Geht es Ihnen auch so, dass Sie zuweilen bei Texten, die zum einen grottenschlecht und falsch, zum anderen mit dem Pathos dessen vorgetragen werden, der die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben vorgibt, nicht anders können, als die Realität wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen? Vor allem ärgert mich die zunehmend bei alternativen Medien zu beobachtende Tendenz, per Clickbait Leute auf die Seite zu locken, damit sie dort mit Werbung vollgehauen und mit blödsinnigen Texten wie dem folgenden konfrontiert werden können:
Großbritannien ist der weltweit führende Brandstifter des Friedens, oder vielleicht sogar der einzige Serienbrandstifter weltweit. Es ist vielleicht nicht einmal übertrieben zu sagen, dass Großbritannien der weltweit führende Förderer des Terrorismus ist.
Diese Vorstellung scheint weitgehend im Widerspruch zu den vorherrschenden Narrativen zu stehen, die die Vereinigten Staaten als größte Bedrohung für den Weltfrieden darstellen. Die Beteiligung Großbritanniens an Konflikten auf der ganzen Welt wurde in der Regel damit erklärt, dass es als standhafter, loyaler Verbündeter den USA widerwillig folge. Dabei übten britische Regierungsvertreter und Medienvertreter oft Kritik und sogar Verachtung gegenüber den gewalttätigen, unkultivierten Amis.
…
Viele historische Ereignisse der letzten Jahrzehnte deuten jedoch auf eine ganz andere Realität hin. Es stimmt zwar, dass die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast ununterbrochen Krieg geführt haben. Aber die meisten dieser Kriege, vielleicht sogar alle, waren das Ergebnis der Rolle, die die USA als militärischer Vollstrecker des Imperiums spielten. Unterdessen scheinen die Agenda und die Strategie des Imperiums ausnahmslos aus London zu stammen. In diesem Sinne ist die „besondere Beziehung“ zu einer Art Master-Blaster-Kombination geworden oder, wie Winston Churchill es ausdrückte, zu amerikanischer Muskelkraft für britische Köpfe.
Dass das Vereinigte Königreich in beiden Irak-Kriegen eine schlechte Figur abgegeben hat, und es nicht wenige BRITEN gibt, die Tony Blair für einen Kriegsverbrecher halten, ist eine Sache, dass die Konkurrenz zu Russland zuweilen abstruse Formen annimmt, eine andere, aber nichts davon kann belegen, was im Beitrag behauptet wird – unter Zuhilfenahme von falschen Aussagen und falschen Zuschreibungen behauptet wird.
So gibt es das angebliche Zitat, in dem Churchill eine Opposition zwischen „britisch brains“ und „US muscle power“ herstellt, nicht. Es gibt eine Reihe von Reden, in denen Churchill auf die GEMEINSAME Stärke der angelsächsischen Länder zu sprechen gekommen ist. Etwa am 26. Dezember 1941 vor dem US Congress, als er von „whole manpower, brain power, virility, valor and civic virtue in THE ENGLISH-SPEAKING WORLD“ gesprochen hat, die zusammenarbeiten müsse, um den Zweiten Weltkrieg siegreich zu beenden. Churchill wäre in der Tat ein sehr schlechter Staatsmann gewesen, hätte er den Bullshit, der ihm unterstellt wird, tatsächlich von sich gegeben und diejenigen, die sich zu Redezeitpunkt gerade einmal drei Wochen im Kriegszustand befunden haben, derart vor den Kopf gestoßen.
Was ich heute im Hinblick auf die ARD kritisiert habe, das Aufstellen von wilden Behauptungen, die ohne jeden Beleg bleiben, offenkundig nur aufgestellt werden, um etwas Negatives pinseln zu können, findet sich zunehmend auch in Alternativen Medien, dieses Mal als Behauptung, dass “ britische Regierungsvertreter und Medienvertreter oft Kritik und sogar Verachtung gegenüber den gewalttätigen, unkultivierten Amis“ üben würden. Wer, wann was zu wem und aus welchem Grund gesagt hat, verschweigt der Autor, dem offensichtlich der billige Tiefschlag wichtiger ist als die kultivierte Auseinandersetzung.
Was mich aber massiv ärgert, sind falsche historische Aussagen wie diese:
„Es stimmt zwar, dass die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast ununterbrochen Krieg geführt haben. Aber die meisten dieser Kriege, vielleicht sogar alle, waren das Ergebnis der Rolle, die die USA als militärischer Vollstrecker des Imperiums spielten.“
Ich habe mir vor diesem Hintergrund die Mühe gemacht, die wichtigsten militärischen Aktionen der USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenzustellen und die ehemalige Kolonialmacht des Landes, in dem sich die USA engagiert haben, zu recherchieren, um zu sehen, ob es auch nur entfernt einen Sinn ergibt zu behaupten, die USA wären der militärische Vollstrecker des „Imperiums“ [gemeint ist wohl das British Empire] – mit anderen Worten, die „Muskelkraft für britische Köpfe/Gehirne“- was dann auch die Frage beantwortet, wer das Churchill Zitat erfunden hat.
