In diesem aufschlussreichen Interview analysiert der renommierte geopolitische Journalist Pepe Escobar die verfehlte Wirtschaftspolitik von Donald Trump gegenüber China – mit besonderem Fokus auf die Zollpolitik, die Rolle von BRICS und Chinas wachsender strategischer Stärke. Basierend auf Eindrücken aus seiner aktuellen Reise nach Shanghai entlarvt Escobar die westlichen Missverständnisse über China, schildert, wie Trump in chinesischen Medien verspottet wird, und erklärt, warum der „Zoll-Krieg“ letztlich zu einem symbolischen und realen Desaster für Washington wurde.
Moderator (Danny Haiphong):
Lassen Sie uns über Donald Trumps sehr planlosen Wirtschaftskrieg gegen China sprechen, der nun offenbar bereits in einer Niederlage geendet hat.
Ich habe mir ein Interview aus dem Time Magazine über Trumps erste 100 Tage herausgesucht. Ich scrolle mal runter zu dem Abschnitt, in dem es um China geht.
Natürlich fragt er sich, wann Xi Jinping ihn wohl endlich anruft. Also fragt der Reporter:
„Werden Sie Präsident Xi anrufen, wenn er Sie nicht anruft?“
Trump sagt: „Nein, werde ich nicht.“
„Hat er Sie schon angerufen?“
„Ja.“
„Wann hat er angerufen?“
„Er hat angerufen, und ich denke nicht, dass das ein Zeichen von Schwäche seinerseits ist. Aber würden Sie es als Schwäche sehen, wenn Sie ihn anrufen und keine Antwort bekommen?“
Keine wirkliche Antwort.
Dann sagt Trump:
„Wenn Leute Deals machen wollen – und das wollen wir ja alle – ich bin wie ein riesiges Geschäft. Ein großes, schönes Geschäft, und jeder will hier einkaufen. Im Namen des amerikanischen Volkes gehört mir dieses Geschäft. Ich bestimme die Preise. Und ich sage: Wenn ihr hier einkaufen wollt, dann kostet es eben diesen Preis.“
Dann fragen sie ihn zu seinem Finanzminister Scott Bessent, der gesagt hatte, der Handelskrieg sei auf Dauer nicht tragbar. Trump antwortet:
„Oh, ich stimme zu – meinen Sie so, wie es jetzt läuft?“
Und dann präzisiert er:
„Nein, das ist nicht nachhaltig. Sie werden keine Geschäfte mehr hier machen. Ich habe 145 % Zölle erhoben. Es wird sehr selten werden, hier noch Geschäfte zu sehen.“
Moderator:
Was ist Ihre Reaktion auf diese tatsächlich demütigende Niederlage der Trump-Regierung in ihrem Wirtschaftskrieg? Und was haben Sie auf Ihrer Reise nach China über BRICS erfahren? Gibt es etwas, das Sie zu diesem Wirtschaftskrieg mitteilen möchten?
Pepe Escobar:
Wenn man irgendwo in der Welt – in der globalen Mehrheit – jemanden fragt: Möchtest du in diesem riesigen US-Geschäft einkaufen? Dann werden 98 % antworten: Wofür? Da gibt es nichts zu kaufen. Und das Wenige, das es dort gibt, stammt sowieso aus China oder Asien.
Aber das ist ja typisch Trump – es geht nicht um Realität. Es geht um eine Reality-Show. Um Narrative. Um sich ständig drehende Erzählungen. Er erinnert sich oft nicht mal daran, was er fünf Minuten zuvor gesagt hat.
Was mich in Shanghai besonders beeindruckt hat – nach drei, vier Tagen: Ich sprach mit vielen Leuten aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Geschäftsleuten, Akademikern, mit den Leuten von Guancha – der besten Plattform für Nachrichten und Analyse in China – mit Menschen auf der Straße, in alten Wohnblöcken aus der Mao-Ära, organisiert von der Kommunistischen Partei, mit der Parteimitgliedsfrau an der Eingangstür, die alles verwaltet. Alle waren neugierig, offen, wollten mit Ausländern sprechen – vor allem, weil Shanghai durch COVID und dann durch Omikron lange isoliert war.
