James Durso
Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan würde Zentralasien erheblich destabilisieren, Handelswege unterbrechen, Infrastrukturprojekte verzögern und die regionale Militanz verstärken. China, Russland und die USA könnten ihr Engagement in der Region verstärken und den Konflikt nutzen, um ihren Einfluss zu sichern oder auszuweiten. Mögliche nukleare Folgen, Flüchtlingsströme und der Zusammenbruch regionaler Kooperation würden die wirtschaftliche Entwicklung, die Sicherheit und die Ernährungssysteme Zentralasiens empfindlich treffen.
Wenn Indien und Pakistan in einen Krieg verwickelt werden, hat das unmittelbare Folgen für Zentralasien. Die Nähe zur Krisenregion Afghanistan und die zunehmenden Wirtschaftsverflechtungen machen Zentralasien besonders anfällig für Störungen. Ein militärischer Konflikt könnte Handels- und Energierouten lahmlegen, terroristische Aktivitäten befeuern und eine neue Bühne für das geopolitische Kräftemessen zwischen China, Russland und den USA bieten.
Die zentralasiatischen Republiken – Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan – sind heute schon Austragungsorte rivalisierender Interessen externer Mächte. Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan würde diese Dynamik verschärfen, obwohl Russland in der Ukraine, die Türkei in Syrien und die USA im Nahen Osten bereits militärisch gebunden sind.
China ist enger Verbündeter Pakistans und fördert mit dem China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) ein 65 Milliarden Dollar schweres Infrastrukturprojekt. Sollte es zum Krieg kommen, könnte China seine Präsenz in Zentralasien ausweiten, um Handelswege zu sichern und dem indischen Einfluss entgegenzuwirken. Die chinesischen Investitionen in Infrastruktur und Energieprojekte – zuletzt stieg der bilaterale Handel auf 89 Milliarden Dollar – könnten weiter steigen. Zudem könnte China den durch den Ukrainekrieg blockierten russischen Waffenmarkt in Zentralasien ersetzen und seine sicherheitspolitische Präsenz ausbauen.
Russland wiederum ist enger Partner Indiens. In den letzten zwei Jahrzehnten importierte Indien 60 Milliarden Dollar an russischem Kriegsgerät – 65 Prozent seiner gesamten Waffenimporte. Russland könnte seine Präsenz in Zentralasien nutzen, um Grenzsicherung und militärische Ausbildung auszubauen. Erst kürzlich kündigte Moskau an, die Taliban in ihrem Kampf gegen den Islamischen Staat – Provinz Khorasan (IS-K) – zu unterstützen.
Auch die USA könnten versuchen, ihren Einfluss in Zentralasien auszubauen, etwa durch erhöhte militärische oder wirtschaftliche Unterstützung für Usbekistan oder Kasachstan – die beiden wichtigsten Volkswirtschaften der Region. Kein US-Präsident hat je Zentralasien besucht, doch Donald Trump könnte mit einem Staatsbesuch ein geopolitisches Signal senden.
Afghanistan, das sowohl an Pakistan als auch an Zentralasien grenzt, könnte erneut zum Krisenzentrum werden. Die Zusammenarbeit der afghanischen Taliban mit der pakistanischen TTP (Tehreek-e-Taliban-e-Pakistan) destabilisiert Islamabad zusätzlich. Neue diplomatische Initiativen Pakistans könnten zwar deeskalierend wirken, aber ein Zweifrontenkrieg bleibt ein reales Risiko.
Ein Flüchtlingsstrom aus Afghanistan, der Zustrom bewaffneter Kämpfer sowie der Stillstand von Entwicklungsprojekten wie der transafghanischen Eisenbahn, der TAPI-Gaspipeline und dem CASA-1000-Stromprojekt würden Zentralasien massiv belasten. Terroristische Gruppen wie die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) oder IS-K könnten in Tadschikistan und Usbekistan erstarken.
Ausländische Direktinvestitionen würden durch die Instabilität gebremst. Außenhandel und Investitionsabkommen, die zuletzt florierten, drohten einzubrechen. Während Kasachstan und Tadschikistan bereits WTO-Mitglieder sind, befinden sich Turkmenistan und Usbekistan noch im Beitrittsprozess. Die Region hat bereits zwischen 1992 und 2021 unter „verlorenen Jahrzehnten“ infolge des afghanischen Bürgerkriegs gelitten – ein neuer Konflikt könnte die Anbindung an die Weltwirtschaft erneut zunichtemachen.
Die Weltbank rechnet mit einer Wachstumsverlangsamung in Zentralasien. Kirgistan und Tadschikistan werden deutliche Einbußen verzeichnen, Kasachstan moderater betroffen sein, und Usbekistan wird sich mit einem Wachstum von 5,9 % stabil halten.
Die USA könnten versuchen, Unruhen in Pakistans Grenzregion Balochistan zur Destabilisierung Afghanistans zu nutzen. Doch dies birgt das Risiko, dass Al-Qaida, IS-K oder radikale Taliban gestärkt werden. Iran, der selbst mit einem belutschischen Aufstand konfrontiert ist, könnte sich ebenfalls einmischen.
Indien bezieht Uran für sein Kernenergieprogramm aus Kasachstan und Usbekistan. Eine stabile Versorgung wäre für Delhi ein Signal, dass seine Partner in Zentralasien an einer engen Zusammenarbeit festhalten.
