Von Rüdiger Rauls

Die Höhe der amerikanischen Zölle entbehrt jeder Vernunft. Wie soll Trump davon wieder herunterkommen, ohne ein Scheitern eingestehen zu müssen? China kann es sich leisten, diesen Krieg bis zum Ende zu führen. Aber geht es den USA nur um Zölle oder auch um mehr?

Zölle und Dollar

Trump und seine Anhänger haben einen großen Nachteil: Sie glauben dem eigenen Weltbild, das sie vertreiben, und auf das sie sich bei ihren Entscheidungen stützen. Ob tatsächlich die meisten Länder der Welt bei Trump anrufen und Schlange stehen, um ihm den „Hintern zu küssen“, wie er behauptete, kann bezweifelt werden. Bisher hat er es nicht belegen können, jedenfalls wurde noch nichts von abgeschlossenen Deals bekannt. Im Gegenteil musste Trump immer wieder auf Druck der Finanzmärkte und der amerikanischen Unternehmen Abstriche von seinen Zöllen machen.

Der Zollkrieg der USA wird nach Rezepten aus dem 19. Jahrhundert geführt

All das aber scheint wenig Einfluss zu haben auf seine Einstellung zur Wirklichkeit und sein aufgeblasenes Auftreten. Dass er sich häufig irrt, scheint bei ihm selbst nicht anzukommen. Es stellt sich die Frage, wie lange sein Umfeld noch zu ihm halten wird, angesichts seiner Sprunghaftigkeit? Die ersten hundert Tage seiner Präsidentschaft sind bald vorbei, und die Stimmung im Land hat sich nicht zu seinen Gunsten verändert. Dass er die woken Missionare in die Schranken gewiesen und publikumswirksam Abschiebungen durchgeführt hat, hat ihm viel Sympathie in der Bevölkerung eingebracht. Das hat ihn jedoch nur in seinem Wahn bestärkt, der Retter Amerikas zu sein.

Dieser Bonus dürfte inzwischen aufgebraucht sein. Die Amerikaner scheinen sich mittlerweile weniger Sorgen um die woken Moralisten im Lande zu machen als zunehmend um ihren Lebensstandard, ihre Rücklagen und Alterssicherung. Denn diese hängen stark von den Entwicklungen an den Börsen ab, und dort steht es für die USA nicht zum Besten. So ist es auch kein Wunder, dass das Verbrauchervertrauen so schlecht ist wie seit fünfzig Jahren nicht mehr. Die Menschen halten das Geld zusammen, was sich auf den Konsum und die Umsätze der Unternehmen auswirkt.

Nicht nur die Zölle haben Einfluss auf die Preise der importierten Waren. Hinzu kommt, dass der Dollar fällt. Die internationalen Investoren stehen bei amerikanischen Anleihen eher auf der Verkäuferseite, als sich neu in ihnen zu engagieren. Ein niedriger Dollar würde zwar einer amerikanischen Exportwirtschaft nutzen, aber die USA sind keine Exportnation wie Deutschland, Japan oder gar China. Sie importieren mehr als jedes andere Land der Welt – hauptsächlich aus China.

Und weil der Dollar fällt, müssen für importierte Waren mehr Dollar hingelegt werden – zusätzlich zu den Zöllen.

Wer braucht wen?

Nun aber hat Trump die Chinesen durch sein irrationales Verhalten dermaßen auf die Palme gebracht, dass auch sie die ohnehin schon geringen Importe amerikanischer Waren durch Zollaufschläge so verteuert haben, dass sie in der Volksrepublik inzwischen unverkäuflich geworden sind. China hat Alternativen zu den amerikanischen Agrarprodukten und Energieträgern. Es kauft mehr Sojabohnen in Brasilien und mehr Gas und Öl in Russland. Wo aber will Trump die seltenen Erden Chinas für die amerikanische Industrie herbekommen? An wen will er das amerikanische Flüssiggas verkaufen, das die Chinesen nicht mehr abnehmen? Das wird vermutlich nur unter Abschlägen gehen.

Zollkrieg: China schickt Boeing-Flugzeuge in die USA zurück

Die bei Boeing bestellten Flugzeuge hat China wieder in die USA zurückgeschickt. Vielleicht spekuliert man darauf, durch einen eventuellen Kauf von Airbus-Flugzeugen den Europäern entgegenzukommen. Außerdem hat die chinesische Flugzeugproduktion einen Stand erreicht, dass sie mittlerweile das in China entwickelte Mittelstreckenflugzeug C909 in die südostasiatischen Staaten exportieren kann. Alles das sehen Trump und seine Berater nicht oder sie wollen es nicht sehen.