Korea (1945–1953) Nachdem Japan kapituliert hat, haben die USA und Russland Korea besetzt, um die dort verbliebenen japanischen Soldaten zu entwaffnen. Dabei haben die USA die Regierung von Syngman Rhee im Süden Koreas unterstützt, was zu einem Krieg mit dem Norden Koreas und Chinesischen Einheiten geführt hat: 36.574 US-Soldaten haben dabei ihr Leben verloren und 2 bis 3 Millionen Koreaner. Kolonialmacht von Korea: 1910 bis 1946 war JAPAN
China (1945-1947) Die USA haben rund 50.000 Mann nach China entsandt, um der Chinesischen Regierung bei der Entwaffnung japanischer Truppen zu helfen. Kolonialmacht: Japan hat zwar Teile von China besetzt, war aber keine Kolonialmacht.
Philippinen(1945–1946) US-Truppen haben die Philippinen besetzt, um das Land bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1946 zu sichern. Kolonialmacht: Die USA von 1898 bis 1946, zuvor Spanien.
Griechenland (1947–1950) Die USA haben die Griechische Regierung militärisch im Bürgerkrieg unterstützt, um eine Übernahme Griechenlands durch kommunistische Truppen zu verhindern. Kolonialmacht: keine
Iran (1953) Ein Coup, vom CIA koordiniert (Operation Ajax), hat den Premierminister Mohammad Mossadegh beseitigt und den Shah zurück an die Macht gebracht. Kolonialmacht: Keine, während des zweiten Weltkriegs gehörte der Iran zum britischen und russischen Einflussbereich.
Guatemala (1954) CIA coup (Operation PBSuccess) gegen den Präsidenten Jacobo Árbenz. Zum Einsatz kamen in den USA trainierte Truppen. Die US-Luftwaffe leistete Unterstützung. Kolonialmacht: Spanien bis 1821.
Indonesien (1958–1961) Die USA unterstützen die Rebellen der Permesta gegen die Regierung von Sukarno und unterstützen Suharto 1965 in seinem Coup mit militärischer Hilfe. Kolonialmacht: Die Niederlande bis 1949.
Kuba (1961) Fehlgeschlagener Versuch, Fidel Castro zu beseitigen. Kolonialmacht: Spanien bis 1898.
Vietnam, Laos, Kambodscha (1955–1975) Die USA unterstützen die Truppen von Südvietnam gegen Nordvietnam. 58.000 GIs bleiben als Tote zurück. Kolonialmacht: France bis 1954.
Kongo (1960) Mit Hilfe der USA wird die Regierung von Patrice Lumumba beseitigt. Kolonialmacht: Belgien bis 1960.
Dominikanische Republik (1965) US-Truppen nehmen die Insel ein, um eine kommunistische Machtübernahme zu verhinden. Kolonialmacht: spanien bis 1865.
Chile (1973) CIA und Militärhilfe tragen zum Sturz von Salvador Allende und zur Installation von Augusto Pinochet bei. Kolonialmacht: Spanien bis 1818.
Osttimor (1975) Militärische Unterstützung für die Truppen von Indonesien, bei ihrer Invasion von Ost Timor. Kolonialmacht: Portugal bis 1975.
Grenada (1983) Operation Urgent Fury, Invasion von US-Truppen, die eine marxistische Regierung beseitigt. Kolonialmacht: Vereinigtes Königreich bis 1974.
Panama (1989–1990) Operation Just Cause: Invasion um die Regierung von Manuel Noriega zu beseitigen. Kolonialmacht: Spanien bis 1821, Teil von Kolumbien bis 1903.
Iraq (1990–2003) Erster Golfkrieg, nach der Invasion irakischer Truppen von Kuwait. Kolonialmacht: Vereinigtes Königreich – Mandatsmacht bis 1932
Somalia (1992–1995) US-Invasion um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden … Kolonialmacht: Italien und das Vereinigte Königreich bis 1960.
Haiti (1994–1995) US-Truppen intervenieren, um Präsident Jean-Bertrand Aristide, der durch einen Coup beseitigt wurde, wieder in sein Amt einzusetzen (mit UN-Mandat). Kolonialmacht: Frankreich bis 1804.
Jugoslawien (1993–1999) US geführte NATO Kampagne in Bosnien (1993-1995) und Kosovo (1999), um ethnische Säuberungen zu verhindern; Kolonialmacht: Keine.
Afghanistan (2001–2021) Invasion von Afghanistan um al-Qaeda zu beseitigen. Es folgen 20 Jahre der Besatzung Kolonialmacht: Keine.
Jemen (2002–2023) Luftschläge gegen Jemen (als War against Terror) Kolonialmacht: Aden Protektorat des Vereinigten Königreichs bis 1967
Iraq (2003–2011, 2014–2021) Invasion um Saddam Hussein zu beseitigen … Kolonialmacht: Vereinigtes Königreich als Mandatsmacht bis 1932.
Libyen (2011) NATO Intervention um Muammar Gaddafi zu beseitigen. Ergebnis: Bürgerkrieg. Kolonialmacht: Italien bis 1943.
Wie Sie sehen, führen die USA nur Kriege, weil ihnen ein britisches Gehirn den Marschbefehl erteilt.
Aber sicher war es dem Autor die eine oder andere Falschbehauptung wert, um Animositäten und Vorurteile zu schüren.
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