Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) warnt vor den ausufernden Verwaltungskosten der deutschen Sozialversicherungen. Laut BDA-Berechnungen belaufen sich diese Kosten auf 25 Milliarden Euro jährlich. Fast die Hälfte entfalle auf die gesetzliche Krankenversicherung, doch auch in der Arbeitslosen- und Rentenversicherung versickerten nach BDA-Angaben Milliardenbeträge in zweistelliger Höhe in einem zunehmend überbürokratisierten System.

Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung findet BDA-Präsident Dr. Rainer Dulger deutliche Worte: „Das ist keine Kleinigkeit, sondern mehr, als man hierzulande für Elterngeld, Wohngeld und Bafög zusammen ausgebe.“ Dulger mahnt zu einem Kurswechsel im Sozialstaat: Die Strukturen der Sozialversicherungen müssten gestrafft, unnötige Ausgaben konsequent vermieden werden – zugunsten der Beitragszahler. „Wir brauchen eine Sozialversicherung, die effizient, digital und kostenbewusst arbeitet“, so Dulger.

Ein Blick auf die Verwaltungsaufwendungen der verschiedenen Sozialzweige zeigt große Unterschiede: Während die Rentenversicherung lediglich 1,2 Prozent ihrer Gesamtausgaben für Verwaltung aufwendet, liegt die Quote bei der Arbeitslosenversicherung bei stolzen 14 Prozent. Zwar lässt sich der höhere Wert mit dem individuellen Betreuungsaufwand begründen – etwa bei der Arbeitsvermittlung. Doch für die Arbeitgeber ist das kein Freibrief für ausufernde Bürokratie.

Vor allem in der Renten- und der gesetzlichen Unfallversicherung sieht die BDA Potenzial für Effizienzsteigerungen – nicht zuletzt, um langfristig die finanzielle Tragfähigkeit des Sozialstaats zu sichern.

Deutschland ist überreguliert

Der BDA-Präsident verweist auf ein strukturelles Grundproblem: Die Überregulierung lähmt zunehmend die wirtschaftliche Dynamik des Standorts Deutschland. Die Bürokratiekosten für Unternehmen summieren sich laut ifo Institut inzwischen auf über 65 Milliarden Euro pro Jahr – eine Last, die nicht nur Ressourcen bindet, sondern Innovationskraft und Investitionsbereitschaft untergräbt. Besonders gravierend wirken sich die regulatorischen Hürden im Arbeitsrecht aus. Dokumentations- und Berichtspflichten absorbieren wertvolle Personalkapazitäten und verursachen erhebliche Zusatzkosten – mit unmittelbaren Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Betriebe wie international operierender Konzerne.

Zwar gehört der Bürokratieabbau seit Jahren zum rhetorischen Repertoire nahezu aller politischen Parteien, doch die Realität spricht eine andere Sprache. Statt spürbarer Entlastung wächst die Regulierungsdichte kontinuierlich – ein Befund, den auch der aktuelle Bericht des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) für das Jahr 2024 bestätigt. Aus wohlmeinenden Ankündigungen müssen endlich konkrete, messbare Verbesserungen werden. Der Abbau bürokratischer Lasten ist keine Frage der Ideologie, sondern eine zentrale Voraussetzung dafür, den schleichenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zu bremsen.

Sozialstaat wächst ungebremst

In den vergangenen zehn Jahren sind die Sozialausgaben in Deutschland nahezu ungebremst gestiegen und haben 2023 erstmals die Marke von einer Billion Euro überschritten. Der Anteil des Sozialstaats am Bruttoinlandsprodukt liegt inzwischen bei über 30 Prozent – 2018 waren es noch 29,4 Prozent, Tendenz weiter steigend. Das ist eine gefährliche Tendenz, denn Deutschland steht vor einer demografischen Zerreißprobe: Die Zahl der Rentenbezieher wächst kontinuierlich, während das Erwerbspersonenpotenzial schrumpft. Allein in den vergangenen Jahren sind rund eine halbe Million Arbeitsplätze verloren gegangen – ein alarmierendes Signal für die Tragfähigkeit des umlagefinanzierten Sozialstaats.

Die demografische Schieflage bringt das Gleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern zunehmend aus der Balance. Es entstehen strukturelle Unwuchten, die sich fiskalisch in wachsenden Umverteilungslasten niederschlagen – mit spürbaren Konsequenzen für die junge Generation und die Leistungsträger im System.

Besonders problematisch: Die Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber erreichen 2025 mit durchschnittlich 42,3 Prozent ein neues Rekordniveau, nachdem sie 2015 noch unter 40 Prozent lagen. Damit wächst der Sozialstaat deutlich schneller als die Wirtschaft, was die Wettbewerbsfähigkeit massiv beeinträchtigt und die Belastung für Beschäftigte und Unternehmen kontinuierlich erhöht. Deutschlands Sozialstaatsmodell steht in den kommenden Jahren demografiebedingt vor einem anhaltenden Stresstest. Und es ist zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich, dass die Politik dem Ratschlag der Arbeitgeber folgen wird und die nötigen Reformen präventiv umsetzt. Wir werden uns also auf weitere Steuererhöhungen, höhere Beitragssätze sowie die bekannten politischen Schnellschüsse im Krisenfalle gefasst machen müssen.  





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Von Veritatis

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