Verbindungsprojekte wie CPEC oder der Internationale Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC) sind für Zentralasien entscheidend. Ein Krieg könnte diese stören. Der CPEC verläuft durch umstrittene Gebiete wie Kaschmir. Indiens Handelsrouten über Afghanistan und Iran könnten unsicher werden – es sei denn, pakistanische Stellen gewähren weiterhin freien Zugang zu den Häfen.
Neue Grenzkontrollen würden den aufkeimenden regionalen Handel abwürgen. Seit der Wahl des usbekischen Präsidenten Shavkat Mirziyoyev 2016 hatten viele Staaten territoriale Streitigkeiten beigelegt, um einen einheitlichen Markt zu ermöglichen – dieser Fortschritt wäre gefährdet.
Zentralasiatische Staaten importieren pharmazeutische Produkte aus Indien und Lebensmittel aus Pakistan. Während Lebensmittel sich leichter ersetzen lassen, ist die medizinische Versorgung kritischer. Pakistan und Kasachstan unterzeichneten zuletzt ein Transitabkommen, das Transporte über pakistanische Häfen ermöglicht. Ein Krieg würde jedoch zu hohen Versicherungsrisiken führen – mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen.
Ein regionaler Konflikt würde auch extremistische Gruppen wie Jaish-e-Mohammed oder Lashkar-e-Taiba mobilisieren, die Verbindungen zu afghanischen und pakistanischen Kämpfern haben. Das könnte Terrorgefahr in Usbekistan und Tadschikistan verstärken.
Ein nuklearer Austausch – selbst begrenzt – hätte katastrophale Folgen für Klima, Landwirtschaft und Wirtschaft. In Usbekistan macht die Landwirtschaft rund ein Viertel des BIP und der Beschäftigung aus – eine nukleare Eskalation würde die Lebensgrundlage von Millionen bedrohen.
Flüchtlingsbewegungen aus Afghanistan und Pakistan nach Tadschikistan könnten die fragile soziale Struktur überlasten. Indien und Pakistan sind beide Mitglieder der Shanghai Cooperation Organization (SCO) – ebenso wie China und mehrere zentralasiatische Staaten. Ein Krieg könnte die Arbeit der SCO lähmen und die Spannungen zwischen Indien und China verschärfen, was wiederum die geopolitische Balance in Zentralasien gefährden würde.
Besondere Auswirkungen auf einzelne Staaten:
– Tadschikistan ist durchlässig gegenüber Flüchtlingen und Militanz aus Afghanistan. Der von Indien modernisierte Luftwaffenstützpunkt Ayni könnte Pakistan provozieren.
– Usbekistan dürfte verstärkt auf Partnerschaften mit China und Russland setzen, allerdings Einbußen im Handel mit Südasien hinnehmen.
– Turkmenistan könnte von der chinesischen Energienachfrage profitieren, bleibt aber energiepolitisch abhängig.
– Kasachstan, als wirtschaftliches Schwergewicht der Region, könnte über SCO und Eurasische Wirtschaftsunion gegensteuern, wäre jedoch von Marktschwankungen betroffen.
– Kirgistan ist wirtschaftlich anfällig und besonders verwundbar bei Handelsunterbrechungen.
Langfristige Konsequenzen:
Ein Krieg würde zur Polarisierung der Region führen: Einige Länder könnten sich China (z. B. Turkmenistan), andere Russland oder dem Westen zuwenden (z. B. Usbekistan, Kasachstan) – ein Rückschlag für die angestrebte regionale Integration.
Die Versicherheitlichung der Politik könnte zunehmen: Mehr Ausgaben für Militär, weniger für Bildung, Diversifizierung und wirtschaftliche Entwicklung – ein gefährlicher Kurs in einer Region, in der über die Hälfte der Bevölkerung unter 30 ist.
Ein nuklearer Schlagabtausch hätte globale Klimafolgen, die insbesondere die landwirtschaftlich geprägten zentralasiatischen Volkswirtschaften ruinieren könnten.
Fazit:
Indien engagiert sich mit seiner „Connect Central Asia“-Politik intensiv in der Region, unter anderem über den Hafen Chabahar im Iran. Doch Washingtons harte Iran-Politik könnte dabei zum Hindernis werden. Die zentralasiatischen Staaten exportieren strategisch wichtige Güter wie Uran nach Indien und sehen Delhi als verlässlicheren Partner als Islamabad.
Ein Krieg zwischen Indien und Pakistan würde Zentralasien destabilisieren – durch Handelsunterbrechungen, zunehmende Militanz und verschärfte Großmachtrivalitäten. Die Abhängigkeit der Region von Verbindungskorridoren und stabilen Sicherheitsverhältnissen macht sie besonders verwundbar. Zentralasien stünde vor ökonomischen Einbußen, sicherheitspolitischem Druck und der Gefahr, in Lager gezwungen zu werden. Der nukleare Faktor verstärkt das Katastrophenpotenzial.
Die zentralasiatischen Staaten könnten versuchen, Neutralität zu wahren, sich stärker an die SCO anzulehnen oder als Vermittler aufzutreten – doch ihr geopolitischer Einfluss ist begrenzt. Die Zukunft der Region steht auf dem Spiel.