Von Kai Rebmann
Seit Monaten hagelt es immer wieder Kritik an den hochumstrittenen Aufnahmeprogrammen der Bundesregierung, die insbesondere an sogenannte „Ortskräfte“ aus Afghanistan adressiert sind, auch reitschuster.de berichtete mehrfach. Tarnen, tricksen, täuschen – so lautete das Motto im dafür verantwortlichen Bundesaußenministerium und seiner bisherigen Hausherrin Annalena Baerbock (Grüne). Jetzt können die Union und ihr neuer Außenminister Johann Wadephul (CDU) ihren bisherigen Worten die entsprechenden Taten folgen lassen und das fast schon zur Routine gewordene Einfliegen der Migranten vom Hindukusch stoppen.
Denn an den bisher schon bekannten Missständen hat sich nichts geändert. Nach wie vor gelangen mit jedem weiteren Flug hunderte Afghanen nach Deutschland, über deren Hintergrund die deutschen Behörden kaum etwas wissen. Wer einen der begehrten Plätze bekommt, entscheiden nicht zuletzt irgendwelche NGOs, über die in Berlin oft nicht viel mehr bekannt ist als über die ausgewählten Migranten selbst.
Mehr noch: Die NGOs übernehmen teilweise sogar die Rolle von professionellen Schleusern und üben mindestens Beihilfe zur illegalen Einreise nach Deutschland. Das ergibt sich aus internen Dokumenten der Deutschen Botschaft in Islamabad (Pakistan), die dem „Spiegel“ eigenen Angaben zufolge vorliegen. Im Lagebericht aus dem Frühjahr 2023 heißt es etwa, Afghanen hätten aus den Händen von NGOs „verfälschte und verfahrensangepasste Dokumente“ erhalten, um an Bord eines der Flieger zu gelangen. Zudem sei ihnen geraten worden, beim eigentlich zwingend vorgeschriebenen und genau geregelten Visaverfahren durch die Botschaft vor Ort, in diesem Fall Islamabad, „abweichende Angaben“ zu machen, sprich zu lügen.
Mehr als 36.000 Afghanen sind den Angaben zufolge in den vergangenen vier Jahren seit der Machtübernahme durch die Taliban aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Klar ist, dass sich ein nicht geringer Teil davon – im Bericht ist von einem „erheblichen Anteil“ die Rede – ihre Aufnahmezusage sowie das nachfolgende Visum mit mindestens fragwürdigen Mitteln und tatkräftiger Unterstützung durch windige NGOs erschlichen hat.
Koalitionsvertrag mit zahlreichen neuen Schlupflöchern
Wie viele es genau sind, darüber kann selbst die Botschaft in Pakistan keine verlässliche Aussage treffen. Die Mitarbeiter hätten schlicht den Überblick verloren, wie im oben zitierten Lagebericht sinngemäß eingeräumt wird. Eine angemessene Prüfung sei schon allein aufgrund der Vielzahl der Anträge ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, es sei jedenfalls von einer hohen Dunkelziffer bei zu Unrecht erteilten Aufnahmezusagen und Visumsvergaben auszugehen.
Besserung dürfte vorerst nicht in Sicht sein. Im Koalitionsvertrag mit der SPD ließ sich die Union diesbezüglich auf eine Formulierung ein, die wachsweicher kaum hätte ausfallen können. Die Aufnahmeprogramme insbesondere aus Afghanistan seien „so weit wie möglich“ zu beenden, heißt es da. Damit ließen sich die kritischen und immer lauter gewordenen Stimmen in den eigenen Reihen besänftigen – der Koalitionspartner wird diese Worte aber auf seine ganz eigene Weise interpretieren, so wie es auch schon bei den Zurückweisungen an den deutschen Grenzen der Fall war.
Und auch die Grünen dürften angesichts dieser Formulierung ins Schwärmen geraten. War es doch deren Außenministerin a.D., die – wie aus internen E-Mails ersichtlich wird – die Mitarbeiter der Botschaft in Pakistan angewiesen hat, so viele Afghanen wie möglich auszufliegen. Dass sich an Bord der dazu eingesetzten Maschinen nachweislich auch immer wieder Terroristen und/oder Männer mit mehr oder weniger engen Kontakten zu den Taliban befanden, spielte für Annalena Baerbock dabei offenbar keine Rolle. Die Sicherheitsbehörden in Deutschland bezeichnen diese Vorgänge als „staatlich legalisierte Schleusungen“ und bezeichnen die Rolle des Grünen-geführten Außenministeriums während der vergangenen dreieinhalb Jahre als „hanebüchen“.
