Die menschliche Geschichte hinter Künstlicher Intelligenz: Eine Reflexion über George Zachardakis’ „In Our Own Image“
Was, wenn Künstliche Intelligenz (KI) nicht nur von Maschinen handelt, sondern von uns selbst – unseren Mythen, Ängsten und unserem Wunsch, Gott zu spielen? In einem fesselnden Gespräch fordert George Zachardakis, Autor von In Our Own Image, gängige Vorstellungen über KI heraus und zeichnet ihre Wurzeln von antiken Erzählungen bis zu modernen Dilemmata nach. Seine Perspektive ist erfrischend: KI ist keine fremde Macht, sondern eine Schöpfung, gewoben aus dem Stoff der menschlichen Geschichte, die unsere Stärken ebenso wie unsere Schwächen widerspiegelt.
KI als Spiegel der Menschheit
Zachardakis argumentiert, dass KI die Fortsetzung eines menschlichen Drangs ist, intelligente Wesen zu erschaffen – eine Idee, die in griechischen Mythen wie Pygmalions Statue, die zum Leben erweckt wird, in biblischen Geschichten oder den kosmischen Überlegungen eines Jesuitenpriesters des 20. Jahrhunderts über einen globalen Geist verwurzelt ist. Diese Erzählungen zeigen eine zeitlose Faszination, Wesen nach unserem Ebenbild zu erschaffen – ein Thema, das dem Buch seinen Titel gibt. „Wir spiegeln uns in der KI wider, und die KI spiegelt uns wider, sowohl in unseren Stärken als auch in unseren Schwächen“, erklärt er.
Diese Reflexion ist nicht nur philosophisch. Die Entwicklung der KI spiegelt unsere gesellschaftliche Evolution wider – von der landwirtschaftlichen Revolution bis zur industriellen Ära. Heute läutet KI eine neue Transformation ein, die uns von mühsamer Arbeit befreien könnte, ähnlich wie es die Mechanisierung vor Jahrhunderten tat. Zachardakis sieht KI als „kognitiven Multiplikator“, der Arbeitswochen verkürzen, Produktivität steigern und wissenschaftliche Durchbrüche fördern kann. Doch diese Verheißung birgt auch Risiken.
Chancen und Gefahren der KI
Auf die Frage, ob wir KI fürchten sollten, antwortet Zachardakis: „Wir sollten die Chancen und Bedrohungen erkennen und diese Technologie so formen, dass sie unserer Zivilisation dient.“ Er betont, dass KI keine Bedrohung sein muss, wenn wir sie kontrollieren. Dennoch warnt er vor der Entwicklung einer „Künstlichen Allgemeinen Intelligenz“ (AGI), die autonom, kompetent und universell ist. Solche Systeme könnten mit uns konkurrieren, anstatt zu kooperieren, was existenzielle Gefahren birgt. „Wenn AGI entsteht, könnte sie unsere Interessen ignorieren“, sagt er und verweist auf Spieltheorie, die zeigt, dass hochintelligente Systeme oft nicht mit weniger intelligenten kooperieren.
Zachardakis hebt hervor, dass KI bereits jetzt unsere Gesellschaft verändert. Sie könnte die Arbeitswelt revolutionieren, indem sie Berufe wie Anwälte oder Bürokräfte verdrängt, während handwerkliche Berufe wie Gärtner oder Klempner zunächst bestehen bleiben. Doch mit dem Aufkommen humanoider Roboter, wie sie von Tesla und anderen entwickelt werden, könnten auch diese Jobs bald automatisiert werden. Diese Entwicklung führt zu einer „Ökonomie der Fülle“, in der KI Probleme wie Energie, Nahrung oder Wohnraum lösen könnte. Doch was bleibt, wenn Arbeit wegfällt? „Die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird sein, Sinn im Leben zu finden“, sagt Zachardakis.
