Die Verfolgung russlandfreundlicher Menschen in Deutschland und außerhalb Deutschlands steigert sich immer mehr. Nachdem die Blogger und Journalisten Thomas Röper und Alina Lipp durch das 17. Sanktionspaket der EU gegen Russland faktisch aus Deutschland ausgebürgert wurden[1], gab es am 26. Mai Durchsuchungen in Berlin und Brandenburg bei Mitgliedern, Freunden und Angehörigen des Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V. Ein Bericht von Ulrich Heyden.

Wegen der „besonderen Schwere“ der unterstellten Handlungen – nämlich die „Unterstützung“ „prorussischer Milizen“ in den „terroristischen Volksrepubliken“ – wurden die Durchsuchungen vom Generalbundesanwalt in Karlsruhe geleitet.

Gegen zwei Verdächtige, die Vereinsgründerin Liane Kilinc und den Vereinsunterstützer Klaus Koch, liegen Haftbefehle vor, die aber nicht ausgehändigt werden konnten, weil sich die beiden Verdächtigen in Russland befinden.

Der Berliner Tagesspiegel berichtete[2], die humanitäre Hilfe des Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V. sei „nur der Deckmantel“ gewesen. Der Verein habe „Güter für Kampfeinsätze an die russische Armee geliefert“, so etwa „Motoröl für Schützenpanzer, Drohnen und Drohnenblocker und Wärmebildkameras.“

Beweise für diese Behauptungen wurden nicht genannt. Stattdessen publizierte der Tagesspiegel ein Foto, welches angeblich „alles erklärt“. Darauf zu sehen sind Aktivisten des Vereins, offenbar mit Freunden aus dem Donbass. Sie halten Transparente des Vereins „Friedensbrücke“ unter der „Volksrepublik Donezk“. Im Hintergrund sieht man auf einer Plane ein „Z“, das Symbol der russischen „Spezialoperation“, in Deutschland „unprovozierter Überfall auf die Ukraine“ genannt.

Die Volksrepubliken plötzlich „terroristisch“?

In einem Bericht der „Tagesschau-online” heißt es[3], der Generalbundesanwalt habe die Volksrepubliken Donezk und Lugansk als „terroristische Vereinigungen“ eingestuft. Diese Bezeichnung ist für die deutschen Medien neu und überrascht, denn bisher war nur von „von Russland kontrollierten“ oder „von Russland annektierten Gebieten“ die Rede.

Die in Österreich lebende Buchautorin Andrea Drescher, die sich seit Langem mit den Volkrepubliken beschäftigt, stellte in einem Internet-Chat zu Recht die Frage, wie denn die Volksrepubliken „terroristische Vereinigungen“ sein können, wo doch die Präsidenten dieser beiden Republiken 2015 das Minsker Abkommen unterzeichnet haben. Weitere Unterzeichner waren damals der frühere Präsident der Ukraine Leonid Kutschma, der Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine Michail Surabow und die Beauftragte der OSZE Heidi Tagliavini. Gelten auch diese Personen jetzt als Terrorismus-Unterstützer?

Es wäre eigentlich Aufgabe von Journalisten der großen deutschen Medien, danach zu fragen, ab wann genau die Volksrepubliken „terroristisch“ wurden. Aber für die „Tagesschau“ reicht als „Beleg“, dass Kiew seit Jahren von „terroristischen Volksrepubliken“ spricht.

Kiew setzt eine Sprachregelung, und der Generalbundesanwalt übernimmt. Auf was für ein Deutschland steuern wir zu?

Ein 15-Jähriger, umgeben von Vermummten und Schwerbewaffneten

Den Ermittlungsbehörden war sicher schon vor der groß angelegten Durchsuchungsaktion bekannt, dass Liane Kilinc und Klaus Koch, gegen die jetzt Haftbefehle vorliegen, seit mehreren Jahren in Moskau leben. Aber zu der groß aufgemachten Durchsuchungsaktion gehörte offenbar, dass man „gefährlichen Tätern“ auf der Spur war.

Klaus Koch, der über 70 Jahre alt ist, hat die Durchsuchungsaktion schockiert. Einen Tag danach schrieb er in einem Chat, sein Enkel sei von schwer bewaffneten und vermummten Sicherheitskräften „überfallen“ worden. Der Enkel sei 15 Jahre alt und allein zu Hause gewesen. Die ganze Straße sei abgesperrt worden, „wie bei einer Bombendrohung“. Man habe das Haus seines Sohnes „auf den Kopf gestellt und nichts gefunden“. Die Presse aber habe „von Terroristen und Unterstützern terroristischer Organisationen“, von „Waffenlieferungen und ähnlichem Blödsinn“ berichtet. Als Mitglied des Präsidiums des deutschen Friedensrates protestiere er, Klaus Koch, „auf das Schärfste gegen das Vorgehen des Generalbundesanwalts“.

