Donald Trump hat der Harvard University den Kampf erklärt. Für die Elite-Universität geht es nun auch darum, sich den Rückhalt der amerikanischen Bevölkerung zu sichern


Die Harvard Universität wehrt sich öffentlich und vor Gericht gegen die Einflussnahme

Collage: der Freitag; Material: iStock/Unsplash/Midjourney


Als Donald Trump sich an einem Samstag Mitte April von MAGA-Anhängern bei einem Kampfsport-Event feiern ließ, da hatte er tags zuvor gerade seine eigene Ultimate Fighting Championship angezettelt gegen einen der stärksten Gegner in den USA: Harvard ist mit einem Vermögen von 53 Milliarden Dollar nicht nur die reichste Universität der Welt, sondern auch die älteste der USA. 1636 gegründet, ist sie 140 Jahre älter als die Vereinigten Staaten selbst. Runde eins geht also an Harvard!

Trumps Kampfansage, das fünfseitige Schreiben, das seine Administration am 11. April an Harvards Präsident Alan Garber schickte, stellte inakzeptable Forderungen, darunter die Aufsicht der Regierung über Studienzulassungen und ein Ende der Anwerbung internation

darunter die Aufsicht der Regierung über Studienzulassungen und ein Ende der Anwerbung internationaler Studierenden, die „den amerikanischen Werten feindlich gegenüberstehen“ sowie die Forderung, bei der Ernennung von Lehrkräften „Meinungsvielfalt“ – sprich eine ideologische Kontrolle – durchzusetzen.Und so trat Harvard in den Ring. Garber wies in einer Erklärung mit dem Titel The Promise of American Higher Education die Forderungen zurück und erklärte, Harvard werde „seine Unabhängigkeit und seine verfassungsmäßigen Rechte nicht aufgeben“. Vom Ausgang dieser Auseinandersetzung hängt viel ab. Für Harvard selbst, der Trump nach dem Einfrieren von 2,2 Milliarden Dollar an Zuschüssen damit droht, die gesamten in Höhe von neun Milliarden Dollar zu streichen und ihr die Steuerbefreiung zu entziehen. Das wären selbst bei einem so hohen Stiftungsvermögen harte Schläge. Für andere, finanziell weniger gut ausgestattete Unis steht noch mehr auf dem Spiel. Harvard mag zu groß sein, um zu scheitern, andere sind es nicht. Der New York Times zufolge haben hochrangige Berater des Weißen Hauses, darunter Trumps Politik-Guru Stephen Miller, privat darüber gesprochen, eine hochrangige Universität „zu stürzen“ als abschreckendes Exempel.Kann Harvard nicht standhalten, wird keine Uni es können„Diese Angriffe sind keine kleinen politischen Meinungsverschiedenheiten. Sie sind ein autoritärer Angriff auf das Hochschulwesen“, sagt dazu der Politologe Ryan Enos. Enos ist Co-Autor eines Briefes, mit dem 800 Mitarbeitende die Universität aufforderten, sich zu widersetzen. Harvard schien damals bereit zu sein, vor Trumps Forderungen zu kapitulieren, hatte die Leiter des Center for Middle Eastern Studies abgesetzt, was Enos und viele andere als „klaren Verstoß gegen die akademische Freiheit“ werteten. Umso erleichterter sind sie, dass die Universitätsleitung schließlich klare Kante zeigte. „Harvard darf nicht die Arbeit der Trump-Regierung übernehmen, auch wenn der Druck groß ist.“Klar ist: Wenn Harvard diesem Ansturm nicht standhalten kann, wird es niemand können. Einfach wird es nicht. Überall in den USA finden sich klägliche Überreste von Trumps gescheiterten Rivalen, angefangen bei einer Legion gemäßigter Republikaner über führende Demokraten wie Hillary Clinton und Kamala Harris bis hin zu Bundesstaatsanwälten, die ihn drankriegen wollten und weitgehend scheiterten. Was kann Harvard anders machen, als Trumps frühere Opfer?Ein Teil der Strategie wird über Rechtsstreitigkeiten und die Gerichte laufen. Am Ostermontag reichte Harvard Klage gegen die Forderungen der US-Regierung und das Einfrieren der Gelder ein, da diese das Recht der Universität auf freie Meinungsäußerung gemäß dem ersten Verfassungszusatz verletzten. Außerdem beruft sich die Universität auf Title VI des Civil Rights Acts von 1964, der rassistische Diskriminierung verbietet. Harvards zweiter Kanal ist intensive Lobbyarbeit unter republikanischen Politikern auf dem Capitol Hill. Engagiert hat die Universität dafür die Trump-freundliche Agentur Ballard Partners, deren Gründer Brian Ballard 2016 Trumps Finanzvorstand für den Wahlkampf in Florida war.