Die Versenkung der Lusitania war mehr als eine maritime Tragödie – sie wurde zum Symbol für die Macht von Propaganda und die Zerbrechlichkeit internationaler Beziehungen. Mit 1.198 Todesopfern, darunter 128 Amerikaner, löste der Angriff eines deutschen U-Boots eine Welle der Empörung aus, die die USA näher an den Ersten Weltkrieg brachte.
Doch jenseits der politischen Folgen prägte die Katastrophe die Kultur: Von britischen Rekrutierungspostern mit dem Aufruf „Rächt die Lusitania“ bis zu modernen Debatten über Kriegsethik und Medienmanipulation bleibt die Geschichte des Passagierdampfers ein Mahnmal. Ihre Spuren finden sich bis heute in Literatur, Film und Kunst.
Die Lusitania und der drohende Krieg
„Das amerikanische Volk kann sich das Schauspiel von 100.000 deutscher Kinder, die infolge der britischen Blockade den langsamen Hungertod sterben, nicht vorstellen, aber es sieht sehr deutlich das mitleiderregende Gesicht eines kleinen Kindes vor sich, das im Wrack eines von Deutschen torpedierten Schiffes ertrinkt.“ Mit diesen Worten machte am 20. April 1915 Bernhard Dernburg von der Gesellschaft der Deutschen in New York darauf aufmerksam, welche psychologischen Wirkungen es haben könnte, wenn die neuartige deutsche U-Boot-Waffe ein Passagierschiff versenken würde.
Voller Sorge sprach er aus, dass vielleicht auch amerikanische Passagiere betroffen wären und damit ein Konfliktfall oder sogar der Kriegsfall zwischen Deutschland und den USA eintreten könnte. Ein solcher Fall dürfte, so Dernburg, unter keinen Umständen eintreten. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen dürften trotz des Krieges in Europa zwischen Österreich-Ungarn, Deutschland, Russland, Frankreich und Großbritannien keinen Schaden erleiden.
Die deutschen U-Boote waren über den Umbau des Passagierschiffs informiert und kannten die Meldung des deutschen Militärattachés in den USA, Hauptmann Franz von Papen, dem späteren Reichskanzler, dass der zum Hilfskreuzer umgebaute englische Passagierdampfer Lusitania am 1. Mai 1915 aus dem New Yorker Hafen seine Heimreise antreten werde. Es galt, die amerikanische Öffentlichkeit davor zu warnen, an Bord des englischen Schiffes zu gehen, denn seine militärische Bedeutung war nicht öffentlich bekannt. Was könne man aber tun, um die drohende Gefahr abzuwenden, fragte Georg Viereck, der Vorsitzende der Gesellschaft der Deutschen und Herausgeber der Zeitung „The Fatherland“. Doch die Warnung der Zeitung kam zu spät.

Stereoskopisches Bild von der RMS Lusitania im Hafen von New York, New York City, 1908.
Foto: Graphic House/Archive Photos/Getty Images
Die Lusitania lief fahrplanmäßig aus. An Bord waren über 1.959 Passagiere, allerdings auch ein Freiwilligenregiment der 6th Rifles von Winnipeg aus der kanadischen Provinz Manitoba. Sie hatte auch 3.863 Kartons Käse, 696 Fass Butter und 329 Kisten Schmalz gebunkert, was in den offiziellen Frachtpapieren vermerkt war, doch die brisante Ware wurde verschwiegen: 1.248 Kisten mit 7,5-Zentimeter-Schrapnellgranaten, 2.000 Kisten Handfeuerwaffenmunition der amerikanischen Firma Remington, 4.927 Kartons Patronen à 1.000 Schuss und 323 Ballen Schießbaumwolle. Alles Material, sogenannte Konterbande, die nach der Haager Konvention von 1909 auf einem Passagierschiff nicht transportiert werden durfte.
Der britischen Admiralität war der Zeitpunkt des Auslaufens des Schiffes seiner Majestät bekannt. Sie ordnete wie üblich Geleitschutz durch den britischen Kreuzer „Juno“ an. Sollten beide Schiffe ihren Kurs beibehalten, war aufgrund der britischen Funkortung von deutschen U-Booten klar, dass sie die Fahrtroute deutscher U-Boote passieren würden. Zudem war bekannt, dass die Deutschen als Reaktion auf die völkerrechtswidrige Hungerblockade der britischen Marine in der Nordsee am 1. Februar 1915 ihrerseits ohne international rechtliche Grundlage die Gewässer rings um Großbritannien und Irland einschließlich des Englischen Kanals zum Kriegsgebiet erklärten, wo künftig gegebenenfalls angetroffene Handelsschiffe ohne Vorwarnung angegriffen und versenkt werden würden.
Churchills riskantes Spiel: Lockte die Lusitania die USA in den Krieg?
Winston Churchill, der Erste Lord der britischen Admiralität und der verantwortliche Erste Admiral, Lord John Fisher, wurden über die bevorstehende Begegnung informiert. Doch entgegen der Erwartung, eine Kursänderung anzuordnen und den drohenden Konflikt zu vermeiden, verfügte Churchill den Abzug der „Juno“. Der Grund blieb schleierhaft.
Sollte bewusst in Kauf genommen werden, dass der englische Passagierdampfer mit amerikanischen Staatsbürgern an Bord von einem deutschen U-Boot versenkt würde, um damit die USA auf die Seite Großbritanniens in den Krieg zu ziehen? So jedenfalls die Anklage, die der englische Sunday Times-Journalist Colin Simpson 1972 in seinem Buch „The Lusitania“ erhob. Simpson gab Churchill und Fisher die Verantwortung für die Versenkung der Lusitania, da sie für das geheime Munitionsschiff den Geleitzug abzogen. Schon früher hätte Churchill von live bait gesprochen, von Lebendködern. Überdies sei die britische Marine nicht haftbar zu machen, so Churchill, wenn deutsche U-Boote durch ihre Kriegshandlungen auch amerikanische Staatsbürger bedrohten.
