Ein Gastbeitrag von Klaus Kelle
Wenn Tschechien und die Ukraine die einzigen Länder sind, die Deutschland beim „Eurovision Song Contest“ „12 Points“, also die maximale Punktzahl. geben, was bedeutet das dann politisch? Wie weit ist das ein Gradmesser für die Zuneigung, die diese Länder für uns als Volk verspüren?
Und warum, verdammt nochmal, gab es keinen Punkt für uns von unmittelbaren Nachbarn wie Belgien, Polen, Niederlanden, die früher immer eine sichere Bank waren selbst für schlechtere deutsch Bewerber als gestern Abor & Tynna.
Die lieferten mit „Baller“ eine solide Leistung ab, ich persönlich hatte sie mit den witzigen Schweden („Sauna“) und der Schweizerin Zoë Më („Voyage“) ganz oben auf dem Zettel. Vielleicht noch Sissal Jóhanna Norðberg Niclasen von den Färöer-Inseln, die für Dänemark mit „Hallucination“ antrat.
Die Frau hat eine mordsmäßig gute Stimme, war aber kleidungstechnisch von ihren Leuten nicht gut beraten worden. Jedenfalls lenkten ihre ungewöhnlich stämmigen Beine doch die ersten zwei Minuten ein wenig vom Liedvortrag ab, und erst kurz vor Schluss fiel mir auf, dass die gute Sissal sich gesangsmäßig nicht vor internationalen Stars wie der US-Sängerin Anastasia verstecken muss.
Aber das mit den Beinen vergessen Sie bitte, das war sexistisch und ich schäme mich dafür, auch wenn es stimmt! Ich werde mich morgen früh bei der Genderbeauftragten der Stadt melden, Buße tun und anbieten, 20 Doppelstunden Sozialarbeit als Wiedergutmachung zu leisten.
Wo hervorgehoben wird, da muss auch kritisiert werden
Ich liebe Portugal wirklich. Das Land ist einer meiner Sehnsuchtsorte für den späteren Ruhestand. Sympathische Leute, tolles Essen, katholisch, Palmen und Meer – da könnte ich leben.
Aber die drei Jungs der „Indie-Rockband“ NAPA mit ihrem Langweiler-Song „Deslocado“ waren der Flop des Abends überhaupt. Ich bin fast eingeschlafen bei der seichten Trällerei der drei Jungs, die den Charme von Lieferando-Pizzaboten ausstrahlten. Deslocado – das heißt übersetzt übrigens „Fehl am Platz“ – selten habe ich Sänger erlebt, wo der Titel des Liedes dermaßen passte.
Ich bin auch ein großer Fan der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Aber auch das war nix dieses Mal – fand ich und wurde wie ein Blitz von der Erkenntnis getroffen, dass ich wohl nicht mehr Mainstream bin. Das kenne ich ja aus der Politik und von den Medien, bei denen ich arbeite, schon lange. Aber auch bei der ESC-Musik bin ich wohl raus. Deutschland 15. Platz – ich hätte uns zehn Punkte gegeben. Ach, gute alte Zeit oder?
Abba, Vicky Leandros, Udo Jürgens, France Gall (für die Älteren unter uns) und dann natürlich die beiden deutschen Siegerinnen Lena und Nicole. Neee, wat wor dat schööööön, würde ein Kölner sagen…
Und heute?
Conchita Wurst oder der Sieger gestern, wie hieß der nochmal? Lassen Sie mich kurz nachschauen…ah, hier, hab’s JJ (24) gewann mit „Wasted Love“, ein bisschen Pop, viel Opern-Arie und eine schöne Stimme – die allerdings zu einer Frau gehört hätte. Moderne Zeiten, Geschlechter sollen ja nicht mehr so wichtig sein. Und Glückwunsch, JJ, ich will Deinen Erfolg wirklich nicht schmälern. Nur: Das ist einfach nicht mein Ding.
Ein Wort noch zu Stefan Raab, an dem sich seit vielen Jahren die Geister scheiden in Deutschland. Er hatte Abor & Tynna auf den Weg gebracht als deutsche Vertreter beim ESC. Und es hat nicht geklappt diesmal. Mit Lena damals hat es geklappt, er selbst trat mal mit einem Schwachsinns-Lied selbst da auf und wurde immerhin 7., das musst Du erstmal bringen.
Stefan Raab ist genau der Richtige für den Job des deutschen ESC-Talentscouts, er hat Ahnung vom Musikgeschäft und, hey, man kann nicht immer gewinnen…
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für viel gelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Dieser Beitrag ist zuerst auf seinem Portal the-germanz.de erschienen.
Bild: Screenshot Youtube
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