Was darf Satire? Diese Frage stellte sich einst Kurt Tucholsky. Heute müsste man sie neu formulieren: Was darf Realität? Denn was da aus der Asylakte des mutmaßlichen Bielefeld-Attentäters Mahmoud Mhemed bekannt wurde, klingt wie aus einer bitterbösen Polit-Groteske – und ist doch traurige Wirklichkeit. Acht verschiedene Namen. Illegale Einreise über Tschechien. Ein abgelehnter Asylantrag, der trotzdem zu einer Aufenthaltserlaubnis führte. Und dann: Ein Messerangriff mit fünf Verletzten, davon zwei lebensgefährlich. Tatmotiv: laut Ermittlern religiös – ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Noch vor wenigen Monaten wäre man als „rechter Verschwörungstheoretiker“ diffamiert worden, hätte man einen solchen Fall öffentlich vorhergesagt. Heute braucht man nur „Bild“ zu lesen, um ihn belegt zu bekommen.
Der Mann, der sich selbst zum Islamischen Staat bekannte und in dessen Rucksack weitere Waffen und brennbare Flüssigkeiten gefunden wurden, soll laut Informationen aus Sicherheitskreisen unter acht verschiedenen Identitäten aufgetreten sein. Ob er sich so auch mehrfach Sozialleistungen erschlich, ist noch Gegenstand von Ermittlungen. Der eigentliche Skandal ist jedoch längst offensichtlich: Dass so etwas überhaupt möglich ist – 2025, im Zeitalter von Digitalisierung, Fingerabdrücken und biometrischer Erfassung.
Jeder Bürger, der in Deutschland einen Strafzettel nicht bezahlt, bekommt Mahnung, Pfändung und gegebenenfalls Besuch vom Gerichtsvollzieher. Aber ein Mann mit acht Identitäten – und mutmaßlichen Terrorplänen – kann monatelang ungestört durch das Land reisen, obwohl sein Asylantrag abgelehnt wurde. Er erhielt sogar subsidiären Schutz und eine Aufenthaltserlaubnis bis 2027. Als ob man ihm sagen wollte: Willkommen im „Rechtsstaat“, bediene dich.
Laut Generalbundesanwalt war die religiös motivierte Tat ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Genau das ist sie – kein Zweifel. Aber: Wenn der Staat es zulässt, dass jemand mit acht Identitäten durchs System wandert, ohne Konsequenzen, dann ist auch das ein Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Ein schleichender, behördlich verwalteter Angriff – durch Wegschauen, durch Verdrängen, durch Verächtlichmachung der eigenen Prinzipien.
Dass er sich dann am frühen Morgen des 18. Mai vor einer Bar in Bielefeld mit einem Messer auf mehrere Feiernde stürzte – darunter offenbar wahllos ausgewählte Passanten – erscheint beinahe wie der letzte Akt einer schleichenden Selbstaufgabe.
Doch statt diese strukturelle Bankrotterklärung aufzugreifen, konzentriert sich die Empörung nach wie vor auf jene, die solche Missstände öffentlich machen. Während also ein Staat unfähig ist, identitätsgestützten Betrug zu verhindern, werden kritische Journalisten seit Jahren von Medien und Aktivisten verunglimpft, weil ich die Finger in genau diese Wunden lege. Die Wunde allerdings ist längst eitrig.
Wenn sich ein Rechtsstaat so blind stellt, wenn er Gefährder schützt und Kritiker bekämpft, dann muss man sich nicht wundern, wenn das Vertrauen inzwischen unter Null gerutscht ist. Was bleibt, ist eine schlichte, verstörende Wahrheit: In Deutschland kann man sich mit acht Namen durch das System mogeln – solange man nicht „Hans Müller“ heißt und falsch parkt. Dann wird’s ernst.
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Bild: Polizei
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