In einem Beitrag auf LinkedIn hat Chris O’Shea, der CEO von Centrica, vor Illusionen im Zusammenhang mit der Energiewende gewarnt. Der Chef der Muttergesellschaft des Energieversorgers British Gas wies darauf hin, dass sich nun schon über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt hinweg Ankündigungen, ein Ausbau der erneuerbaren Energien würde die Strompreise senken, nicht erfüllt habe. Auch umfangreiche Investitionen hätten daran wenig geändert.

Gaspreis als Preistreiber nur ein Teil der Wahrheit

Der Konzernchef geht in seinem Beitrag auf die weitverbreitete Annahme ein, der hohe Strompreis sei in erster Linie eine Folge der internationalen Gaspreisentwicklung. In diese Richtung argumentierte auch die deutsche Bundesregierung in den vergangenen Jahren und machte primär den Ukraine-Krieg für die hohen Preise verantwortlich.

O’Shea erläuterte, dass die Großhandelspreise für Strom zwar auch im Vereinigten Königreich durch die internationalen Gaspreise bestimmt werden könnten. Der Großhandelspreis sei jedoch nicht der ausschlaggebende Faktor für den Preis, den die meisten Verbraucher bezahlen müssten.

Der CEO teilte ein Video über Differenzkontrakte (CFDs) für Erzeuger erneuerbarer Energien. Dabei vereinbart der Staat mit den Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung eine Art Garantiepreis. Ist der Marktpreis niedriger, erstattet er diesen die Differenz aus eigenen Haushaltsmitteln. Auf diese Weise sichert er den Stromerzeugern sichere Einnahmen. Ist der Strompreis jedoch höher, bezahlt der Betreiber die Differenzsumme an den Staat.

Energiewende hat keine Entlastung beim Strompreis gebracht

Die relevante Größe sei dabei der „Ausübungspreis“. O’Shea nannte in weiterer Folge aktuelle Großhandelspreise und CFD-Ausübungspreise der Jahre 2012 und 2024. Die Auflistung zeigte, dass die Ausübungspreise von 2012 attraktiver waren als die heutigen Großhandelspreise. Die letzten CFD-Ausübungspreise 2024 waren jedoch deutlich teurer – und inflationsbereinigt wären die von 2012 auf einem ähnlichen Level.

Dies mache deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien keine Entlastung beim Strompreis gebracht habe. Er stabilisiere zwar die Preise und könne helfen, künftigen Preisspitzen gegenzusteuern. Der Ausbau der Erneuerbaren werde den Preis jedoch definitiv nicht senken. O’Shea fügte hinzu:

„Wenn Sie also das nächste Mal jemanden sagen hören, dass der Ausbau erneuerbarer Energien die Strompreise in Großbritannien senken wird, bitten Sie ihn um eine Erklärung, wie das geht.“

Es sei wichtig, die Fakten an die Öffentlichkeit zu bringen, „damit wir die richtigen Entscheidungen treffen können“. Man müsse aufhören. „Eine polarisierte Debatte zu führen, die mit unbegründeten, aber bequemen Sprüchen gefüllt ist“.

Centrica plant selbst bis 2028 Investitionen in Höhe von etwa 5,3 Milliarden US-Dollar in den Ausbau erneuerbarer Energien. O’Shea glaubt jedoch weiterhin nicht daran, dass die Preise dadurch sinken werden. Zumal Technologien wie schwimmende Offshore-Windkraft und Gezeitenkraftwerke nach wie vor noch deutlich teurer seien als andere erneuerbare Energiequellen.

Labour-Regierung verspricht Entlastung durch „Aktionsplan Clean Power“ bis 2030

Großbritannien gehörte Anfang der 2000er-Jahre zu den Ländern mit den günstigsten Strompreisen in ganz Europa. Auch Deutschland konnte die Preise in dieser Zeit auf einem moderaten Niveau halten. Mittlerweile gehören beide zu den Ländern mit den höchsten Energiepreisen.

In beiden Ländern hatten politische Entscheidungsträger auch mehrfach angekündigt, die Abkehr von fossilen Brennstoffen würde enorme Anfangsinvestitionen erfordern. Allerdings würden sie langfristig die Energiekosten senken. Auch der britische Staatssekretär für Energie und Klimawandel, Ed Miliband, äußerte jüngst Ähnliches mit Blick auf den „Aktionsplan Clean Power 2030“ der Regierung. Dieser würde bis Ende des Jahrzehnts die durchschnittliche Stromrechnung der Haushalte um 300 Pfund (ca. 356 Euro) senken.

Auch Milliband steht auf dem Standpunkt, dass teure Energie vor allem eine Folge von „Spitzen auf den globalen Gasmärkten“ sei. Die Summe der Investitionen für den Clean-Power-Plan 2030 wird sich dem nationalen Energienetzbetreiber NESO zufolge auf 40 Milliarden Pfund (ca. 47,49 Milliarden Euro) summieren.

Deutschland auf Platz 2 weltweit bei den Stromkosten

Die Denkfabrik Net Zero Watch zeigt sich skeptisch. Sie führt 75 Prozent des Strompreisanstiegs seit 2015 auf nationale Klimaschutzmaßnahmen zurück. Dem Think-Tank zufolge seien Subventionen für erneuerbare Energien, CO₂-Abgaben, Kosten für Netzstabilität und Reservekapazitäten sowie Investitionen in die Netzmodernisierung die primären Preistreiber.

Demgegenüber betont ein Sprecher des britischen Energieministeriums gegenüber der englischsprachigen Epoch Times, ein „vollständig inländisches, sauberes Energiesystem“ sorge langfristig für Preisstabilität und Versorgungssicherheit. Zudem mache es unabhängig von der „fossilen Achterbahn der Autokratien“.

In Deutschland war der Haushaltsstrompreis 2024 bei knapp 40 Cent pro Kilowattstunde angelangt – nur auf den Bermudas war sie noch etwas höher. In Südkorea liegt der Preis bei etwa 13 Cent. Zu den Ländern mit den geringsten Strompreisen gehören Turkmenistan mit 0,66 Cent, der Sudan mit 0,7 und Bahrain mit 0,74 Cent pro Kilowattstunde. Allerdings ist die Versorgungsqualität dort nicht immer stabil.

Kritik von ifo-Institut und Bundesrechnungshof: Energiewende ineffizient und teuer

In Deutschland gelte ebenfalls Kosten wie Netzentgelte, Speicherprojekte, CO₂-Bepreisung und der Rückbau fossiler Kapazitäten als Faktoren, die für ein dauerhaft hohes Preisniveau sorgen. Und das, obwohl beispielsweise die EEG-Umlage mittlerweile weggefallen ist.

Der Bundesrechnungshof erklärte im Vorjahr, die Energiewende sei „nicht auf Kurs“. Im März 2025 äußerte ifo-Chef Clemens Fuest, sie sei „extrem ineffizient organisiert” und zu teuer. Die von Union und SPD vorgeschlagenen Senkungen der Stromsteuer und der Netzentgelte seien „wirtschaftspolitisch keine Leistung”.



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Von Veritatis

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