Unsere moderne Welt wird immer ambivalenter. Wenn es schon früher leicht in die Irre führen konnte, sich auf ein Schwarz-Weiß-Denken einzulassen, so ist dies heute noch fataler. Das jüngste Beispiel: Gerade heute Morgen habe ich hier auf meiner Seite einen Artikel über meine Enttäuschung über US-Präsident Donald Trump geschrieben. Kaum ging der Beitrag online, schon lese ich etwas, was mein Herz höher schlagen lässt – und was aus der Trump-Regierung kommt:
US-Außenminister Marco Rubio hat Einreisebeschränkungen für ausländische Amtsträger angekündigt, die bei Online-Zensur gegen US-Bürger oder amerikanische Technologiekonzerne mitgewirkt haben.
Bei den deutschen Medien ist, wenn sie überhaupt berichten – und das meist auch nur im Kleingedruckten, die Schnappatmung sofort so groß, dass sie das Wort „Zensur“ in Anführung setzen, wie etwa die „Berliner Zeitung„. Gerade so, als ob die Zensur im Internet ein Hirngespinst von bösen Rechten sei – und eben vom neuen US-Außenminister. Dabei haben die meisten von uns genau diese Zensur bereits sehr handfest erlebt – zum Beispiel meine Abonnenten auf Facebook, Youtube oder – damals noch – Twitter. Oder auf Linkedin, wo meine Seite dauerhaft gesperrt ist – ohne dass die Verantwortlichen auch nur konkret erklären, warum.
Personen, die „die Rechte der Amerikaner untergraben“, sollen künftig nicht mehr in die Vereinten Staaten einreisen dürfen, schrieb Rubio am Mittwoch auf X, das inzwischen der Zensur abgeschworen hat. Besonders pikant: Der Post erschien ausgerechnet vor einem Treffen Rubio mit dem neuen Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) in Washington. Die Einreiseverbote würden sich auf Verantwortliche „in Lateinamerika, Europa oder anderswo“ beziehen, so Rubio.
Muss der frühere Regierungssprecher Steffen Seibert – heute von Merkels Gnaden Botschafter in Tel Aviv – nun mit einem US-Bann rechnen? Unter seine Ägide fand zu Hochzeiten des totalitären Corona-Wahnsinns ein Geheimtreffen mit Verantwortlichen von Facebook, Google & Co im Kanzleramt statt, bei dem Zensur eines der zentralen Themen gewesen sein dürfte (siehe hier). Wie steht es mit Seiberts Chefin Angela Merkel? Wenn Rubio es wirklich ernst meint, sollte sich die Ex-Kanzlerin Sorgen machen. Und was ist mit Karl Lauterbach und Jens Spahn? Und mit indirekt Verantwortlichen wie Ex-RKI-Chef Lothar Wieler oder Christian Drosten?
Fragen über Fragen.
Rubios Vorwurf an die ausländischen Behörden: Sie haben in seinen Augen Zensurmaßnahmen gegen US-Bürger und -Unternehmen ergriffen, „ohne über die entsprechende Befugnis zu verfügen“. Besonders pikant: Die Einreisebeschränkungen drohen auch Vertretern der Europäischen Union treffen. „Die Zeit der passiven Duldung ist vorbei“, betonte Rubio.
Dass er sich auf Zensurmaßnahmen gegen US-Bürger und Unternehmen bezieht, ist der internationalen rechtlichen Logik geschuldet – als US-Außenminister ist seine Hauptaufgabe, deren Rechte verteidigen. Faktisch richtet sich die Ankündigung, wenn sie denn umgesetzt wird, aber auf Zensur generell: Denn da, wo zensiert wurde, geschah dies unabhängig vom Pass der zensierten – und es dürften in den meisten Fällen auch US-Bürger darunter gewesen sein.