„Wir haben uns nicht genug bei den Amerikanern bedankt“, sagt die Professorin Danielle AllenDer härteste Kampf ist jedoch der um die Herzen und Köpfe der Amerikaner – und er kann durchaus über Sieg oder Niederlage entscheiden. „Das Wichtigste ist die Beziehung zwischen Amerikas Hochschulen und dem amerikanischen Volk“, so sieht es Danielle Allen, die das Allen Lab for Democracy Renovation an der Harvard Kennedy School leitet. Allen bekam den Stachel von Trumps Angriffen bereits zu spüren. Einem von ihr geleitetem Programm zur Förderung von Staatsbürgerkunde in Schulen strich Elon Musks „Effizienzbehörde“ Doge sechs Millionen Dollar Zuschuss des Pentagons. Allen würde es begrüßen, wenn Harvard diesen Moment nutzen würde, um einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ mit dem amerikanischen Volk zu schließen, wie sie es kürzlich in einem Artikel in The Atlantic nannte. Sie schlägt eine gemeinsame Kampagne aller US-Universitäten vor, um der Bevölkerung für ihre Unterstützung zu danken. „Wir haben uns nicht genug bedankt. Es ist an der Zeit“, sagte sie.Harvard hat schnell gehandelt – aus umgekehrter Richtung. Anstatt sich bei den Menschen zu bedanken, will sie ihnen zeigen, warum sie ihr danken sollten. Als Konter gegen Trumps Verunglimpfungen hat Harvard ihre Website umgestaltet und stellt einige ihrer spektakulärsten Errungenschaften vor – mit einem starken Akzent auf lebensverändernde medizinischen Durchbrüche: eine neue Behandlung für Sichelzellenpatienten, neue Wege, Autismus zu betrachten, bahnbrechende Forschung zu Krebs, Parkinson und Hörverlust. Die Website prahlt mit atemberaubenden Innovationen: 1908 wurde hier der erste Studiengang für Betriebswirtschaft in den USA eingerichtet, 1954 die erste Organtransplantation durchgeführt und 2023 der erste Quantencomputer entwickelt.Auch das Golftee wurde 1899 in Harvard erfundenAls Geheimwaffe schickt Harvard obendrein noch Elmo in den Ring. Ja, auch die Sesamstraße ging 1969 aus der Harvard Graduate School of Education hervor. Wir lesen, dass das Backpulver 1854 ein Harvard-Chemiker erfand und das Golftee 1899 ein Harvard-Zahnarzt (Trump wird das nicht gefallen, aber der Erfinder, George Franklin Grant, war Schwarz).„Will sagen: Harvard-Forschung ist Teil unseres täglichen Lebens, jeder Durchschnittsbürger hat eine Beziehung dazu“, so Teresa Valerio Parrot, Leiterin der Kommunikationsberatungsagentur TVP, die auf den Hochschulbereich spezialisiert ist. „Jedes College und jede Universität im ganzen Land hat solche Geschichten zu erzählen und kann es Harvard jetzt gleichtun.“Eine starke Botschaft, doch während Harvard hoch hinaus wollte, setzte Trump wie gewohnt zum Tiefschlag an. Er bezeichnete die Universität als „Witz“, beschuldigte sie, „Hass und Dummheit“ zu lehren, Terrorismus zu unterstützen, und, wie er es rätselhafterweise formulierte, „sickness“.Das Vertrauen in die US-Hochschulen sank in den letzten zehn Jahren stetigWirkmächtig sind diese Äußerungen nicht nur, weil er sie an seine fast zehn Millionen Follower auf Truth Social rausbläst und die Medien sie an die 77 Millionen Menschen weitergeben, die ihn im November gewählt haben. Trump zielt mit seinen Beleidigungen auf eine