Lobbyismus gab es auch schon in den Vorgängerregierungen. Neu ist aber, dass er nicht versteckt agiert, sondern ganz ungeniert daherkommt


Das neue Kabinett ist voller Millionäre – eine Regierung von Reichen für Superreiche

Collage: der Freitag; Material: Getty Images, Mid Journey


Die Beeinflussung der Regierungspolitik durch einige mächtige Lobbys wäre nichts Neues. Es ist gängige Praxis, dass Spitzenpolitiker fast aller Parteien direkte Kontakte zu mächtigen Konzernen pflegen, wobei die Union ihre Spitzenposition bei den Verflechtungen mit den Lobbyzentralen eisern verteidigt.

Doch der Ex-Blackrock-Funktionär Friedrich Merz will den Profitlobbyismus auf ein nächstes Level bringen – nicht versteckt, sondern ganz ungeniert. Dafür gibt es mehr öffentlichen Applaus als kritische Nachfragen. Lobbyisten, Medienmacher und Topmanager sollen die neue Regierung ganz direkt auf Vordermann bringen.

Die Regierungsmitglieder der CDU sind fast alle Juristen, die längst die Politik beherrschen. Vor allem aber ist das neue Kabinett

as neue Kabinett voller Millionäre, eine Regierung von Reichen für Superreiche. Praktisch, dass unsere Gewaltenteilung in dieser Lobbykoalition (LoKo) nicht mehr wirklich greift und die Regierung auch nach der Wahl des Kanzlers wegen des Fraktionszwangs automatisch die Mehrheit gebucht hat. Die Gewissensfreiheit und Entscheidungshoheit der Abgeordneten gibt es nur noch im Grundgesetz.Durch den Machtverlust können die einflussreichen Lobbys den Bundestag den profitlosen Vereinen überlassen und sich auf die Regierung und wenige Politiker konzentrieren. Bisher sind Spitzenpolitiker, wenn sie Lobbyisten gut gedient haben, wegen ihrer Beziehungen von der Politik in die Wirtschaft gewechselt. Diese direkte Machtteilhabe spart viel Geld. Deutschland eifert auch da den USA nach – Multimillionäre, kleine Musks, setzen ihre Macht nicht nur wirtschaftlich, sondern auch direkt politisch ein.Größte Entlastungen für ReicheTransparenz, Regeln zum Lobbyismus, Einschränkungen von Lobbygeldern, gibt es nicht mal mehr als hehre Ziele, wie bei den vorherigen Koalitionen. Natürlich ist auch keine Rede mehr von Reichenabgaben. Um 1.350 Milliarden Euro ist allein das private Geldvermögen der Deutschen 2024 angewachsen, vor allem das einiger weniger – in einem Rezessions-Jahr, in dem sich viele Menschen einschränken mussten. Dagegen dürfen die Reichsten laut Koalitionsvertrag mit den größten Entlastungen rechnen.So einseitig ist die öffentliche Debatte, aber natürlich ist es auch eine Folge massiver Lobbyarbeit. Der Verein Finanzwende hat über die Daten des Lobbyregisters errechnet, dass die Finanzbranche allein 2024 etwa 40 Millionen Euro in die Beeinflussungsarbeit steckte. Die Lobbyisten der Deutschen Bank haben an 75 Gesetzen mitgeschrieben! Sie sind besonders gut vernetzt, etwa über Jörg Kukies, den Olaf Scholz 2018 von Goldman Sachs als Staatssekretär ins Finanzministerium holte und der nach dem Abgang Christian Lindners Minister wurde.Geld bestimmt, welche Debatten geführt werden, welche ausbleiben, wer geschont und wer geschröpft wird. Alles eine ganz legale Korrumpierung. Hier tritt der riesige Unterschied, die große Waffenungleichheit des Lobbyismus zutage. Hier offenbart sich die ganze Naivität oder Ignoranz der Annahme, dass die Interessenvertretung doch wichtig und gut sei. Während der eine Verband über Hunderte gut ausgebildeter Lobbyisten verfügt, Millionengelder einsetzen kann, den direkten Draht in ein Ministerium besitzt, haben die meisten Vereine und auch Kleinunternehmer zur Beeinflussung keine Zeit, keine Strategie und auch kaum die Mittel. Es geht beim Lobbyismus zwar häufig nicht um Geldkoffer und Spenden für Politiker, aber zur Kontaktpflege, Verführung und das gegenseitige „sich von Nutzen sein“ braucht es viele Ressourcen.Profitlobby kauft Demokratie? Wie schön! Ein Grundgedanke unserer Demokratie, dass ihre Repräsentanten vor allem die Interessen derjenigen schützen, die über keine großen Vermögen verfügen, die keine mächtigen Lobbys im Rücken haben, wird eingemottet. Millionäre und Profitlobbyisten bringen uns den Fachverstand, der die Krisen überwinden soll. Abwegig wäre es dagegen, Menschen mit Fachverstand aus dem Praxisbezug – wie eine Pflegekraft, eine Soloselbstständige, einen Sozialarbeiter – zu Ministern für Gesundheit, Wirtschaft und Soziales zu machen.Marco Bülow, 2002 bis 2021 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter der SPD in Dortmund, hat im Februar das Buch Korrumpiert: Wie ich fast Lobbyist wurde und jetzt die Demokratie retten will veröffentlicht



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Von Veritatis

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