Ein Viertel der 24 Fachausschüsse muss in den kommenden vier Jahren voraussichtlich ohne einen Vorsitzenden auskommen. Die eigentlich im Rahmen der Geschäftsordnung des Bundestages der AfD zugeschriebenen Ausschüsse werden zunächst kommissarisch von den dienstältesten Mitgliedern geleitet werden müssen, weil alle sechs AfD-Kandidaten bei den Wahlen abgelehnt worden waren. Später sollen die stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden, die dann die Geschicke übernehmen.

Die Gremien hatten sich am Mittwoch konstituiert und dabei in geheimer Wahl zunächst ihre Vorsitzenden gewählt. Alle Parteien erhielten dafür gemäß ihrer Fraktionsgröße ein Vorschlagsrecht für eine gewisse Anzahl von Ausschüssen. Trotz der Anonymität folgten die meisten Abgeordneten dem Ruf ihrer Fraktionen, nicht für die AfD-Kandidaten zu stimmen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode waren die AfD-Vertreter abgelehnt worden, damals betraf dies jedoch nur drei Ausschüsse.

Jetzt sind es schon doppelt so viele. Vor allem im mächtigen Haushaltsausschuss, aber auch in den von der AfD anvisierten Gremien für Inneres, Recht, Arbeit, Finanzen und Petitionen blieb der AfD eine Mitarbeit am parlamentarischen Alltag jetzt verwehrt. Dabei hatte sich der neue Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, Jens Spahn, im April noch dafür ausgesprochen, die AfD wie eine normale Oppositionspartei zu behandeln.

Und die stärkste Oppositionspartei erhält traditionell den Haushaltsausschuss. Die Verwaltungswirtin Ulrike Schielke-Ziesing wurde hier jedoch mit 29 Nein- und zwölf Ja-Stimmen abgelehnt, die AfD verfügt über zehn Sitze. Das dürfte auch daran liegen, dass innerhalb der Union kurz vor den konstituierenden Sitzungen der Ausschüsse die Anordnung gemacht wurde, nicht für die AfD-Kandidaten zu stimmen – unter anderem von Spahn, der damit seine Aussage aus April revidierte (mehr dazu hier).

Im Innenausschuss wurde der Rechtsanwalt Jochen Haug mit demselben Stimmenverhältnis wie Parteikollegin Schielke-Ziesing abgelehnt. Bei Kay Gottschalk waren es bei 42 Mitgliedern im Finanzausschuss nur elf Ja- auf 31 Nein-Stimmen, die AfD hat hier zehn Vertreter. Gottschalk war 2023 ins mediale Rampenfeuer geraten, als bekannt wurde, dass eine seiner Mitarbeiterinnen Kontakte zu der damals vom Innenministerium verbotenen Organisation „Artgemeinschaft“ unterhalten hatte.

Ähnlich vorbelastet ging Gerrit Huy in die Wahl zur Ausschussvorsitzwahl in dem Gremium für Arbeit und Soziales: Die AfD-Politikerin hatte einen signifikanten Part in der Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ eingenommen, die im Januar 2024 veröffentlicht worden war und hohe Wellen geschlagen hatte. Von 42 Mitgliedern im Arbeitsausschuss stimmten zehn – so viele Sitze hat die AfD – für Huy, 31 gegen sie.

Vorerst übernimmt jetzt ein bekanntes Gesicht die Leitung kommissarisch: Lisa Paus wird den Ausschuss als dienstälteste Abgeordnete so lange leiten, bis die stellvertretenden Vorsitzenden gewählt sind, die dann an Stelle der Vorsitzenden übernehmen können.

Zudem fiel der AfD-Kandidat Stefan Möller in dem Fachgremium für Recht und Verbraucherschutz mit zehn zu 27 Stimmen durch. Die AfD kommt bei 38 Mitgliedern hier auf neun Sitze. Auch im Petitionsausschuss, wo die AfD sechs der 26 Sitze besetzt, konnte Manfred Schiller keine Mehrheit hinter sich versammeln.

Damit folgte also die überwiegende Mehrheit aller anderen Abgeordneten der Anordnung ihrer Fraktionen, nicht für die AfD-Kandidaten zu stimmen. Nur vereinzelt gab es minimale Abweichungen. Nachdem die AfD bereits in der vergangenen Legislaturperiode leer ausgegangen war, hatte die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, das Gericht machte die Vorsitzwahl jedoch als Sache des Bundestages aus.

Währenddessen konnten in den anderen Ausschüssen jetzt bekannte Namen den Vorsitz für sich beanspruchen. Die innerparteilich stark kritisierte Saskia Esken übernimmt für die SPD beispielsweise das Gremium für Bildung, Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Karl Lauterbach – der vor seiner Amtszeit als Minister im Gesundheitsausschuss tätig war – wird fortan den Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung leiten.

Außerdem besetzt die SPD die drei weitere Ausschüsse für Gesundheit mit Tanja Machalet, für Sport und Ehrenamt durch die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin und Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz sowie für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung durch Macit Karaahmetoğlu.

Die Union führt insgesamt acht Gremien: Den Ausschuss für Auswärtiges mit Armin Laschet, für Digitales und Staatsmodernisierung mit Hansjörg Durz, für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat mit Hermann Färber, für Menschenrechte und humanitäre Hilfe mit Mechthild Heil, für Tourismus mit Anja Karliczek, für Verteidigung mit Thomas Röwenkamp, für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Wolfgang Stefinger sowie für Wirtschaft und Energie mit Christian Freiherr von Stetten.

Die Grünen können drei Ausschüsse leiten: Für Angelegenheiten der Europäischen Union mit Anton Hofreiter, für Kultur und Medien mit Sven Lehmann sowie für Verkehr mit Tarek Al-Wazir. Die Linke kommt auf zwei Vorsitzende in den Gremien für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, wo Lorenz Gösta Beutin den Vorsitz erlangte, und Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, wo sich Caren Lay durchsetzte.





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Von Veritatis

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