Von seinem Sohn habe er eine Kopie des Durchsuchungsbefehls erhalten, berichtete Koch dem Autor dieser Zeilen. Nach diesem Befehl lautete die Weisung für die Sicherheitsbeamten „Sicherstellung“ von digitalen Trägern, Speichermedien, Telefonen und Dokumenten.

Die Durchsuchung habe zwei Stunden gedauert. Erst nach einer Stunde sei sein Sohn nach Hause gekommen, sodass der Enkel den Sicherheitskräften nicht mehr allein gegenüberstand, berichtete Koch.

Zeitungen machen mit bei „Terroristen“-Jagd

Die Durchsuchungsaktion wurde von den großen deutschen Medien mit Artikeln in großer Aufmachung begleitet. Alle diese Artikel waren in einem bedrohlichen, einschüchternden Stil verfasst. Die Verdächtigen wurden den Lesern faktisch als „Täter“ präsentiert.

Ganze Journalisten-Gruppen arbeiteten an Artikeln. Am Bericht für „Tagesschau-online” arbeiteten vier namentlich genannte Journalisten vom WDR und NDR. Ein langer Bericht im Berliner Tagesspiegel wurde ebenfalls von vier namentlich genannten Journalisten gezeichnet. Vermutlich begann die Recherche schon vor der Durchsuchungsaktion, denn so ein Thema lässt sich nicht in ein paar Stunden recherchieren.

Der Bericht des Tagesspiegel beginnt mit einer schaurigen Einleitung. Das Bundeskriminalamt sei am Dienstag mit einer Razzia gegen Mitglieder eines prorussischen Vereins „wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgegangen“. Durchsucht worden seien das Vereinsbüro in Berlin-Friedrichshain. Weitere Durchsuchungen fanden statt im brandenburgischen Zernsdorf. Dort rückten „schwer bewaffnete Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) und Spezialkräfte an“. Auch in Wandlitz und Höhenland „war das BKA“ im Einsatz.

Gab es einen Auslöser für die Durchsuchungsaktion?

Die Durchsuchungsaktion reiht sich ein in die kriegstreiberische Tonart der neuen Bundesregierung unter Friedrich Merz. Möglich scheint auch, dass die neue Regierung es als unerträglich empfand, dass der Vereinsgründerin Liane Kilinc am 23. April die russische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Geärgert hat man sich im Bundeskanzleramt vermutlich auch darüber, dass am 9. Mai eine Reisegruppe von 40 Ostdeutschen nach Moskau gereist war, um an einer wissenschaftlichen Konferenz zum 70. Jubiläum des Warschauer Vertrages (in Westdeutschland bekannt als „Warschauer Pakt“) teilzunehmen.

Dass der Verein „Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe“ die Geschichte der DDR nicht in die Tonne treten will und auch noch separatistische Gebiete in der nach Europa strebenden Ukraine unterstützt, scheint für die großen deutschen Medien an Landesverrat zu grenzen. Über Klaus Koch, gegen den angeblich ein Haftbefehl vorliegt, schreibt der Tagesspiegel: „Der ehemalige Oberstleutnant der NVA nennt den Mauerfall 1989 eine „Konterrevolution“, die nicht verhindert werden konnte und die zur „Beseitigung der Sowjetunion“ geführt habe. Aus dieser Haltung leitete sich offenbar seine heutige Unterstützung für Russland ab.“

Die wirkliche Geschichte des Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe

Der Verein Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe, der seit 2015 humanitäre Hilfe in die Volksrepublik Donbass – und zeitweise auch in Gebiet der Zentralukraine – schickt, unterstützte nach Aussagen von Liane Kilinc im Laufe der Jahre 800 Hilfsprojekte im Donbass, darunter die Instandsetzung von Schulen, die Einrichtung von Nähwerkstätten und Kleingärten-Projekte. 2022 wurde dem Verein nach einer Medienkampagne die Förderungswürdigkeit entzogen.

Liane Kilinc siedelte 2022 nach Moskau über, weil vor ihrem Haus in Wandlitz Autos mit ukrainischen Kennzeichen parkten. Sie fühlte sich von ukrainischen Nationalisten beschattet und bedroht.

Während man bis 2022 Hilfsgüter direkt aus Deutschland lieferte, ging der Verein dann dazu über, Hilfsgüter mit Spenden aus Deutschland in Russland zu kaufen und in die Volksrepublik Donezk zu liefern

Der Autor dieser Zeilen ist mit den „Volksrepubliken“ und der Thematik humanitäre Hilfe für den Donbass seit Jahren befasst. Von ihm erschien das Buch „Der längste Krieg in Europa seit 1945. Augenzeugenberichte aus dem Donbass“, Hamburg 2022, tredition. In dem Buch sind Donbass-Reportagen von 2014 bis 2022 zusammengefasst. Mit Liane Kilinc, der Leiterin des Vereins Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe, hat der Autor dieser Zeilen mehrere Interviews geführt, zuletzt im Januar dieses Jahres.

Titelbild: Ulrich Heyden



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Von Veritatis

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