Schwachstelle, die Harvard und anderen renommierten Universitäten seit Jahren zu schaffen macht – mangelnde öffentliche Sympathie.Das Vertrauen in die US-Hochschulen sank in den vergangenen zehn Jahren stetig. Gallup-Umfragen zufolge hatten 2015 noch 57 Prozent Vertrauen in sie, 2024 waren es noch 36 Prozent. Es ist vermutlich kein Zufall, dass im gleichen Zeitraum die Kosten für die private Hochschulausbildung astronomisch gestiegen sind. Im kommenden akademischen Jahr werden Harvard-Studenten fast 90.000 Dollar pro Jahr für Studiengebühren und Lebenshaltungskosten zahlen.So viel Zeit hat man in einem Ultimate-Fighting-Championship-Ring nichtDiese Entwicklung hat dazu geführt, dass die Spitzenuniversitäten für extrem wohlhabende Studierende zugänglich sind und paradoxerweise auch für Studierende mit geringerem Einkommen, die ein Vollstipendium erhalten können. Außen vor bleibt die breite Mittelschicht.Danielle Allen zufolge ist diese zunehmende Krise seit einem Vierteljahrhundert bekannt, eine Lösung dennoch schwer zu finden. „Wir haben versucht, das Problem durch finanzielle Beihilfen zu lösen, aber das entsprach nicht den Bedürfnissen der Mittelschicht“, sagt sie und fügt hinzu, dass es an der Zeit sei, neue Wege zu beschreiten. Als ersten Schritt schlägt sie drei- statt vierjährige Studiengänge vor.Harvard ahnte wohl, was auf sie zukam. Zwei Monate nach Trumps Amtsantritt kündigte die Universität an, dass Studierende, deren Familien 200.000 Dollar oder weniger verdienen, keine Studiengebühren mehr bezahlen müssen, während Studierende, deren Familien weniger als 100.000 Dollar verdienen, auch nicht für die Lebenshaltungskosten aufkommen müssen. Es ist ein erster guter Schritt, aber diese strukturellen Probleme sind tiefgreifend und es braucht Zeit, um sie vollständig zu beheben – Zeit aber ist das Einzige, was man in einem Ultimate-Fighting-Championship-Ring nicht hat.Trump und seine Gefolgsleute besuchten selbst EliteunisTrump wird weiter darauf zielen, Harvard als woke, liberale Blase zu diffamieren, ungeachtet dessen, dass Trump und seine Gefolgsleute alle Nutznießer genau der Eliteausbildung sind, die sie jetzt als liberale Elfenbeintürme verhöhnen: Trump an der University of Pennsylvania, sein Vizepräsident J.D. Vance in Yale, Stephen Miller im „Harvard des Südens“, der Duke University.Für Enos geht es darum, Trump an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen: „Wenn Autoritäre die freie Meinungsäußerung an einer Universität angreifen, greifen sie genau das System an, das die Grundlage der Freiheit in den Vereinigten Staaten bildet. Das ist etwas, das alle Amerikaner, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, ablehnen sollten.“Harvard vs. TrumpAm 21. April reichte die Harvard University Klage gegen die Trump-Regierung ein, die 2,3 Milliarden Dollar an Bundesmitteln eingefroren hatte, nachdem die Universität sich einem umfangreichen Forderungskatalog der Regierung widersetzt hatte. Dieser sah unter anderem Mitsprache bei der Aufnahme von Studierenden und bei der Besetzung von Lehrstellen vor. Ungeachtet dessen legte Trump Ende vergangener Woche mit einer Reihe von Dekreten nach, in denen es unter anderem erneut um die Hochschul-Finanzierung – Gelder aus dem Ausland müssen offengelegt werden – und das Akkreditierungssystem – keine Aufnahme von Studierenden nach „woken“ Kriterien – geht. Die erste Anhörung in Harvards Verfahren gegen die Trump-Regierung war für den 28. April angesetzt. Geleitet wird das Verfahren von der 2014 von Barack Obama ernannten Bundesrichterin Allison Burroughs.



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Von Veritatis

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