1. Der Druck ist für Gletscher entscheidend

Wenn es kalt genug ist und über viele, viele Jahre mehr Schnee fällt, als im gleichen Zeitraum wieder abtauen oder verdunsten kann, bilden sich Gletscher. Dies ist meist oberhalb der Schneefallgrenze der Fall, beziehungsweise dort, wo dauerhaft Minusgrade vorherrschen.

Durch das Gewicht immer neuer Schneemassen wird die darunterliegende Schicht zusammengepresst, es entsteht zunächst körniger Firn. Entsteht durch noch mehr Schnee weiterer Druck, bildet sich Gletschereis. Das hat in der Regel eine andere Farbe als die Eiswürfel aus dem Gefrierfach: Durch den Druck wird auch der Sauerstoff herausgepresst, weshalb „junges“ Gletschereis bläulich schimmert.

Sobald die Eismasse dick genug ist, beginnt sie unter ihrem eigenen Gewicht und durch die Schwerkraft langsam talabwärts zu fließen. Viele Gletscher in Europa bildeten sich während der letzten Kaltzeit vor etwa 20.000 Jahren: Weite Teile Nord- und Mitteleuropas waren von mächtigen Eisschilden bedeckt. Viele der Gletscher in den Alpen und den Pyrenäen stammen aus dieser Zeit.

2. Gletscher sind der größte Wasserspeicher der Welt

71 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Allerdings sind davon gerade einmal 2,5 Prozent Süß- also Trinkwasser. Wiederum 70 Prozent dieses kleinen Anteils sind gespeichert, entweder als Grundwasser, vor allem aber als gefrorenes Eis der Gletscher. Weltweit soll es davon noch 215.000 geben – Experten schätzen, dass alle Gletscher der Erde zusammengerechnet eine Fläche von 700.000 Quadratkilometern besitzen. Das ist ungefähr doppelt so viel Fläche, wie die Bundesrepublik besitzt.

3. Lambertgletscher ist am größten

Der größte Inlandsgletscher der Welt ist der Lambertgletscher in der Ostantarktis. Er misst etwa 420 Kilometer in der Länge und ist im Binnenland zwischen 90 und 130 Kilometer breit. Der größte kontinentale Gletscher der Welt ist der Vanch-Yakh, er liegt im Pamir und ist 70 Kilometer lang und 925 Quadratkilometer groß. Noch, denn wegen des Klimawandels ist seine Fläche binnen der vergangenen 80 Jahre um einen Kilometer zurückgegangen. Was wenig klingt, aber den Verlust von 44 Quadratkilometern Trinkwasser bedeutet.

In den Alpen ist der Aletschgletscher mit einer Fläche von 81,7 Quadratkilometern Spitzenreiter. Wie stark hier der Klimawandel am Eis nagt, belegt seine Ausdehnung im Jahr 1973: Damals waren es noch 128 Quadratkilometer.

4. Steigende Temperaturen setzen Gletschern zu

Tatsächlich schmelzen die Gletscher weltweit immer schneller: Durchschnittlich gingen in der letzten Dekade jährlich 273 Milliarden Tonnen Eis verloren. „Die heutige Größe der Gletscher lässt sich nicht mehr retten, selbst wenn alle Länder augenblicklich auf die Emissionen von Treibhausgasen verzichten würden“, erklärt Thorsten Seehaus vom Institut für Geografie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Jene Gletscher, die noch nicht angefangen haben zu schmelzen, könne man an wenigen Händen abzählen.

Theoretisch können Gletscher auch wachsen, zumindest dann, wenn sich die Temperatur abkühlt. Ein Beispiel dafür ist der Jakobshavn-Gletscher auf Grönland, der nach jahrzehntelangem Rückzug seit 2017 wieder zulegt. Dies wird auf eine vorübergehende Abkühlung des Nordatlantiks zurückgeführt.