Die Leute dort sehen Trump als eine Art Zirkusdirektor. Sie sagen das nicht wörtlich – aber das ist ihre Haltung. Und in den sozialen Medien wird er pausenlos verspottet – nicht nur auf Weibo oder TikTok, sondern auf unzähligen Plattformen, die ich vorher nicht kannte. Er wird als „Zoll-Kaiser“ dargestellt, als Clown, als Zirkusfigur.
Und wenn man sich dann mit Akademikern unterhält, etwa mit Professoren von Tsinghua, Renmin oder Fudan, deren Arbeiten häufig auf Guancha erscheinen – dann wird es richtig analytisch. Sie wissen ganz genau, was in Washington passiert, wer da die Fäden zieht. In meiner letzten Kolumne habe ich ein brillantes Essay verlinkt, das ursprünglich in Cultural Horizon erschienen ist – einem der einflussreichsten Kulturmagazine Chinas.
Dort wird die neue Machtstruktur um Trump 2.0 analysiert: Trump versucht ein neues Super-Establishment zu schaffen – losgelöst vom alten Establishment an der Ostküste, losgelöst von den alten Geldfamilien Manhattans. Stattdessen richtet er sich nach Silicon Valley – mit Figuren wie Elon Musk, aber vor allem dem brandgefährlichen Peter Thiel. Und um Thiel gruppiert sich die neue Rechte – mit Figuren wie JD Vance, der im Grunde ein Geschöpf Thiels ist.
Die Chinesen durchschauen das genau. Ich bekomme beruflich unzählige Mails von US-Thinktanks – und ganz ehrlich: Diese Leute haben keine Ahnung, wie die Chinesen Washington analysieren. Die sogenannten China-Experten in diesen Denkfabriken verstehen nichts vom Politbüro, nichts davon, wie Xi Jinping Entscheidungen trifft, nichts von Konzepten wie dem „Chinesischen Traum“, der „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ oder der „Wiederbelebung Chinas“. Sie können den politischen und kulturellen Code Chinas nicht entschlüsseln.
Ich habe zum Beispiel in Hongkong ein Buch gekauft – in China ist es verboten. Oxford University Press, geschrieben von zwei angeblichen China-Experten. Beide sind natürlich Rhodes-Stipendiaten, also MI6-nah, mit Hintergrund an der School of Oriental and African Studies – also einem bekannten britischen Geheimdienstvehikel. Sie sprechen Chinesisch, schreiben auf Chinesisch – aber sie begreifen Xi nicht. Ihre Analyse: Er wolle ein totalitäres Regime errichten, wichtiger als Mao werden – so ein Unsinn wird in westlichen Medien als seriöse Analyse verkauft.
Die Chinesen dagegen unterschätzen Amerika nicht. Sie versuchen, das System zu verstehen. Das ist intellektuell redlich. Sie sagen: So funktioniert unser Gegner. Und das ist seine Agenda.
Ich sprach etwa mit Professor Zhang Wei, den du kennst, Danny. Ein großartiger Wissenschaftler, der den Westen gut kennt. Er entwickelte das Konzept des „Zivilisationsstaats“ und verknüpfte es mit Xis Denken. Höchst raffiniert. Völlig außerhalb des Verständnisses westlicher Thinktanks.
Wenn man diese kulturellen Analysen mit der ökonomischen Kompetenz chinesischer Wirtschaftsexperten kombiniert, erkennt man: Die wissen genau, was sie tun.
Es gibt einen breiten Konsens in China, auch auf Regierungsebene – sowohl im Außen- als auch im Handelsministerium –, dass es keinerlei Gespräche mit Trump gibt. Vor wenigen Tagen erklärte das Handelsministerium, dass Trumps Behauptungen über angebliche Gespräche schlicht „nicht wahr“ seien. Natürlich formuliert man das in China höflich. Aber faktisch heißt das: Trump verbreitet Fake News.
