel betrifft. Europaweit wird der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Photovoltaik, massiv vorangetrieben. Doch während die Zahl der Solaranlagen rasant steigt, bleibt der Ausbau der Netzinfrastruktur weit zurück.

Erneuerbare Energien erfordern flexible Netze, starke Leitungen und moderne Steuerungstechnik. Ohne diese Grundlage verwandelt sich eine eigentlich nachhaltige Erzeugungsweise bei Netzstörungen in eine Bedrohung für die Systemsicherheit. Der Vorfall zeigt klar: Eine hohe Einspeisung aus unregelbaren Quellen ohne ausreichende Netzstabilisierung kann gravierende Folgen haben.

Die Lehren für Deutschland und Österreich

Besonders in Deutschland und Österreich lässt sich die Problematik beobachten. Laut Bundesnetzagentur wurden allein in Deutschland im Jahr 2024 über 14 GW an neuer Solarleistung installiert – ein Rekordwert. Auch Österreich meldet stark wachsende Photovoltaikzahlen. Doch der notwendige Ausbau von Leitungen und Speichern hinkt hinterher.

Laut dem Monitoringbericht 2023 der Bundesnetzagentur kommt es regional bereits zu sogenannten “Netzengpässen”. Auch die österreichische E-Control weist darauf hin, dass viele regionale Verteilnetze auf die neuen Anforderungen nicht ausgelegt sind.

Das bedeutet: Während der Ausbau der Photovoltaik politisch forciert wird, fehlen auf der technischen Seite notwendige Investitionen. Überschüssiger Solarstrom kann nicht immer aufgenommen werden, und in Stresssituationen könnte auch hierzulande die Netzstabilität gefährdet sein.

Deutschland und Österreich müssen daraus lernen: Erneuerbare Energien können nur dann ein sicherer Bestandteil des Energiesystems sein, wenn Netze, Speicher und Regelmechanismen gleichzeitig und vorausschauend ausgebaut werden.

Fazit des Autors

Die Energiewende ist notwendig und richtig – ohne Zweifel. Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft müssen die Grundlage unserer zukünftigen Energieversorgung bilden. Doch der Vorfall in Spanien und Portugal zeigt unmissverständlich: Der Ausbau der erneuerbaren Energien darf nicht isoliert stattfinden. Ein ungezügelter Zubau ohne entsprechenden Netzausbau, Speicherlösungen und flexible, regelbare Kraftwerke gefährdet die Stabilität unseres Energiesystems.

Es braucht dringend den parallelen Ausbau von Netzinfrastruktur, großen Speicherkapazitäten, virtuellen Schwungmassen und schnell regelbaren konventionellen Kraftwerken, wie etwa moderne Gaskraftwerke. Auch die intelligente Steuerung und gestaffelte Schutzmechanismen bei PV- und Windkraftanlagen müssen verpflichtender Standard werden.

Erneuerbare Energien sind ein Gewinn für Klima und Gesellschaft – aber nur, wenn wir ihre Integration klug und verantwortungsvoll gestalten. Der Blackout vom 28. April 2025 darf keine Blaupause für Europa werden.

Eine weitere informative Analyse des Geschehens sehen Sie im folgenden Video:

Quellen:

  • Red Eléctrica de España (REE)
  • RTE (Frankreich), REN (Portugal)
  • El Periódico de la Energía, Artículo14, Reuters, Tagesschau, Sur in English
  • ENTSO-E Transparenzplattform
  • Live-Messdaten von www.rj2et.de
  • Frequenzanalysen von Monitoring-Diensten
  • Bundesnetzagentur (BNetzA) Monitoringbericht 2023
  • E-Control Austria Marktbericht 2024

Über den Autor

Der Autor ist ein diplomierter Photovoltaik-Techniker aus Oberösterreich mit TÜV-Zertifizierung und langjähriger Erfahrung in der Planung, Umsetzung und netztechnischen Integration von PV-Anlagen. Er ist mit den Anforderungen und Herausforderungen der österreichischen und europäischen Normenlandschaft im Bereich erneuerbare Energien sowie Netzsicherheit vertraut und begleitet Projekte vom Einfamilienhaus bis zur gewerblichen Großanlage. Seine Expertise liegt an der Schnittstelle zwischen nachhaltiger Energieproduktion und technischer Systemstabilität.



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Von Veritatis

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