Dies zu ändern, liegt nun in der Verantwortung von Union und SPD. Schließlich war es mit Heiko Maas ein Sozialdemokrat, der das später unter Annalena Baerbock pervertierte Bundesaufnahmeprogramm im August 2021 und damit wenige Woche vor der Bundestagswahl überhaupt erst ins Leben gerufen hat. Damals hieß das Ganze noch Überbrückungsprogramm und sollte sich ausschließlich an tatsächliche Ortskräfte richten, die der Bundeswehr oder anderen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland in Afghanistan geholfen haben. Aus einigen Dutzend oder – wohlwollend kalkuliert – wenigen Hundert wurden dann nach dem Regierungswechsel in Berlin erst Tausende und schließlich Zehntausende…
Bundesregierung sicherte NGOs Vertraulichkeit zu
Die NZZ hat bereits vor knapp zwei Jahren eine NGO-Aussteigerin zitiert, die die als Bundesaufnahmeprogramm für Ortskräfte etikettierte Agenda der Ampel als „Programm für Bekannte von NGO-Mitarbeitern“ enttarnt hat: „Das war keine Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, sondern ein Überstülpen von Verantwortung.“ Mit anderen Worten: Die NGOs wählten aus und Berlin nickte allenfalls noch ab – und sicherte den NGOs überdies sogar noch „Vertraulichkeit“ in Bezug auf die Auserwählten zu!
In der Praxis heißt dies, dass selbst Anfragen der Bundespolizei bei der Bundesregierung bezüglich der bereits eingeflogenen Afghanen oder der noch auf Wartelisten in Kabul bzw. Islamabad stehenden „Ortskräfte“ faktisch ins Leere laufen. Das wiederum führte in Pakistan zu geradezu absurd anmutenden Szenen: Beamte der Bundespolizei, die eigens zur Überprüfung der Dokumente „nach deutschen Standards“ angereist waren, wurden von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes bei den vielfach aufgetretenen Beanstandungen regelmäßig ausgebremst. Man habe die zur Einreise nach Deutschland anstehenden Kandidaten selbst schon „mehrfach überprüft“ und deren Identitäten seien geklärt, so die immer wiederkehrende Behauptung der Baerbock-Mitarbeiter vor Ort.
Den Bundespolizisten waren wider besseren Wissens in den meisten Fällen also die Hände gebunden, zumal – wie aus einer ebenfalls als „vertraulich“ eingestuften E-Mail aus dem Außenministerium an die Botschaft in Islamabad hervorgeht – die dortigen Mitarbeiter bereits im Februar 2022, also nur wenige Wochen nach der Amtsübernahme von Annalena Baerbock, „aus gegebenem Anlass“ und „eindringlich“ zur Nachsichtigkeit bei der Überprüfung von Visaanträgen durch Afghanen sowie Vereinfachung der Verfahren aufgefordert wurden.
7-Jährige mit drei Kindern wollte nach Deutschland ausreisen
Statt der Vorlage echter Dokumente und Identitätsnachweise sollte der „Ermessensspielraum weitestgehend ausgenutzt“ und auch „alternative Glaubhaftmachungen“ akzeptiert werden. Auch über solche Fälle und die daraus resultierenden Folgen musste reitschuster.de in der Vergangenheit schon mehrfach berichten. Der „Spiegel“ zitiert dazu noch einige besonders abstruse Beispiele aus den gesammelten Werken, auf die die Bundespolizei und andere Sicherheitsbehörden bei ihren Recherchen vor Ort gestoßen sind:
„Ein siebenjähriges Mädchen, das laut Unterlagen drei Kinder hatte. Identische Fotos von Leichen oder Gefolterten, die als Belege für Verfolgung verschiedener Personen gelten sollten. Vermeintliche Homosexuelle, die bei Fragen zu ihrer schwulen Neigung dem Botschaftspersonal an die Gurgel wollten. Mutmaßliche Pakistaner, die mit neuen afghanischen Ausweisen als Gefährdete auftraten.“
Oder die Geschichte eines angeblich schwulen Afghanen, der seit Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt, also weit weg von den Folterknechten der Taliban. Diesen Umstand, der schon für sich alleine genommen ein Ausschlusskriterium sowohl als „Ortskraft“ als auch als vermeintlich „Gefährdeter“ darstellt, konnte der Mann erfolgreich verschleiern – mit der Hilfe eines NGO-Mitarbeiters.
Der Afghane beschrieb das Dilemma in einer WhatsApp so: „Ich lebte seit 2021 in Dubai, aber in meiner Akte steht, dass ich von den Taliban in Afghanistan gefoltert wurde.“ Ein offenkundiger Widerspruch, für den findigen NGOler aber kein unlösbares Problem. Diesem sei eine „brillante Idee“ gekommen, wie er seinem Schützling zurückschrieb: Gegenüber den deutschen Behörden wurde flugs der angebliche Partner des Mannes, der im fraglichen Zeitraum tatsächlich in Afghanistan lebte, zum offiziellen Antragsteller. Der angeblich homosexuelle und in den sicheren Emiraten lebende Afghane könne sich sodann als Lebenspartner registrieren lassen und sei so ebenfalls visumsberechtigt.
Nicht erst seit diesen jüngsten Enthüllungen steht fest: Bei dem Bundesaufnahmeprogramm der Bundesregierung ging es spätestens ab Februar 2022, also quasi mit der Amtsübernahme von Annalena Baerbock als Bundesaußenministerin, nicht mehr um den Schutz angeblicher Ortskräfte oder gefährdeter Minderheiten, sondern um das Durchdrücken einer rot-grünen Agenda – und zwar um wirklich jeden Preis. Der im Raum stehende Vorwurf der „staatlich legalisierten Schleusung“ ist ein ganz erheblicher. In anderen Zeiten hat weit weniger ausgereicht, um Untersuchungsausschüsse oder gar strafrechtliche Konsequenzen gegen die Verantwortlichen anzustrengen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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