Stattdessen behauptet er, dass China einen Deal machen will und man miteinander verhandelt: „Ja! Natürlich. Und jeden Tag, jeden Tag“ (FAZ). Das aber haben die Chinesen umgehend als Falschinformation zurückgewiesen. Ist es Dummheit oder glaubt Trump etwa tatsächlich, was er an Lügen in die Welt setzt? Er muss doch damit rechnen, dass die Chinesen diese Behauptungen bestreiten. Mit seinem Dementi lässt China den amerikanischen Präsidenten voll auflaufen, statt ihm diplomatisch aus der Patsche zu helfen.

Aber wen will Trump damit übertölpeln? Die Weltöffentlichkeit? Glaubt er, mit solchen Lügen China unter Druck setzen zu können? Vielleicht weiß er sich aber auch nicht mehr anders zu helfen, als die Öffentlichkeit zu täuschen. In seinem Umfeld scheint man zu erkennen, dass die Zölle keinen Erfolg bringen. Finanzminister Scott Bessent hat bereits in einem nicht öffentlichen Treffen mit Investoren die Zölle als nicht nachhaltig bezeichnet: „Es wird eine Deeskalation geben“ (FAZ).

Versucht Trump mit der Verbreitung von Fake News Zeit zu gewinnen, um nicht als Verlierer und Maulheld vor der Öffentlichkeit dazustehen? Oder erwartet er, dass China ein Einsehen hat und ihm aus der Patsche helfen wird. China ist bereit zu verhandeln, das hat es immer wieder betont. Aber, auch wenn es das nicht so offen sagt, so zeigt sich immer deutlicher, dass China die Bedingungen bestimmt, nicht die USA. Der Wind hat sich gedreht. War Trump vor kurzem noch fest davon überzeugt, dass er auf die Chinesen nicht angewiesen ist, so zeigt sich immer deutlicher, dass ohne sie in den USA vieles nicht mehr geht.

Starrsinn statt Veränderung

All das jedoch wollen Trump und seine Vordenker nicht wahrhaben. Stattdessen halten sie an ihren Vorstellungen von Zöllen zur Senkung der amerikanischen Defizite fest. Alle Erfahrungen, auf die Trump jedoch nichts gibt, und alle Zahlen, die er ebenso zu ignorieren scheint, sprechen dafür, dass dieses Konzept nicht aufgeht. So hat gerade erst der Internationale Währungsfonds die Prognosen für die USA um fast ein Prozent des BIP gesenkt. Das „entspricht einem Verlust von rund 200 Milliarden Dollar, wovon etwa die Hälfte eine direkte Folge der Zölle ist“(FAZ). Jedoch scheint es bei den Trump’schen Rundumschlägen um mehr zu gehen als nur Zölle und Wirtschaft.

China wirft USA vor, Öffentlichkeit über Handelsgespräche getäuscht zu haben

Die EU hat den USA eine Freihandelszone angeboten, in der keine Zölle erhoben werden sollen. Das sei aber nicht genug, so Trump, doch was er nun wirklich will, hat er auch nicht erklärt. Ähnlich ist es mit Israel und Vietnam. Auch sie haben angeboten, ihre Zölle auf null zu setzen. Bisher jedoch hat der amerikanische Präsident sich nicht dazu geäußert, ob auch diese Angebote ihm nicht genug sind. Aber was will er stattdessen? Geht es ihm um einen Rachefeldzug für all die Benachteiligungen, die er für die USA vonseiten anderer Staaten in den vergangenen Jahrzehnten zu erkennen glaubt?

Vielleicht ahnt er aber, dass Freihandelsabkommen ohne gegenseitige Zölle die Probleme der USA nicht lösen, sondern, angesichts der mangelnden Konkurrenzfähigkeit amerikanischer Produkte, eher vergrößern werden. Sieht er die Bedrohung, die vom Aufstieg Chinas und auch von Ländern wie Vietnam für die amerikanische Vorherrschaft und besonders für das amerikanische Selbstverständnis ausgeht? Noch am 15. April dieses Jahres zitierte die amerikanische Regierungssprecherin Karoline Leavitt ihren Präsidenten: „Der Ball liegt bei China. China muss ein Abkommen mit uns schließen. Wir müssen keinen Deal mit denen machen“. Denn China sei ein Land wie all die anderen auch, nur größer.

