Der Linke-Vorsitzende Jan van Aken über die tägliche Konfrontation mit der AfD im Bundestag und das Gedenken zum 8. Mai angesichts des russischen Krieges in der Ukraine: Was „Nie wieder“ heute ganz konkret für die Linke bedeutet


Für ihn beginnt jetzt die Arbeit als linke Opposition gegen die Merz-Regierung: Der Linke Co-Vorsitzende Jan van Aken

Foto: Hanna Wiedemann/laif


der Freitag: Herr van Aken, Nie wieder Faschismus, was bedeutet das für Sie am 8. Mai 2025?

Jan van Aken: Diese Verantwortung kommt gerade für mich nochmal besonders hoch. Ich sitze im Bundestag gegenüber von den ganzen Faschos und daneben die CDU, und man fürchtet, die fangen schon wieder an zu kuscheln. Jeden Tag werde ich daran erinnert, dass wir hier verhindern müssen, dass die in die Nähe der Macht kommen.

Haben Sie auch deshalb einen zweiten Wahlgang für Friedrich Merz ermöglicht, um der CDU zu signalisieren: Bevor ihr euch für die AfD öffnet, arbeitet lieber mit uns?

Nein, Merz bekommt heute sein Nein zu seiner Politik von uns, morgen und an jedem anderen Tag. Doch wir wollten nicht tatenlos zusehen, wie Union und SPD den Bundestag chao

uch für die AfD öffnet, arbeitet lieber mit uns?Nein, Merz bekommt heute sein Nein zu seiner Politik von uns, morgen und an jedem anderen Tag. Doch wir wollten nicht tatenlos zusehen, wie Union und SPD den Bundestag chaotisieren und die AfD ihren politischen Profit daraus schlägt. Verunsicherung, Angst und Chaos sind ihre Geschäftsmodelle. Wir wollten schnell Klarheit und uns war es egal, ob wir am Dienstag oder Mittwoch gegen Merz stimmen.Nun ist der 8. Mai jetzt wieder aktuell, jahrelang war das Gedenken eher auf Ostdeutschland beschränkt, wo an sowjetischen Ehrenmälern gedacht wurde, häufig zusammen mit russischen Vertretern und der Linken. Wie finden Sie es, dass die Botschafter von Russland und Belarus beim offiziellen Gedenken im Bundestag nicht eingeladen wurden, obwohl die Sowjetunion als Teil der Alliierten Deutschland befreite?Wir müssen hier eine zentrale Unterscheidung machen: Nicht Russland, sondern die Sowjetunion hat Deutschland befreit. 27 Millionen Sowjetbürger sind gestorben im Zweiten Weltkrieg. Gerade in Westdeutschland wird das immer wieder ausgeblendet und ist somit vielen nicht bewusst. Unter den Toten waren viele Russen, aber natürlich auch Ukrainerinnen, Georgierinnen und Menschen aus anderen ehemaligen Sowjet-Staaten. Man darf die Sowjetunion nicht mit Russland verwechseln.Also wäre es in Ordnung, georgische und ukrainische Gesandte einzuladen, aber russische Gesandte sind nicht mehr willkommen am 8. Mai?Nein, denn man darf Russland auch nicht mit der russischen Regierung gleichsetzen. Die Veteranen von damals, oder deutsch-russische Freundschaftsgesellschaften, deutsch-postsowjetische Freundschaftsgesellschaften müssen einen Platz im Gedenken haben. Die einzigen, die ich ausschließen würde, sind direkte Vertreter der jetzigen autokratischen Putin-Regierung.Wenn Russland und die russische Gesellschaft heute vermischt werden, ist das eine Folge des Krieges – es entsteht also die Figur „des Feindes“ – oder war das schon immer so in Deutschland?Es war schon immer so in Westdeutschland. Da hieß es stets: „der Russe“. In Westdeutschland sind viele aufgewachsen mit einer allgemeinen Russenangst. Zu Beginn der russischen Aggression, 2022, wurde sehr schnell die russische Opernsängerin ausgeladen – da dachte ich: Wieso kappt ihr diese Kanäle? Man muss unterscheiden zwischen der Bevölkerung, den Menschen – und dieser Regierung.Wenn Sie sagen, es sollten deutsch-russische Freundschaftsgesellschaften eingeladen werden, baut die Linke denn bereits Kontakte auf zur russischen Zivilgesellschaft? Zu russischen Oppositionellen?Ja, die gibt es schon. Am Tag vor dem russischen Angriffskrieg hatten wir eine Friedenskundgebung in Erfurt, da habe ich für die Linke gesprochen, und es hat auch jemand von der deutsch-russischen Freundschaftgesellschaft gesprochen. Ich muss sagen: Ich hatte Befürchtungen. Er fing seinen Redebeitrag an mit: „Wir nennen uns deutsch-russische Freundschaftsgesellschaft, aber tatsächlich sind wir eine Freundschaftsgesellschaft mit allen postsowjetischen Staaten.“ Er selber hatte sechs Jahre in Kiew gelebt und besondere Beziehungen zur Ukraine. Das sind keine kremltreuen Putinjünger, die deutsch-russischen Freundschaftgesellschaften, im Gegenteil.Dennoch hört man aus Russland keine große Kritik an diesem Krieg.Es ist schwierig, wenn der Machtapparat die Opposition mit Repressionen überzieht. Ich habe von Friedensaktivistinnen im vergangenen Jahr gehört, dass eine der Soldatenmütterorganisationen verboten wurde, weil sie Nein zum Krieg gesagt haben. Und dann wurde eine Folgeorganisation von Soldatenmüttern und Soldaten-Ehefrauen gegründet, die nur noch sagten: Bringt sie nach Hause. Die wurde erst mal nicht verboten. Was viel aussagt über die Möglichkeiten der Kritik derzeit unter Putin.Sie haben sich immer für Friedensverhandlungen mit Putin stark gemacht, jetzt laufen Verhandlungen über Donald Trump.Das sind keine Friedensverhandlungen. Das, was Trump macht, ist ein schmutziger Deal mit dem Kreml, aber keine Friedensverhandlung. Denn zur Friedensverhandlung gehört, dass alle Beteiligten am Tisch sitzen. Und da größtenteils ohne die Ukraine zu reden, geht gar nicht. Was noch viel weniger geht, ist, vor Beginn der Gespräche schon mal alle Sachen auf den Tisch zu legen und zu sagen: Okay, ihr könnt die Krim haben und alle russisch besetzten Gebiete im Osten der Ukraine – das ist das Gegenteil von Verhandlungen!Immerhin ist man im Gespräch?Das Fenster für ernsthafte Verhandlungen schließt sich leider immer mehr. Wenn der Kreml alles umsonst kriegt, warum sollten sie überhaupt noch verhandeln?



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Von Veritatis

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