Noch schärfer war die Reaktion zwei Wochen zuvor: Da wurde Trump offiziell als „zölleschwingender Barbar“ bezeichnet. Das ging viral. Und in den sozialen Netzwerken wurde er – wie so oft – mit viel Humor verspottet. Er wird fast schon liebevoll verspottet – als so verrückte Figur, dass man ihn schon wieder sympathisch findet.
Doch was wirklich frappierend war: Früher war Chinas Außenpolitik höflich, zurückhaltend, reaktiv. Heute ist sie offensiv. Trump hat es geschafft, 1,44 Milliarden Chinesen gleichzeitig zu brüskieren. Das kann man nicht rückgängig machen.
Denn wer China kennt, weiß: Du kannst mit ihnen alles machen – aber du darfst sie niemals respektlos behandeln. Die Zölle wurden als maximale Respektlosigkeit empfunden. Vom Taxifahrer bis zum Politbüro.
Xi Jinping war kürzlich in Südostasien unterwegs: Malaysia, Vietnam, Kambodscha. Kambodscha ist wirtschaftlich stark von China abhängig. Vietnam laviert. Malaysia unter Premier Anwar ist neutral – aber klar: „Wir müssen als Gruppe gegen diese Zölle kämpfen.“ Und China denkt genauso.
China ist der größte Handelspartner aller zehn ASEAN-Staaten. Sie werden gemeinsam gegen die Zölle auftreten. Und auch unabhängigere Länder wie Vietnam werden in diesem Punkt mitziehen.
Trump braucht also gar nicht auf einen Anruf aus China zu warten. Es wird keinen geben. Er hat das Ganze wie eine mafiöse Erpressung aufgezogen: „Entweder ihr zahlt meine Zölle – oder ihr seid raus.“
So funktioniert kein Dialog.
In Shanghai war es beeindruckend zu sehen, wie die Bevölkerung reagiert – mit einem neuen Nationalstolz. Nie wieder ein Jahrhundert der Demütigung – das ist heute ein kollektives Bewusstsein. Und diese Zölle – sie gelten als Versuch, China zu demütigen. Das wird nicht vergessen.
Gleichzeitig begreift sich China heute als Teil einer „Vereinigten Front“. Als ich diesen Begriff hörte, dachte ich sofort: Mao. Der sprach schon in den 50ern und 60ern davon.
Und dann tauchte ein weiterer maoistischer Begriff auf: „Papiertiger“. Schon Mao bezeichnete das amerikanische Imperium als „Papiertiger“. In den 60ern griffen das dann linke Bewegungen weltweit auf. Und jetzt kehrt dieser Begriff zurück: Wenn die USA damals ein Papiertiger waren – was sind sie heute?
Diese maoistischen Bilder werden also neu verwendet – und zeigen, dass China seit Jahrzehnten sehr genau beobachtet. Sie wissen, dass das Imperium verzweifelt ist angesichts chinesischer Stärke – gerade in der Hochtechnologie.
Ich habe z. B. das Huawei Mate 70 Pro Plus getestet – wahrscheinlich das beste Smartphone der Welt. Eine Technikerin erklärte mir: „Im Westen ist es schwierig nutzbar – es gibt eine chinesische App, mit der man auch Google installieren kann, aber das ist riskant.“ Das HarmonyOS ist für uns westliche Barbaren also schwer zugänglich.
Aber was Huawei da produziert – Apple wird da vielleicht in zehn Jahren mithalten können. Vielleicht. Neue SUVs mit 4K-Displays wie im Kino. Neue Hochgeschwindigkeitszüge mit 400 km/h zwischen Peking und Shanghai. Thorium-Reaktoren. Neue Passagierflugzeuge. Alles da.
Und all das führt zurück zu einem Gefühl der Ohnmacht im Westen. Die einzige Antwort darauf sind Zölle – weil dem Imperium sonst nichts mehr einfällt.