In Verkennung der Verhältnisse warteten die USA darauf, dass Peking den Ball zurückspielt. Währenddessen hat der chinesische Präsident die Zeit genutzt und die südostasiatischen Staaten Vietnam, Kambodscha und Malaysia besucht. Er kam mit Dutzenden neuer Handelsvereinbarungen zurück. Sie dienten nicht nur der chinesischen Exportwirtschaft, sondern auch der Entwicklung der Infrastruktur dieser Länder. Bei seinem Aufenthalt in Malaysia fordert Xi Jinping chinesische Unternehmen auf, in das Land zu investieren, „Trump fordert die Rückkehr der Produktion in die USA, Xi bringt Geld“. (FAZ).

Vielleicht ist Trump nicht in der Lage, die Tragweite der chinesischen Politik zu erkennen. Er sieht darin nur eine weitere Verschwörung zulasten der USA: „China und Vietnam versuchten herauszufinden, wie sie die Vereinigten Staaten von Amerika übers Ohr hauen könnten“. Die USA sehen sich immer noch als das Zentrum der Welt, um das sich einerseits alles dreht. Andererseits fühlen sie sich bedroht von dieser Welt, die nach weitverbreitetem amerikanischem Bewusstsein alles daran setzt, den USA zu schaden, weil alle anderen das Land wegen seines Wohlstands beneiden und weil es außergewöhnlich ist.

Halt die Welt an!

Dass die Welt anders ist, als die Herren Amerikaner sich das vorstellen, passt nicht zu ihrem Glauben an den amerikanischen Exzeptionalismus. Den hatte Trump schon in seiner Antrittsrede betont: „Amerika wird seinen rechtmäßigen Platz als größte, mächtigste und angesehenste Nation der Erde zurückerobern … [und] wie keine andere sein, voller Mitgefühl, Mut und Exzeptionalismus“ (FAZ).

China reduziert Rohstoffimporte aus den USA und spricht Warnung an andere Länder aus

Das ist die amerikanische Version des „Deutschland, Deutschland über alles“. Beide Sichtweisen sind Ausdruck eines mehr oder weniger offenen Herrenmenschendenkens, das sich immer noch bei vielen im gesamten politischen Westen zeigt. Bei den einen äußerte es sich als Vorstellung der eigenen rassischen, bei den anderen in seiner moderneren Form der moralischen Überlegenheit, nur dass sich besonders die letzteren dieses Herrenmenschendenkens nicht bewusst sind. Denn sie glauben ja, für das Gute und moralisch Richtige einzutreten. Die Grundlagen dieses Denkens sind dieselben, unterschiedlich ist nur die Vorstellung über die Rechte, die man glaubt, daraus ableiten zu können.

Diese Haltung gipfelte in der Vorstellung des Faschismus, dass es der weißen Herrenrasse von der Vorsehung her zustehe, über das Lebensrecht anderer Völker zu entscheiden, die sie als rassisch minderwertig ansahen. Ausgangspunkt dieses Denkens ist die Ansicht der früheren Kolonialmächte, allen anderen Völkern überlegen zu sein. Das leiteten sie ab, aus dem höheren Entwicklungsstand der eigenen Wirtschaft und den damit verbundenen Fähigkeiten. Sie schrieben diesen Unterschied dem äußerlich Offensichtlichen zu, der Rasse und Hautfarbe, denn sie waren das allen Europäern gemeinsame Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Bewohnern der Kolonien.

Sie sahen den technisch-wirtschaftlichen Vorsprung als Ausdruck der Überlegenheit der eigenen, der weißen Rasse, was sich seit den Zeiten der Kolonialherrschaft bestätigt zu haben schien. Nun aber zerstört gerade eine ehemalige Kolonie, China, in nahezu allen Bereichen diesen Größenwahn der ehemaligen Kolonialherren und des damit verbundenen politischen Westens. Gleichzeitig zerstören mit Russland auch noch die ehemaligen slawischen Untermenschen den ehemaligen Herrenmenschen den Glauben an ihre militärische Überlegenheit.

Aus all dem finden Trump und die Herren der alten Welt keinen Ausweg mehr, erst recht keinen gemeinsamen als politischer Westen, als westliche Wertegemeinschaft. Ihre Lage, besonders die wirtschaftliche der USA, ist mittlerweile so schwierig geworden, dass sie untereinander ein Hauen und Stechen vollführen um den eigenen Vorteil. Das hatte auch unter Biden schon stattgefunden, weniger offensichtlich auf dem Feld der Wirtschaft, verdeckt durch die gemeinsame Feindschaft gegenüber Russland. Aber selbst diese Solidarität der Demokraten scheint sich Amerika angesichts seiner Schulden und Defizite nicht mehr leisten zu können.

Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den BlogPolitische Analyse.

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