Bereits am 19. Februar 1913 hatte Churchill erklärt, dass bald mit einem Krieg gegen Deutschland zu rechnen sei und deshalb die 1903 für die Schifffahrtslinie Cunard gebaute Lusitania zusammen mit anderen Schiffen zu Hilfskreuzern umgebaut wurde. Im Sommer 1913 wurde neben anderen Passagierschiffen auch die Lusitania im Trockendock in Liverpool mit Munitionsmagazinen, Aufzügen und Geschützsockeln versehen. Wie effektiv die Umrüstung der britischen Passagierflotte geschah, zeigte sich schon am 14. August 1914, zwei Wochen nach Kriegsausbruch, als das britische „Passagierschiff“ „Carmania“ auf der Höhe vor Brasilien das deutsche Passagierschiff „Kap Trafalgar“ mit seinen acht 12-Zentimeter-Geschützen beschoss und versenkte.
Das Faktum, dass die Lusitania in dieser Funktion eingesetzt wurde, bestätigte nicht zuletzt der irische Historiker Patrick O’Sullivan, der 1998 in einer detaillierten Studie („Die Lusitania – Mythos und Wirklichkeit“) den eindeutigen Nachweis erbrachte, dass Munition befördert wurde. Und bereits Jahrzehnte zuvor hatte das New Yorker Appellationsgericht Ende Januar 1923 in einer Gerichtsentscheidung festgestellt, dass die Lusitania Munition an Bord gehabt hatte und die Versenkung deshalb nicht als „Seeräuberverbrechen“, sondern als regelrechte Kriegshandlung angesehen werden muss.
Ungeschützt tauchte am Vormittag des 7. Mai der englische Passagierdampfer am Horizont auf, 20 Meilen (circa 32 Kilometer) südlich von Queenstown in Irland. Die vier großen Schornsteine wurden bald von U 20 gesichtet und der Ozeanriese um 13:20 Uhr als solcher ausgemacht, was durch einen Blick in die Identifizierungsbücher „Janes Fighting Ships“ und „The Naval Annual“ möglich war. U-Boot-Kapitän Schwieger war bekannt, dass die Lusitania zum Hilfskreuzer umgebaut war, welcher auch als Truppentransporter diente, ebenso wie das Schwesterschiff „Mauretania“, das zum gleichen Zeitpunkt Churchills Soldaten durch das Mittelmeer schiffte. Dass die Lusitania zudem noch massenhaft Munition transportierte, konnte Schwieger indes nicht wissen.
Um 02:35 Uhr feuerte U 20 aus einer Entfernung von 700 Metern einen Torpedo auf das Passagierschiff und traf es vor der Brücke. Kapitän Schwieger wunderte sich über die große Explosion. Später stellte sich heraus, dass der Torpedo offensichtlich die an Bord gelagerte Munition getroffen hatte. Schnell sank das Schiff und riss 1.198 Menschen in die Tiefe, darunter 128 amerikanische Staatsbürger, teilweise Prominente wie der Millionär Alfred Vanderbilt oder der Industrielle Charles Plamondon.
Eine „verdammt schmutzige Angelegenheit“
Lord John Bigham Mersey, von der britischen Admiralität mit der Untersuchung des Falles bestimmt, führte nur widerwillig seinen Auftrag aus. Ihm kamen schon während der Verhandlung Zweifel an dem „friedlichen“ Passagierschiff, auch aufgrund der Aussage von Überlebenden, dass nach dem Torpedotreffer offenbar Munition explodiert sei. Er nannte den Fall eine „verdammt schmutzige Angelegenheit“, verzichtete auf sein Honorar und bat, in Zukunft von solchen Untersuchungen verschont zu bleiben. Admiral Fisher fühlte sich ebenfalls nicht wohl in seiner Haut und trat bald nach dem 7. Mai 1915 zurück. Ein Jahr später schrieb er seinem deutschen Gegner, Großadmiral Tirpitz: „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, an Ihrer Stelle hätte ich genauso gehandelt.“
In der britischen Öffentlichkeit wurde dagegen die Versenkung des umgebauten Passagierdampfers unter dem Ruf „Rächt die Lusitania“ Anlass für die Anwerbung von Truppen: „Irishmen avenge the Lusitania. Join an Irish Regiment today.“ Der deutsche Botschafter in den USA, Graf Johann Heinrich Bernstorff, entschuldigte sich bei der US-Regierung, lehnte aber die Feststellung ab, dass die Versenkung nicht mit Kriegsrechtsbestimmungen überein gestanden habe. Die US-Regierung sah deshalb auch von einer Kriegserklärung an Deutschland ab.
Allerdings nutzten einige US-Medien die Versenkung der Lusitania für eine antideutsche Propaganda, die einen Stimmungsumschwung der bis dahin strikt auf Neutralität Wert legenden US-Öffentlichkeit beförderte, der dann im April 1917 nach dem intensivierten U-Boot-Krieg in den britischen Gewässern auch gegen die aus den USA kommende Versorgung des Inselreiches in der Kriegserklärung der USA an das Deutsche Reich mündete. Seltsamerweise wurde fast gleichzeitig Österreich-Ungarn, das in den Seekrieg keineswegs involviert war, ebenfalls der Krieg erklärt.
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