Es ist eine großartige Zeit, Ladenbesitzer zu sein und ein Warenangebot zu präsentieren, das all jene anspricht, die mit dem Zusammenbruch der Zivilisation rechnen. „Es fing mit Covid an“, sagt Justin Jones, Betreiber des Online-Handels UK Prepping Shop, dessen Sortiment von Notnahrung und Kurbelradios bis hin zu Armbrüsten und Schutzwesten reicht. Seine Kunden sind Prepper, also Personen, die nicht nur mit der Apokalypse rechnen, sondern sich auch intensiv und fortwährend darauf vorbereiten.
Sie beschaffen sich alles, was man brauchen könnte, um auf Cyberangriffe vorbereitet, dem Klimawandel gewachsen und auf die nukleare Bedrohung eingestellt zu sein. Selbst die britische Regierung empfiehlt, dass sich jeder ein Survival-Kit zulegen sollte.
Kaliumtabletten ausverkauft
Das Geschäft von Justin Jones boomt, ebenso wie die britische Prepping-Szene einen Aufschwung nach dem anderen erlebt; 22.700 Mitglieder vereint die Facebook-Gruppe UK Preppers and Survivalists und mehr als 6.000 die Facebook-Gruppe UK Preppers Club. Freilich ist die Szene im Vereinigten Königreich nicht so bekannt, wie das auf ihr US-amerikanisches und kanadisches Pendant zutrifft.
„Prepper sind von Natur aus etwas verschlossen“, sagt Bushra Shehzad, die an der Universität Newcastle für ihre Promotion über Marketing und Konsumentenverhalten zum Thema Prepping forscht. „Sie sind skeptisch, wenn ihnen Außenstehende Fragen stellen. Ich denke, es liegt besonders daran, dass sie auf eine Weise dargestellt werden, mit der viele von ihnen nicht einverstanden sind.“ Es gibt weitere Unterschiede zur nordamerikanischen Szene, die sofort auffallen, wenn man sich das Youtube-Video Hundert Dinge, wie man sich auf das Kommende vorbereiten sollte von Canadian Prepper ansieht (Tenor: „Sie sind wahrscheinlich ein Prepper, wenn Sie die folgenden Dinge tun …“).
In Großbritannien ist privater Waffenbesitz unüblich und zudem stark eingeschränkt, woraufhin viele der Aktivitäten wegfallen, die nordamerikanische Prepper als ihr Kerngeschäft betrachten – die Verfügung über Waffen, das Erlernen des Umgangs damit, deren Reinigung, das Anlegen eines Outdoor-Lagers, um sie aufzubewahren. Außerdem gilt, dass Großbritannien wirklich flächendeckend mit Strom versorgt wird. „Also wird niemand einen voll ausgestatteten Notfallrucksack dabei haben, wenn er unterwegs ist“, sagt Leon (Name geändert), der eine Website für Prepper-Zubehör betreibt.
