Während queerfeministische und intersektionale Bewegungen die Rechte aller Frauen stärken wollen, geht es einstigen Größen des Feminismus wie Alice Schwarzer nur um den Schutz der eigenen Privilegien im Patriarchat. Das ist kein Grabenkampf

Foto: Martin Müller/Imago


Zugegeben: Ich kann anerkennen, dass Alice Schwarzer im letzten Jahrhundert viel für den Feminismus und für Frauen in Deutschland getan hat. Auch wenn ich sie inzwischen für ein Problem halte, das dem Feminismus mehr schadet als hilft.

Vor zwei Wochen schrieb Thomas Gesterkamp in dieser Zeitung über den vermeintlichen Grabenkampf im Feminismus: Alice Schwarzer auf der einen, Queerfeminist*innen auf der anderen Seite. „Grabenkämpfe“ hieße aber, dass die Gegner beider Seiten ebenbürtig sind. Dabei haben Frauen wie Alice Schwarzer den Kampf gegen das Patriarchat längst aufgegeben und kämpfen unter dem Deckmantel des „Feminismus“ für den Erhalt ihrer eigenen Privilegien als reiche, weiße cis Frauen im Patriarchat.

Denn anders lässt es sich nicht erklären, dass ihre größten Gegnerinnen inzwischen Musliminnen und trans Frauen sind. Für sie ist der Islamismus (und sie macht hier keine wirkliche Unterscheidung zum Islam als Religion) die größte Gefahr für Frauen in Europa. Sie geißelt den Hijab als Zeichen von „Gender-Apartheid“, was sicherlich für das gesetzlich vorgeschriebene Tragen von Burkas in Ländern wie Afghanistan gilt, deutschen Musliminnen, die einen Hijab tragen, aber ausnahmslos Unmündigkeit unterstellt. Diese Frauen müssen gerettet werden, zumindest in ihrem Weltbild. Ersetzt man Schwarzer in dem Bild durch einen weißen Kolonialisten, sieht das nicht feministisch, sondern patriarchal, sexistisch und orientalistisch aus.

Rassistisch und transfeindlich

Alice Schwarzer fürchtet so sehr um die Frauen, die von muslimischen Männern bedroht werden, dass sie den Slogan ihrer eigenen Feminismus-Welle zu übersehen scheint: „Das Private ist politisch.“ Die meisten Akte von Gewalt gegen Frauen geschehen in den eigenen vier Wänden, das hat nichts mit Religion oder Kultur zu tun.

Der gesellschaftliche Backlash gegen Frauenrechte klappt übrigens auch wunderbar ohne Islamismus. Es sind komischerweise häufig gerade diejenigen, die gegen Migration hetzen, die Frauen zurück an den Herd schicken möchten. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, war in den 1990ern für die Straffreiheit von Vergewaltigungen in der Ehe. Gundolf Siebeke, auch CDU-Mitglied, hat Anfang November laut auf Twitter darüber nachgedacht, Frauen das Stimmrecht zu entziehen, weil sie Robert Habeck als Kanzler tauglicher finden als Merz.

Die zweite große Gefahr für (weiße cis) Frauen sieht Alice Schwarzer wie viele andere transfeindliche „Feministinnen“ in trans Frauen. Genau genommen in Männern, die so tun, als wären sie trans Frauen, und deshalb in Schutzräume für Frauen eindringen. Statt aber gegen diese Männer zu kämpfen, hetzt sie gegen trans Frauen, die von patriarchaler Gewalt genauso betroffen sind wie cis Frauen.

Die Behauptung, ohne binäre Geschlechterzuschreibungen ließe sich auch geschlechtsspezifische Gewalt nicht mehr erkennen, hinkt allein schon deshalb, weil auch trans und nichtbinäre Personen regelmäßig und gerade wegen ihres Geschlechts Gewalt erfahren. Die Gegner, möchte man Frau Schwarzer zurufen, sind immer noch das Patriarchat, internalisierte Misogynie, Sexismus und Gewalt – nicht andere Menschen, die unter diesen Strukturen ebenfalls Gewalt erfahren.

Wer stattdessen Rassismus verbreitet und für die Aufrechterhaltung einer binären Geschlechterordnung, eines Grundpfeilers des Patriarchats, kämpft, möchte aber vor allem die eigenen Privilegien in diesem System erhalten.

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Super Safe Space

Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.



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Von Veritatis

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