5. Auch der Schneeferner verschwindet

Deutschlands größter Gletscher liegt wenige hundert Meter unterhalb der Zugspitze – der Schneeferner. Wobei das Adjektiv „größter“ irreführend ist: Vor Beginn des Klimawandels dehnte sich der Schneeferner noch auf 300 Hektar Fläche aus – was umgerechnet 420 Fußballfeldern entspricht. Heute sind davon gerade einmal noch elf Fußballplätze übrig.

Im Frühjahr versuchen Pistenraupen sogenannte „Gletscherpflaster“ zu errichten: Große Schneehaufen werden zusammen geschoben, die das Eis darunter schützen sollen und zuerst abtauen, bevor das Eis angegriffen wird. Eine andere Variante sind riesige weiße Lastwagenplanen, die über den Gletscher gelegt werden, um ihn vor der Sonne zu schützen.

„Mit dieser Technologie sind wir am Ende“, sagt die österreichische Glaziologin Andrea Fischer. Der Klimawandel reiße Wunden in die Berge, die mit Pflastern nicht mehr zu lindern seien. „Das Tempo der Gletscherschmelze hat enorm zugenommen, wir stehen unmittelbar vor dem Kipppunkt“, sagt Fischer, die Alpenregion erwärme sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt.

5. Der kleine Bruder der großen Schmelze: Der Meeresspiegelanstieg

Wissenschaftler haben untersucht, wie viel Gletschereis zwischen 2000 und 2023 abgeschmolzen ist: 6,5 Billionen Tonnen. Und weil diese Eismasse irgendwo hin ist, stieg der weltweite Meeresspiegel allein in diesem Zeitraum um 1,8 Zentimeter. Der Weltklimarat IPCC erwartet, dass der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu einen Meter steigen wird – und zwar überall auf der Welt. Für Städte wie Bangkok, New York, Basra oder Jakarta ist das zu viel, auch für Hamburg, Emden oder Bremen wird das existenzgefährdend.

Eine Studie hatte gerade ergeben, dass eine Klimaerhitzung um mehr als 1,5 Grad zu viel für die Eismassen an den Polen ist: Sie werden kollabieren. Wanderer in den Bergen kennen das Phänomen: Weil es oben kühler ist als unten im Tal, packen sie einen Pullover ein. Bei den Gletschern verhält es sich ähnlich: Der grönländische Eispanzer ist in seiner Spitze mehr als 3.000 Meter hoch. Fängt diese Spitze an zu tauen, fällt sie nach unten in immer wärmere Schichten – das Tauen kann nie wieder angehalten werden. Der grönländische Eisschild ist viermal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, allein sein Schmelzen würde den Meeresspiegel um sieben Meter anheben. Wenn das gesamte Eis auf der Erde schmilzt, wird der Pegel der Ozeane weltweit um 70 Meter steigen. Das Regierungsviertel in Berlin stünde dann genauso unter Wasser wie Düsseldorf, Hannover oder Magdeburg, Cottbus läge dann an der Küste.

7. Die UNO will den Gletscherschwund stoppen

Die Vereinten Nationen haben 2025 zum „Internationalen Jahr des Erhalts der Gletscher“ ausgerufen. Damit es aber nicht nur bei Symbolpolitik bleibt, tritt an diesem Donnerstag eine internationale Gletscherkonferenz in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe zusammen. Neben dem Austausch der Wissenschaft ist eine Deklaration Ziel der Konferenz, die konkrete Schritte zum Gletscherschutz benennt. Die „Dushanbe Declaration“ soll dann auf der UN-Generalversammlung beraten und in die Weltklimakonferenz COP30 im November im brasilianischen Belem einfließen.

Zudem soll ein Fonds für den Gletscherschutz gegründet werden. Die UNO erklärt das Ziel der Konferenz so: „Durch die Verknüpfung von Wasser- und Klimaagenda zielt die Konferenz darauf ab, die Bemühungen zum Gletscherschutz mit den globalen Zielen für Wasser-, Energie- und Ernährungssicherheit zusammenzubringen.“ Die Bundesrepublik wird von Spezialisten der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ und des Umweltbundesamtes sowie durch den Botschafter in Tadschikistan vertreten.

