Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Fortschritt auch in den Hausflur vordringt. Führerschein für die Autobahn? Schnee von gestern. Jetzt kommt der Führerschein fürs Wohnen – die Wohn-Erlaubnis für Menschen, die es wagen, ein Dach über dem Kopf zu suchen, ohne zuvor das Einmaleins der Mülltrennung und Besenhaltung zu beherrschen. Willkommen im neuen Deutschland, wo die Wohnberechtigung erlernt und mit einem Zertifikat besiegelt werden muss. Wer wohnen will, muss kehren können. Zumindest wenn er einem bestimmten Personenkreis angehört. Doch dazu später mehr.
In Ostfildern bei Stuttgart dürfen Mieter in spe sich ab sofort hochoffiziell bewähren, bevor sie eine Wohnung beziehen dürfen. Wer nicht engagiert genug teilnimmt und kein erkennbares sozialistisches Interesse zeigt, läuft Gefahr, am Ende leer auszugehen – ohne Teilnahmebescheinigung und damit ohne Wohn-Führerschein. Vielleicht hilft dann ein Kehrwochenkurs zur Nachqualifizierung. Vorschrift ist das Papier zwar – noch – nicht. Aber es erhöht die Chancen auf eine städtische Wohnung, wie es amtlich heißt. Welche Chancen? Die, beim Großreinemachen nicht mehr nur Zuschauer zu sein, sondern aktiver Teil des kollektiven Wohnexperiments?
Der „Wohn-Führerschein“ – was für eine Idee! Man stelle sich bildlich vor, was sich da alles machen ließe, was das Bürokratenherz höher schlagen lässt: Theoriestunde mit Multiple-Choice („Welche Farbe hat der Bio-Müll?“), praktische Prüfung am Gemeinschaftsklo, und wer besonders gut ist, darf beim nächsten Mieterfest sogar den Abwasch leiten. Früher nannte man so etwas Hausordnung. Heute ist es ein pädagogisches Förderprogramm mit Zertifikat und vermutlich bald auch Urkunde mit Siegel.
Natürlich geht es nicht um Gängelung. Natürlich nicht. Offiziell. Es geht um „Integration“, um „soziale Kompetenzen“, um das Zusammenleben. Und das funktioniert eben nur, wenn man vorher einen Kurs gemacht hat. Nur so wird aus dem Menschen ein Mitmensch, aus dem Mitmieter ein musterhafter Miteigentümer des Kehrblechs.
Ironischerweise scheiterten in der DDR viele Wohnträume an Parteibuch und Wohnungszuweisung – jetzt wird’s eben die Wohn-Führerscheinprüfung sein. Und wer weiß: Vielleicht folgt bald der Toiletten-TÜV, der Dusch-Diplomkurs oder das Wäschetrockner-Seminar für Fortgeschrittene. Der Sozialismus ist zurück – diesmal mit Dozenten.
Laut Stadtrundschau, dem Amtsblatt von Ostfildern, lernen die Teilnehmer bei den Kursen unter anderem, wie man den Briefkasten regelmäßig leert und dass in der Hausordnung Dinge stehen, die man auch beachten soll. Klingt wie aus einem Loriot-Sketch, ist aber echt. Demnächst vielleicht auch mit Praxisstation „Tür zuziehen ohne Lärm“ oder dem Bonusmodul: „Zehn Wege, ein Bad ohne Schimmel zu hinterlassen.“
Und wichtig zu wissen: Das Angebot richtet sich ausdrücklich an Flüchtlinge. Nicht etwa an alle, die Probleme mit Pünktlichkeit, Putzplänen oder Pizzakartons im Treppenhaus haben – sondern exklusiv an Menschen mit Migrationshintergrund.
Man will sie „fit machen für den Wohnungsmarkt“. Was freundlich klingt, ist bei Licht betrachtet ein stilles Eingeständnis: Ohne Kurs, kein Vertrauen.
Ich gestehe: Bis vor Kurzem hätte ich gedacht, es sei Nazi-Sprech, wenn jemand behauptet, Migranten hätten ein Problem mit Hausordnungen, Schimmelvermeidung oder Pünktlichkeit. Und nun steht genau das im Amtsblatt von Ostfildern – ganz offiziell, mit Partnern wie Caritas, AWO und Bundesministerium. Eigentlich ist das aus rot-grüner moralinsaurer Sicht doch Rassismus, oder? Nur eben hier quasi rot-grün zertifiziert.
Man fragt sich fast: Warum nur für Flüchtlinge? Wann kommt der Wohn-Führerschein für alle? Für Studenten-WGs, Messie-Mieter oder passionierte Partylöwen mit Hang zum Grillen auf dem Balkon? Vielleicht ließe sich so auch so mancher Bio-Deutsche in zivilisatorische Bahnen lenken.
Und noch eine pikante Pointe am Rand: Ist es nach rot-grüner Weltsicht nicht eigentlich blanke Diskriminierung, wenn man davon ausgeht, dass vor allem Flüchtlinge so einen Wohn-Führerschein brauchen? Oder wäre das nicht unter normalen Umständen sofort als „strukturelle Ausgrenzung“ gebrandmarkt worden?
Wobei – ganz ehrlich: Nach allem, was man mit bestimmten Neumietern in so mancher Hausgemeinschaft erlebt hat, kann man den Reflex der Stadt sogar nachvollziehen. Willkommen in der Kollision von Ideologie und Realität.
Es bleibt die Frage: Wer prüft eigentlich die Bürokraten selbst auf Wohnfähigkeit? Wer besteht die Prüfung zur gesundem Menschenverstand? Und vor allem: Wann dürfen wir endlich wieder wohnen, ohne vorher eine Verwaltungserleuchtung zu durchlaufen?
Vielleicht gibt es bald auch einen Satire-Führerschein. Der wäre dann Pflicht, bevor man über so etwas wie den Wohn-Führerschein lachen darf. Denn Satire ist in Deutschland bekanntlich auch genehmigungspflichtig – zumindest, wenn sie zu gut sitzt. Gerade erst kamen die Abgeordneten der AfD ins Kreuzfeuer der linken Medien, weil sie im Bundestag zu oft lachen (siehe hier). Vielleicht braucht es bald auch dafür eine amtlich genehmigte Humorerlaubnis.
Sie werden sich nun vielleicht fragen, wer das alles möglich macht?
Eine Allianz aus Gutmeinenden* mit ganz großem Herzen: Die Wohlfahrtsverbände, die Caritas, die AWO, die Diakonie, der Paritätische – und natürlich das Bundesministerium. Also auch Ihre Steuergelder. Wenn erst einmal alle mithelfen, dass man vielleicht bald nur mit richtigem Zertifikat wohnen darf, dann fühlt sich das endlich wieder an wie früher: Ein bisschen sozial, ein bisschen obrigkeitlich – und ganz sicher gut gemeint.
*) Wenn Sie jetzt glauben, ich habe angefangen zu gendern, irren Sie sich. „Gutmeinende“ ist eine ganz alte Form – mehr dazu und mehr darüber, wie uns die Sprache geraubt wird, in Kürze in einem eigenen Beitrag.
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