Placeholder image-1
Allerdings beschäftigen Briten, US-Amerikaner und Kanadier die gleichen Wahrnehmungen, die dazu angetan sind, den Verkauf von Prepper-Produkten in die Höhe zu treiben. „Während Covid war es der Handel mit gefriergetrockneten Lebensmitteln, als viele Leute begannen, sich etwas genauer damit zu beschäftigen“, sagt Justin Jones. „Pensionierte Hausärzte haben bei mir gekauft; auch Tierärzte. Das Thema ist salonfähig geworden, es geht nicht mehr um alte Rambo-Naturen, von denen die Szene beherrscht wird.“ Als Russland in die Ukraine einmarschiert sei, fährt Jones fort, „waren Gasmasken, Atomschutzmittel und Kaliumtabletten begehrt und schnell ausverkauft. Wir haben in nur anderthalb Tagen den Umsatz eines ganzen Monats gemacht.“
Bushra Shehzad mahnt mehr Respekt gegenüber einem Phänomen an, das sie „Survivalismus“ nennt, auf Deutsch könnte man sagen „Überlebenskunst“. Prepper seien nicht hysterisch, sondern bestens informiert. „Was sie an Sorgen umtreibt, ist geopolitischer, ökonomischer und klimatischer Natur“, pflichtet Jones ihr bei. „Als jüngst Spanien und Portugal von flächendeckenden Stromausfällen betroffen waren, erwiesen sich solarbetriebene Radios mit Aufzieh-Dynamo als äußerst begehrt. Normalerweise verkaufe ich davon zehn Stück pro Woche. Plötzlich waren es 40 an einem Tag. Von meinen Vorräten blieb nicht viel übrig.“ Auch Feinkost-Lebensmittel erfreuten sich eines wachsenden Zuspruchs, so Jones. „Meine lokale Genossenschaft, von der ich die Waren beziehe, kann nicht immer liefern, was ich brauche.“
Prepper zwischen individualistisch-rechts und fundamentalistisch-libertär
Vor zehn Jahren hatte Lincoln Miles gerade den ersten Prepper-Laden Großbritanniens in Bedfordshire eröffnet. Wer kaufte dort ein? Vorwiegend waren es junge Männer, die auf der Jagd nach Kleinwild waren und Drahtsägen kauften, die laut Verpackung „Bäume fällen und Knochen durchtrennen können“. Es ging indes um ziemlich kleine Knochen – die von Eichhörnchen, Tauben und Kaninchen, die mit Luftgewehren geschossen wurden. Es handelte sich bei den Jägern um Leute, die das Gefühl haben wollten, dem elementaren Anspruch des Überlebens gewachsen zu sein. Sie wollten töten, häuten, kochen und essen. Schon damals ging es viel um das Filtern von Wasser. Prepper vertraten die Auffassung, man müsse mindestens einen Wasservorrat für zwei Wochen haben sowie drei Möglichkeiten, es zu filtern und aufzubereiten. Das roch nach idealisierter Männlichkeit, toxisch war es nicht.
Bezeichnend für diese Leute war, dass sie alle Familien hatten, über die sie aber nicht unbedingt sprechen wollen. Dabei hatte Prepping schon immer politische Konnotationen. Wenn man Jahrzehnte zurückgeht, überwiegt der Eindruck, dass es einmal linksgerichtet war. Während der Kuba-Krise 1962 wurden manche Leute nervös und horteten Kondensmilch. Oder sie hatten einen Plan, um einen Atomschlag zu überleben, der ausgefeilter war als der Rat der Regierung, eine Tür aus den Angeln zu heben und sie an den Esstisch zu lehnen. Die entscheidende Annahme der frühen Prepper bestand darin, dass jede Autorität den Menschen gegenüber potenziell rücksichtslos ist, weshalb man für den Katastrophenfall zumindest die Zutaten für einen Käsekuchen im Haus haben sollte.
Dieses Denken spiegelte die nukleare Bedrohung der 1980er-Jahre und fühlte sich bestätigt, als 2003 unter britischer Beteiligung der Irak-Krieg begann. Wenn es heute beim Prepping überhaupt eine politische Tendenz gibt, dann liegt sie im Spektrum zwischen individualistisch-rechts und fundamentalistisch-libertär, obwohl Bushra Shehzad von der Universität Newcastle vor Verallgemeinerung warnt. „Ich finde es problematisch, Prepper in eine Schublade zu stecken. Sie kommen aus diversen sozioökonomischen Milieus und haben ein unterschiedliches Bildungsniveau. Ich kann sie nicht einordnen.“
Fest steht, wenn man erst einmal anfängt, über die heraufziehende Katastrophe nachzudenken, ist es schwer, den Punkt zu finden, um damit wieder aufzuhören. Immerhin hat die britische Regierung im vergangenen Jahr eine Vorbereitungskampagne gestartet – zu finden unter prepare.campaign.gov.uk –, die nicht weit von dem entfernt ist, worüber viele „Überlebenskünstler“ auf Facebook sprechen.
Zoe Williams ist Guardian-Kolumnistin