8. Bekannte Medizin

So simpel die Strategie gegen das Verschwinden der Gletscher ist, so schwierig ist diese umzusetzen: Die Menschheit stößt immer noch viel zu viele Treibhausgase aus. Zwar gibt es seit 30 Jahren Klimakonferenzen, die stets geloben, manchmal auch beschließen, die Emissionen zu reduzieren. Tatsächlich aber werden es jedes Jahr mehr Treibhausgase, die in die Atmosphäre verfrachtet werden. Mit dem Paris-Protokoll hatten sich die Staaten der UNO 2015 verpflichtet, „Anstrengungen zu unternehmen“, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. 2024 lag die Durchschnittstemperatur aber bereits 1,6 Grad höher als vor der Industriellen Revolution.

Ein zweiter nicht unbedeutender Fakt setzt dem Gletschereis zu: Rußpartikel, beispielsweise aus der Schifffahrt. Die lagern sich auf den hellen Eisflächen ab und verdunkeln es so. Dadurch sinkt der Albedo-Effekt: Dunkle Flächen reflektieren Sonnenenergie weniger als helle, weshalb sich die Schmelze beschleunigt.

9. Birchgletscher im Wallis: Gletscher können gefährlich sein

Im Kanton Wallis sind am Mittwoch große Mengen Eis, Schnee, Fels und Schlamm ins Tal gestürzt und haben große Teile des Schweizer Dorfes Blatten verschüttet. Der Abbruch vom Birchgletscher war erwartet worden, weshalb die etwa 300 Einwohner vor Wochenfrist evakuiert worden waren. Trotzdem wird ein Mensch vermisst.

Das ist nicht der erste Gletschersturz seiner Art. Durch den Klimawandel häufen sich solche Unglücke: Im Jahr 2022 sorgten sehr hohe Temperaturen dafür, dass am Berg Marmolata ein Eisblock vom Gletscher abriss und elf Bergsteiger ums Leben kamen. 2023 sind mindestens 100.000 Kubikmeter Gestein vom Südgipfel des Fluchthorn-Massivs bei Galtür ins Tal gestürzt, 2024 tötete herabstürzendes Gletschereis zwei Alpinisten am Mont Blanc. Mit den steigenden Temperaturen verlieren die Alpen ihren Kitt: den Permafrost – dauergefrorenen Boden.

10. Kurrios: Schmelzende Gletscher sorgen für mehr Erdbeben

Das ist auf den ersten Blick nicht zwingend logisch: Das Abschmelzen der Gletscher infolge der Temperatursteigerung hat auch Einfluss auf die Tektonik. Beispielsweise auf Alaska, dem drittgrößten Gletschergebiet der Erde: Auf den Bergen des St.-Elias-Gebirge im Südosten lasten Hunderte Milliarden Tonnen Eis. Und dieses gigantische Gewicht drückt auf die „Nordamerikanische Kontinentalplatte“ in dem darunterliegenden Erdmantel.

Allerdings sind die Eismassen durch die Klimaerhitzung auch dort spürbar abgeschmolzen. „Das scheint Beben auszulösen“, erklärt Jeff Freymueller, Geophysik-Professor an der Michigan State University. Für Freymueller ist das entlegene Gebirge auf Alaska ein zentrales Arbeitsgebiet, denn hier kann er „live“ beobachten, wie groß der Einfluss der Gletscherschmelze auf die Erdbebenaktivität ist: Es lastet weniger Gewicht auf der Oberfläche. „Diese Lastveränderungen können die Spannungen in der Erdkruste stark erhöhen und dadurch letztlich Erdbeben auslösen“, erklärt Freymueller.



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Von Veritatis

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