Die spirituelle Dimension
Interessanterweise verweist Zachardakis auf die Notwendigkeit spiritueller oder philosophischer Orientierung, um diese Umwälzung zu bewältigen. Er erwähnt Papst Leo, der die KI-Revolution als unausweichlich akzeptierte, und vergleicht dies mit der Haltung eines Jesuitenpriesters, Pierre Teilhard de Chardin, dessen Vision eines globalen Bewusstseins von der Kirche unterdrückt wurde. „Wenn wir so viel Zeit haben, werden Fragen nach dem Sinn des Lebens uns wieder heimsuchen“, sagt Zachardakis. Ob Religion oder andere Wege – die Suche nach Bedeutung wird zentral sein.
KI und Macht: Eine demokratische Debatte
Ein zentrales Anliegen von Zachardakis ist die Demokratisierung der KI-Entwicklung. „Diese Technologie ist zu wichtig, um sie den Experten oder Reichen zu überlassen“, betont er. Er kritisiert, dass derzeit nur wenige Akteure wie große Tech-Unternehmen die Richtung bestimmen, oft hinter verschlossenen Türen. Open-Source-KI könnte Transparenz schaffen, doch viele Systeme bleiben proprietär, was Macht in den Händen weniger konzentriert. Zachardakis plädiert für Bürgerversammlungen und öffentliche Debatten, um die Gesellschaft einzubeziehen. „Jeder sollte eine Stimme haben – Arbeiter, Angestellte, alle“, sagt er.
Er warnt auch vor politischen Implikationen. Autoritäre Regime wie China nutzen KI, um Gesellschaften zu steuern, während der Westen laut Zachardakis durch offene Debatten und Vielfalt kreativer bleibt. Dennoch sieht er keine Hoffnung, dass KI automatisch Frieden oder Verständnis zwischen Völkern fördert. „Das müssen wir selbst tun“, sagt er.
Das Unheimliche Tal und die menschliche Verbindung
Ein faszinierender Aspekt des Gesprächs ist die Diskussion über das „Unheimliche Tal“ – die Abneigung, die wir empfinden, wenn Roboter zu menschenähnlich werden. Zachardakis sieht darin ein Zeichen unserer wechselseitigen Beziehung zur Technologie: „Wir erschaffen Technologien, und sie verändern uns.“ So wie wir unsere Erinnerungen an Smartphones auslagern, könnten wir bald unser Denken und sogar unsere sozialen Interaktionen an KI delegieren. Er verweist auf den Mythos von Pygmalion, der seine Statue liebte, und sieht Parallelen in der heutigen Einsamkeit, die Menschen dazu bringt, KI als Gefährten zu suchen. „Das ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt er, „denn es könnte die Einsamkeit lindern, aber auch die Frage nach authentischen Beziehungen aufwerfen.“
Ein Aufruf zur Mitgestaltung
Zachardakis’ Botschaft ist klar: KI ist kein Schicksal, das über uns hereinbricht, sondern eine Technologie, die wir aktiv gestalten müssen. Er teilt die Bedenken von Tech-Pionieren wie Elon Musk und Bill Gates, die vor den Risiken einer unkontrollierten AGI warnen. Doch anstatt zu pausieren, fordert er eine breite gesellschaftliche Debatte. „Wir leben in aufregenden Zeiten, vergleichbar mit der industriellen Revolution“, sagt er. „Wir sollten diese Veränderung annehmen, aber demokratisch steuern.“
Sein Buch In Our Own Image ist ein Aufruf, KI nicht nur als technologische, sondern als zutiefst menschliche Herausforderung zu begreifen. Es fordert uns auf, unsere Ängste zu überwinden, unsere Mythen zu hinterfragen und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der KI uns dient – nicht uns beherrscht. Für weitere Einblicke empfiehlt Zachardakis, seine Website zu besuchen und sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen. Die Geschichte, so betont er, endet nie – und unsere Generation hat die Chance, sie mitzugestalten.