Wo man Shooter erwartet, rechnete man Satellitendaten: Die PS3-Konsolen der US Air Force standen nicht in einem Gaming-Zimmer, sondern in einem Hochsicherheitsrechenzentrum.

von Lothar Renz

Klingt absurd? Willkommen im Jahr 2010, als die US Air Force ernsthaft 1.760 PlayStation 3-Konsolen zusammenschaltete, um einen Supercomputer zu bauen. Kein Scherz – ausgerechnet die Konsole, auf der einst Millionen Menschen „Call of Duty“ spielten, wurde zum Herzstück militärischer Rechenpower.

Von Zockerkiste zum Superrechner

Der sogenannte Condor Cluster entstand am Air Force Research Laboratory (AFRL) in Rome, New York. Ziel war es, einen kosteneffizienten Supercomputer zu bauen – und Sony lieferte mit der PS3 unbeabsichtigt das perfekte Werkzeug. Der integrierte Cell-Prozessor war ursprünglich als Hochleistungs-Chip konzipiert und wurde nun für Aufgaben eingesetzt, bei denen es nicht um virtuelle Abschüsse ging, sondern um nationale Sicherheit.

Warum ausgerechnet die PlayStation 3?

Die Air Force hatte gute Gründe für ihre eher ungewöhnliche Wahl:

Preis-Leistung: Für rund 400 US-Dollar pro Konsole bekam man enorme Rechenleistung – günstiger als vergleichbare Hochleistungsrechner.

Linux-Unterstützung: Die PS3 ließ sich bis 2010 offiziell mit Linux betreiben, was die Integration in komplexe Cluster-Systeme erleichterte.

Cell-Prozessor: Der leistungsstarke Chip war für paralleles Rechnen prädestiniert – perfekt für Bildverarbeitung und Simulationen.

Kein Spielplatz – sondern Hochtechnologie

Der Condor Cluster kam bei Aufgaben wie Satellitenbildanalyse, Radarverbesserung und der Entwicklung künstlicher Intelligenz zum Einsatz. Mit einer Spitzenleistung von 500 TeraFLOPS rangierte er zeitweise unter den Top-40-Supercomputern weltweit. Man könnte sagen: Die Air Force spielte zwar nicht, aber sie nahm die PS3 sehr ernst.

Das Ende durch ein Firmware-Update

Das Projekt hätte noch weiter ausgebaut werden können – doch Sony hatte andere Pläne. Im März 2010 wurde mit einem Firmware-Update die “Other OS”-Funktion gestrichen, wodurch Linux auf neuen Konsolen nicht mehr nutzbar war. Für die Air Force bedeutete das: Ersatzteile und Erweiterungen wurden schwierig, Wartung kompliziert.

Fazit: Eine Geschichte zwischen Nerdtum und Militärstrategie

Der PS3-Cluster der US Air Force bleibt ein kurioses Kapitel der Technikgeschichte. Er zeigt eindrucksvoll, wie kreative Umnutzung von Alltagsgeräten Großes bewirken kann – auch wenn’s nach einer überdimensionalen LAN-Party klingt. Und wer weiß: Vielleicht zockt in 20 Jahren jemand auf einem Toaster, der auch Raketen berechnen kann.



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Von Veritatis

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