Die Reisebeschränkungen können laut Rubio auch Familienmitglieder der Zensoren treffen. Aufgrund ihres in der Verfassung festgeschriebenen Rechts auf freie Meinungsäußerung seien die USA „ein Leuchtfeuer der Freiheit auf der ganzen Welt“, schrieb Rubio. Es sei „einfach inakzeptabel“, wenn US-Tech-Plattformen „globale Inhaltsmoderationsrichtlinien übernehmen oder Zensuraktivitäten“ vornehmen müssen. „Wir werden keine Eingriffe in die amerikanische Souveränität tolerieren, insbesondere wenn solche Eingriffe die Ausübung unseres grundlegenden Rechts auf freie Meinungsäußerung untergraben.“
Gut gebrüllt, Löwe. Allerdings – dass viele US-Plattformen in vorauseilendem Gehorsam selbst zensierten und dass sie das nicht nur in der EU, sondern auch im eigenen Land taten, auf Druck der Biden-Regierung – das verschweigt Rubio. Und das lässt seine Rhetorik vom Leuchtfeuer der Freiheit etwas schal wirken. Was ist mit einer Aufarbeitung der Zensur im eigenen Land? Mit Einreisesperren kann Rubio den US-Managern wohl kaum drohen.
Eine weitere Frage ist, ob es Rubio nicht mehr um die Marktmacht seiner heimischen Konzerne geht als um Meinungsfreiheit. Die EU hatte im Februar neue Vorschriften für Digitalkonzerne angekündigt. Sie richtigen sich nicht nur gegen sogenannte „Hassrede“, wie Regierungskritik inzwischen gebrandmarkt wird, sondern auch gegen die Übermacht großer Digitalkonzerne im Netz. Die EU versteift sich darauf, dass ihre Länder wirtschaftliche Aktivitäten auf ihrem Territorium selbst regulieren sollen – auch solche im Internet. Allein im April erlegte Brüssel gegen Apple und Meta Strafen von 700 Millionen. Die Begründung: Sie hätten gegen das höchst problematische Gesetz für digitale Märkte (DMA) verstoßen.
Über Rubios wahre Intention kann man also durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Dennoch – sein Schritt ist positiv. Wenn es nicht bei der Ankündigung allein bleibt und es wirklich zu einem echten Schritt über einen X-Post hinaus kommt.
„Die US-Regierung von Präsident Donald Trump hatte wiederholt scharfe Kritik an der EU geübt, weil diese in Europa tätigen US-Technologiekonzernen wie Apple, Google und der Facebook-Mutter Meta strenge Regeln etwa gegen Hassrede im Internet auferlegt hat“, schreibt selbst die „Berliner Zeitung“ – nicht ohne dann sofort wieder in das übliche linke Framing zurückzufallen: „Die rechtsgerichtete Regierung in Washington betrachtet dies als Einschränkung der Meinungsfreiheit.“
Werte Kollegen von der Berliner Zeitung: Was ist es denn sonst? Eine wahlgemeinte (Um-)Erziehungsmaßnahme? Warum redet Ihr die schrecklichen Maßnahmen von damals weiter schön, statt die Dinge beim Namen zu nennen?
Weiter schreibt das Blatt: „US-Vizepräsident JD Vance hatte im Februar bei einem Besuch in Deutschland angebliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Europa angeprangert.“
Angeblich?
Geht´s noch?
Wie blind muss man sein, um nicht zu sehen, wie massiv bei uns die Meinungsfreiheit untergraben wurde und wird. Wie Bürger wegen kritischer Posts mit Polizeirazzien im Morgengrauen rechnen müssen, und Journalisten inzwischen sogar wegen Karikaturen mit Gefängnisstrafen?
Statt sich solidarisch zu zeigen und die Missstände zu benennen, schreiben sie unsere „Qualitäts-Journalisten“ weiter schön. Selbst bei der „Berliner Zeitung“, die sich in Sachen Corona Freiheiten nahm, die bei anderen Medien völlig undenkbar gewesen wären.
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